DOMRADIO.DE: Es gibt kaum noch freie Baufläche in Köln, in die Höhe könnte man noch bauen. Politiker aus fünf Fraktionen in Köln fordern eine Ergänzung zum bestehenden Höhenkonzept, das auch den Kölner Dom schützt. Ist jetzt der Welterbe-Status des Doms in Gefahr?
Peter Füssenich (Dombaumeister in Köln): Wir hatten in Köln schon einmal diese Situation, dass der Welterbe-Status in Gefahr war. Der Dom stand auf der Roten Liste. Das betraf auch eine Planung für eine Höhenentwicklung, die dem Dom nicht gerecht gewesen wäre. Das Ergebnis war, dass die Stadt dieses Höhenkonzept noch einmal überarbeitet hat und der Dom dann auf der Liste des Welterbes geblieben ist.
DOMRADIO.DE: Wenn Sie die Silhouette von Köln zeichnen - was darf im Stadtbild nicht fehlen? Der Kölner Dom ist klar, aber was sonst?
Füssenich: Der Kölner Dom ist unbestritten das Wahrzeichen dieser Stadt. Schon von weitem sieht man ihn in der Stadtsilhouette auftauchen - ob man sich zu Fuß, mit dem Auto oder der Bahn Köln nähert. Genau das war bei den Kathedralen der Gotik beabsichtigt: Dass man sich ihnen als Pilger näherte und, dass man sie schon von weitem sehen konnte. Als Abbild des Himmels auf Erden.
Deshalb sind auch die Blickachsen auf den Dom so wichtig. Für Köln ist aber auch das Rheinpanorama mit den Brücken und den Häusern der Altstadt bedeutend. Jeder kennt diese Stadtsilhouette und sie macht eben Köln so einzigartig.
DOMRADIO.DE: Wenn es bald neue Höhenkonzepte gibt, was würde sich im Stadtbild verändern?
Füssenich: Wichtig wäre, dass der Dom als Zentrum dieser Stadt seiner Bedeutung gerecht würde. Man könnte natürlich sagen: Wenn allzu viele Hochhäuser in Köln herum stünden, könnte man den Dom nicht mehr sehen. Und diese Idee, den Dom als Zentrum zu behalten, wäre in Gefahr.
DOMRADIO.DE: Der Colonius zum Beispiel ist erst vor knapp 40 Jahren dazugekommen, gehört aber auch zum Stadtbild dazu. Der Dom ist und bleibt auf jeden Fall immer Kulturerbe und immer Mittelpunkt der Stadt. Die Stadtsilhouette wird sich aber sowieso im Laufe der Zeit immer wieder wandeln, oder nicht?
Füssenich: Der Dom bleibt nur dann Kulturerbe, wenn sein Umfeld ihn und seine Würde auch respektiert. Jahrhundertelang haben Menschen an diesem geistlichen und kulturellen Zentrum gearbeitet und sie tun das auch heute noch. Deshalb ist eine langfristig angelegte Planung für diese Stadt und den Dom auch so wichtig.
Der Dom ist das Zentrum - und dem würde ja niemand ernsthaft widersprechen. Wichtig für die Zukunft wäre ein städtebauliches Konzept, in dem sich Köln in den kommenden Jahren weiterentwickeln kann. Das würde eine verlässliche Planungssicherheit für die Stadt, aber auch die Investoren bedeuten.
Problematisch war in der Vergangenheit, dass zuerst die Investoren mit ihren naturgemäß anderen Höhen- oder wirtschaftlichen Vorstellungen auf die Stadt zugehen und dann immer im Einzelfall Entscheidungen getroffen wurden.
Wichtig für die Zukunft wäre eine Gesamtkonzeption für die Stadtentwicklung der kommenden Jahre. Miit dem Masterplan der Stadt Köln gibt es da aber schon eine gute Grundlage.
DOMRADIO.DE: Was empfinden Sie dabei, wenn Investoren wieder auf Hochhäuser in Köln setzen? Sorgen Sie sich um den Kölner Dom?
Füssenich: Es ist immer meine Aufgabe, mich um den Kölner Dom zu sorgen. Nicht nur, was seine Erhaltung und Restaurierung betrifft, sondern auch die Auswirkungen der städtebaulichen Planungen auf den Kölner Dom.
Das neue Denkmalschutzgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen widmet den Welterbestätten einen neuen, einen eigenen Paragrafen. Der Dom, die Denkmalpflege und die Stadt Köln sind gehalten, für den Schutz des Kölner Doms einen eigenen Managementplan zu erstellen. Hierzu gehören auch die städtebaulichen Planungen und die Höherentwicklung in dieser Stadt. Das ist ein gutes Instrument für den Schutz des Kölner Doms.
DOMRADIO.DE: Die Dombauhütte hat sich beworben um den Titel "Immaterielles Kulturerbe". Was heißt denn das?
Füssenich: Immaterielles Kulturerbe ist das, was schützenswert ist und nicht das Gebäude, in diesem Fall den Dom, selbst betrifft. Das ist einfach übersetzt die Tätigkeit der Dombauhütte, das, was wir an nicht materiellen Schätzen hüten. Das sind zum Beispiel das Wissen um die Kathedrale, die Erhaltung der Handwerkstechniken, ohne die er nicht in die nächste Generation gebracht werden könnte, aber auch die Traditionen und Feierlichkeiten der Dombauhütte.
DOMRADIO.DE: Der Unesco geht es um eine Bestandsaufnahme der kulturellen Schätze eines Landes. Welcher Kulturschatz steckt denn in der Dombauhütte?
Füssenich: Die Dombauhütte ist selber ein Kulturschatz. Die Dombauhütte hütet Arbeits- und Handwerkstechniken, die seit dem Mittelalter entwickelt wurden und ohne die der Bau, aber auch die Erhaltung eines solchen Bauwerks nicht möglich wäre. Auch das Dombauarchiv mit seinen originalen, zum Teil mittelalterlichen Plänen, den Modellen des 19. Jahrhunderts, gehört zu den Schätzen, die wir hier am Dom hüten dürfen.
DOMRADIO.DE: Warum verdient die diese Auszeichnung?
Füssenich: Seit März 2019 ist die Kölner Dombauhütte - mit übrigens allen anderen deutschen Bauhütten - in das nationale Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes eingetragen. Hierauf dürfen wir ein bisschen stolz sein, denn es würdigt natürlich auch die Arbeit der Menschen für die Erhaltung des Kölner Doms.
DOMRADIO.DE: Die Bauhütten haben seit dem Mittelalter Großes geleistet. Auf nationaler Ebene ist die Anerkennung schon erreicht. Wird es das Bauhüttenwesen auch auf die internationale Ebene schaffen?
Füssenich: Das hoffen wir. Mit den Ländern Frankreich, Norwegen, Österreich und der Schweiz haben die Bauhütten Deutschlands einen gemeinsamen Antrag auf den Weg gebracht, der das Bauhüttenwesen Europas auf die Liste des Immateriellen Kulturerbes der Welt stellen möchte. Die Bauhütten Europas wären damit auch Vorbilder für die großen Bauten dieser Welt und die Erhaltung des Kulturerbes für die Menschheit.
Das Gespräch führte Dagmar Peters.