Welthungerhilfe stellt jährlichen Index vor

842 Millionen Menschen hungern

8,8 Millionen Menschen sterben jedes Jahr an Hunger. Heute wird der Welthungerindex vorgestellt. Simone Pott, Pressesprecherin der Deutschen Welthungerhilfe, im domradio.de-Interview.

Der Hunger in Afrika ist immer noch am größten (KNA)
Der Hunger in Afrika ist immer noch am größten / ( KNA )

domradio.de: Fragen wir mal ganz allgemein: Die Welthungerhilfe hat ein Auge auf den Hunger in der ganzen Welt. Wie ist die Tendenz im Augenblick? Hat sich das Hungerproblem in den vergangenen Jahren verbessert oder verschlechtert?

Pott: Also langfristig gesehen muss man sagen, dass die Zahl der Hungernden weniger geworden ist. Wir haben jetzt neueste Zahlen: 842 Millionen. Im letzten Jahr waren es etwa 870 Millionen. Was aber vielleicht viel wichtiger ist in unserem Bericht, den wir heute vorstellen werden, können wir sehen, dass sich auch der Index des Hungers, das heißt auch die Zahl der Menschen, die in bestimmten Regionen leben, deutlich verbessert hat. Wir haben unsere Referenz 1990 und im Vergleich zu diesem Jahr hat sich der Index um 34 Prozent verbessert. Das heißt, es gibt erste Erfolge, aber leider noch nicht genügend.

domradio.de: Wenn Sie Regionen sagen, in welchen Regionen der Welt ist denn die Hungerproblematik am größten?

Pott: Leider weiterhin in Afrika, südlich der Sahara, und in Südasien. Südasien ist ein besonderer Fall, weil dort Indien, also ein Land, was wirtschaftlich ein starker Motor ist, dort die Zahl der hungernden Kinder unter fünf Jahren leider immer noch dramatisch hoch ist, nämlich bei etwa 40 Prozent.

domradio.de: Und wenn wir von Hunger sprechen, was ist dann damit eigentlich konkret gemeint? Die Kollegen von "Brot für die Welt" haben zum Beispiel am Freitag ihr "Jahrbuch zum Recht auf Nahrung" veröffentlicht und darin darauf hingewiesen, dass es ja nicht nur um die Deckung von Kalorienbedürfnissen geht, sondern auch, dass jeder, zum Beispiel auch stillende Mütter, an alle Nährstoffe drankommen. Was heißt es konkret, zu hungern?

Pott: Das ist völlig richtig. Wir in unserem Hungerindex messen eben auch nicht nur die Kalorienzahl, weil das gibt nur ein sehr eingeschränktes Bild wider, sondern wir haben drei Faktoren, die wir hier zusammenrechnen. Das ist einmal die Zahl der Unterernährten in der Bevölkerung, da wird dann die Kalorienzahl sehr stark angelegt. Aber wir berechnen auch den Anteil untergewichtiger Kinder unter fünf Jahren und Anzahl der Kinder, die vor dem fünften Lebensjahr sterben. Das heißt, wir haben hier eigentlich drei Zahlen, die uns einen ganz guten Einblick geben, wie die Ernährungssituation in einem Land ist. und die Kollegen von "Brot für die Welt" haben zu Recht darauf hingewiesen, dass es nicht nur darum geht, wieviel Kalorien nehme ich zu mir, sondern auch, was esse ich. Gibt es in der Nahrung genügend Vitamine, Proteine, Eisen. Die Nahrung muss also substanziell und gehaltvoll genug sein, damit Kinder auch gesund aufwachsen. Und ein großes Problem dabei ist, dass viele schwangere Frauen in der Schwangerschaft schon selber unterernährt sind bzw. nicht richtig ernährt sind. Dieses wird dann an die Kinder weitergegeben als Erbe.

domradio.de: Ein zentrales Wort in Ihrem Welthungerindex, der heute in Berlin vorgestellt wird, ist das Thema Widerstandsfähigkeit. Was ist damit gemeint?

Pott: Richtig. Wir haben uns in diesem Jahr angeschaut, wie ist eigentlich der Zusammenhang zwischen Krisen und Konflikten, die ja zunehmen, vor allem Naturkatastrophen, und der Ernährungssituation eines Landes. Und haben da festgestellt, dass eigentlich in den Ländern, wo Krisen, Katastrophen, aber auch bewaffnete Konflikte am häufigsten vorkommen, auch die Ernährungslage am schlechtesten ist. Das heißt, wenn es uns gelingen soll, den Hunger in der Welt langfristig zu besiegen, müssen wir Widerstandsfähigkeiten in Gesellschaften, in Familien stärken, damit sie besser gerüstet sind für die kommenden  Katastrophen. Man kann das ganz einfach erklären, wenn in einer Familie, die ohnehin schon weniger als zwei Dollar am Tag zur Verfügung hat, wenn da ein Familienmitglied krank wird, wenn eine Kuh stirbt, wenn ein Teil der Ernte ausfällt, dann haben diese Familien keine Rücklagen, keinerlei Polster, um mit so einem Fall umgehen zu können. Und was dann passiert, ist, dass Kinder aus der Schule genommen werden, dass eine Mahlzeit am Tag gestrichen wird, und dass damit auch die Ernährungslage der gesamten Familie sich dramatisch verschlechtert.


Quelle:
DR