Dort, auf der Passionsspielbühne, hatte das Drama "Moses" nun seine Welt-Uraufführung. Neu verfasst für diesen Anlass von Feridun Zaimoglu und Günter Senkel. Sie griffen dafür auf Texte des Alten Testaments, aber auch auf jüdische Legenden zurück. Herausgekommen ist ein zweieinhalbstündiges Schauspiel mit viel Feuerwerk und nachdenklichen Tönen. Inszeniert hat das Spektakel mit 400 Laien der Regisseur und dreimalige Passionsspielleiter Christian Stückl. Als Spezialist für Massenszenen versteht er es auch dieses Mal, das "Volk" der Hebräer und der Ägypter in perfekter Weise zu dirigieren. Dazu kommt die von Markus Zwink komponierte Musik mit seinem im Hintergrund wirkenden Orchester und Chor. Mal klingt sie orientalisch, mal orientiert sie sich an der jiddischen Klezmer-Musik.
In einem warmen Rotton mit Blick auf die bergige Wüstenlandschaft ist das Bühnenbild von Stefan Hageneier gehalten. Dessen Wolken korrespondieren bei der Premiere mit dem Himmel der nach oben offenen Freiluftbühne. Die Titelrolle hat Carsten Lück übernommen. Wie schon beim "Judas" in der Passion 2010 zeigt er auch in seinem "Moses" die Zerrissenheit dieser Figur. Als jüdisches Findelkind aufgewachsen am Hof des Pharao, muss er erst seine eigene Identität finden und überzeugt werden, sein Volk aus der Knechtschaft zu führen. Er ist kein Heiliger, sondern tötet auch, wenn es der Herr ihm erlaubt.
Wie in alten Hollywood-Bibelschinken
Mitten in einem zum Publikum geneigten großen Kreiselement, dessen Umrandung lichterloh in Flammen steht, empfängt er vom Herrn seinen Auftrag. Doch keine Off-Stimme ertönt aus dem Dornbusch wie in alten Hollywood-Bibelschinken, die Botschaft des Herrn wird von Moses selbst wiedergegeben. So greift der Gesandte zum Hirtenstab, um seine Leute zum Aufbruch zu bewegen. Doch die wollen nicht. Sie haben sich an den Fleischtöpfen der Ägypter eingerichtet, auch wenn die Fronarbeit hart ist.
Der alte Korah (Peter Stückl), ein Cousin von Moses und dessen Bruder Aaron, erinnert beide daran, dass die Ägypter beschnitten seien. "Auf dieselbe Weise wie die Männer Israels. Wir liegen nicht weit auseinander." Moses besteht auf seiner Mission, setzt sich auch gegenüber dem Pharao durch und bricht mit den Seinen schließlich auf. Der Herr führt sie sicher durchs geteilte Meer, heißt es im Buch Exodus, während die Ägypter mit ihren Rossen und Wagen darin zu Tode kommen. Auf der Bühne muss Licht die Illusion dafür schaffen.
In archaischer Sprache
Der in der Türkei geborene Autor Zaimoglu hat bewusst nicht die Sprache "unserer Zeit" benutzt, wie er in einem Interview sagte. Die Schauspieler sprechen "eine archaische, eine nachempfindende Sprache", die aufmerksames Zuhören verlangt. Das fällt leichter, wenn jene Geschichten erzählt werden, die selbst Bibelferne kennen. Endlich ist es soweit. Das Volk meutert in der Wüste. Von "Staub, Schmutz und Strenge" hat es genug: "Mach uns einen Gott", fordern sie den Hohenpriester Aaron auf.
Der Bruder von Moses (verkörpert vom früheren Jesus-Darsteller Frederik Mayet) beugt sich dem Wunsch. Allen Schmuck und das Gold seiner Leute sammelt er ein, um es einzuschmelzen. Der Tanz ums Goldene Kalb beginnt. Wie Männer und Frauen um den "jungen Stier" toben und eine Orgie feiern, das kommt kraftvoll rüber. Ekstase, Sex und Geldgier - all jenen falschen Göttern, denen sich der Mensch noch heute hingibt, wenn er den Gottesbezug verloren hat.
Da hinein platzt Moses mit den von Gott erhaltenen Gesetzestafeln und verkündet die Zehn Gebote Jahwes. Und noch mehr: Der Herr schließt mit "Seinem Volk" einen Bund und führt es durch alle Gefahren ins gelobte Land. Moses erreicht dieses Ziel nicht mehr. Er bleibt am Ende allein in der Wüste zurück.