Rund 168 Millionen Mädchen und Jungen müssten unter teilweise schlimmen Bedingungen Geld verdienen und seien vom Schulbesuch ausgeschlossen, erklärte die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) in Genf. "Es ist eine nicht zu akzeptierende Realität, dass heute Millionen Kinder in der Welt - einige nicht älter als fünf Jahre - immer noch für ihr Überleben und das ihrer Familien arbeiten müssen", kritisierte ILO-Generaldirektor Guy Ryder.
Rund 120 Millionen arbeitende Kinder sind der Organisation zufolge zwischen fünf bis 14 Jahre alt. Weitere 48 Millionen Mädchen und Jungen im Alter von 15 bis 17 Jahren müssen gefährliche Arbeiten verrichten. Die Heranwachsenden in Entwicklungsländern schuften demnach ohne Schutzkleidung in Fabriken oder Bergwerken. Junge Mädchen laufen häufig Gefahr, sexuell ausgebeutet zu werden. Laut dem Bericht prägt Kinderarbeit das ganze spätere Leben. Wer schon als Kind arbeiten muss, kann sich kaum qualifizieren und findet später oft nur schlecht bezahlte Jobs ohne jegliche Aufstiegschance.
Mitmachaktion der Kirchen
Die evangelischen und katholischen Jugendverbände in Deutschland riefen eine Mitmachaktion gegen Kinderarbeit ins Leben. Unter dem Slogan "Uns geht die Luft nicht aus" sind Jugendliche dazu aufgerufen, ein Foto von sich und einem Luftballon zu veröffentlichen. Das teilte der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) mit. "Wir fordern die Politik auf, sich engagierter gegen Kinderarbeit einzusetzen, damit alle Kinder die Chance bekommen, eine Schule zu besuchen und Kind zu sein", sagte der BDKJ-Vorsitzende Wolfgang Ehrenlechner.
Neben BDKJ und aej beteiligen sich auch die Hilfswerke Misereor und Brot für die Welt sowie das Kindermissionswerk "Die Sternsinger" an der Aktion. Wer mitmachen will, kann sein Luftballon-Foto bis Juni 2016 auf Facebook, Instagram oder Twitter teilen, hieß es. Daraus soll eine Collage erstellt und an Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) übergeben werden. Nahles' Ministerium wird Deutschland 2017 beim nächsten Treffen der ILO vertreten.
Arbeit statt Unterricht
Das UN-Kinderhilfswerk Unicef macht gemeinsam mit dem Kinderhilfswerk Save the Children vor allem auf Kinderarbeit im Flüchtlingslager Zaatari in Jordanien aufmerksam. Laut UN-Angaben müssen dort 3.300 Kinder arbeiten, um ihre syrischen Familien mitzuernähren. Rund 13 Prozent der Minderjährigen in dem Camp nordöstlich von Amman gingen einer bezahlten Tätigkeit nach, heißt es in einem Bericht aus dem die Tageszeitung "Jordan Times" zitiert.
Der Studie zufolge arbeiteten 90 Prozent von ihnen nicht vor dem Einzug in das Flüchtlingslager. Demnach sei die Kinderarbeit hauptsächlich auf die aktuellen Lebensumstände zurückzuführen. Sechs von zehn befragten Kindern gaben an, den Unterricht zu schwänzen. Mehr als ein Viertel der Familien erklärte, sie müssten ihre Kinder von der Schule nehmen und arbeiten lassen, um das Haushaltseinkommen aufzubessern oder überhaupt etwas zu verdienen.
Die Folgen: Übermüdung und Krankheit
Dem Bericht zufolge betrifft die Kinderarbeit vor allem Jungen zwischen 7 und 17 Jahren. 60 Prozent seien mit dem Transport von Waren und Wasser im Camp beschäftigt, die übrigen meist im Straßenverkauf und in der Gastronomie. 80 Prozent litten unter Übermüdung; 40 Prozent berichteten von Verletzungen oder Krankheiten.
In Zaatari leben derzeit 83.000 Syrer, die vor dem Krieg in ihrem Heimatland geflohen sind. Die Hälfte von ihnen sind Kinder.
Ghana: Gesundheitsschädliche Arbeit in Goldminen
Die Hilfsorganisation Human Rights Watch blickt vor allem nach Ghana. Dort arbeiten einem Bericht zufolge Tausende Kinder und Jugendliche unter gefährlichen und gesundheitsschädlichen Arbeitsbedingungen in Goldminen. Internationale Händler, die Gold aus Ghana ankaufen, unterstützen damit möglicherweise die Ausbeutung von Minderjährigen. Firmen, die in Ghana - dem zehntgrößten Goldproduzenten weltweit - einkaufen, müssten ihre Zulieferer genauer überprüfen, forderte die Organisation.
Die Minderjährigen sind demnach vor allem in kleinen, unregulierten Goldminen beschäftigt, die den Großteil der Produktion in dem westafrikanischen Land ausmachen. Dort sind sie dem Bericht zufolge oft zuständig für den Transport des abgebauten Gesteins an die Oberfläche, für das Zerhacken des Erzes oder für die Herauslösung des Goldes mit Hilfe von giftigem Quecksilber. Die meisten von ihnen sind laut HRW zwischen 15 und 17 Jahren alt. Der 82-seitige Bericht zu den Goldminen in Ghana beruht auf über 160 Interviews, darunter 44 Gesprächen mit Kindern und Jugendlichen im Alter von 9 bis 17 Jahren, die in Minen arbeiten.
Keine Shrimps aus Kinderarbeit
Das Hilfswerk terre des hommes ruft Verbraucher auf, sich auch beim Konsum gegen Kinderarbeit zu wenden. Die Menschenrechtler fordern etwa, beim Griff ins Kühlregal nicht zu billigen Shrimps aus Thailand zu greifen. Die Meeresfrüchte stammten vielfach aus ausbeuterischer Kinderarbeit, warnte das Hilfswerk. Die Jungen und Mädchen pulten dafür sechs Tage pro Woche bis zu zehn Stunden lang Garnelen.
Die meisten der Kinder stammen nach Erkenntnissen des Hilfswerks aus dem armen Nachbarland Myanmar, von wo sie mit Hilfe von Schleusern nach Thailand kommen. Als "illegale" Migranten seien sie der Willkür ihrer Arbeitgeber ausgesetzt und könnten sich nicht wehren, wenn der Lohn gekürzt wird oder bei guter Auftragslage Überstunden und Nachtschichten angeordnet werden.
Appell an die Bundesregierung
Zum Welttag gegen Kinderarbeit appelliert terre des hommes an die Bundesregierung, sich dafür einzusetzen, dass die Europäische Union als wichtiger Handelspartner Thailands ihren Einfluss gegenüber der Regierung geltend macht und auf nachprüfbaren Maßnahmen zum Schutz der Rechte von Migrantenkindern besteht. Zugleich fordert das Hilfswerk die internationalen Garnelenhändler auf, für die Einhaltung sozialer Mindeststandards in der Shrimps-Industrie zu sorgen.
Den Arbeitern in Thailand müsse ein angemessener Lohn gezahlt werden, so dass sie nicht auf die Mitarbeit von Kindern angewiesen seien, sagte die terre-des-hommes-Vorstandsvorsitzende Danuta Sacher. "Das mag dazu führen, dass die Preise für Garnelen in Europa steigen, doch unsere Erfahrungen aus dem Bereich von Textilien zeigen, dass Verbraucher höhere Preise akzeptieren, wenn schädliche Kinderarbeit ausgeschlossen und ein fairer Lohn für Erwachsene gezahlt wird."
Papst: Forderung an internationale Gemeinschaft
Auch Papst Franziskus forderte ein entschiedenes Vorgehen gegen Kinderarbeit. "Viele Kinder in der Welt haben nicht die Freiheit zu spielen, zur Schule zu gehen, und werden als Arbeitskräfte ausgebeutet", sagte der Papst bereits am Sonntag beim Mittagsgebet auf dem Petersplatz. Er wünsche sich von der internationalen Gemeinschaft einen "unverzüglichen und andauernden Einsatz" für die Förderung einer "tatkräftigen Anerkennung der Rechte von Kindern".
Der von der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) 2002 ins Leben gerufen Aktionstag wird jährlich am 12. Juni begangen. Er soll ein kritisches Bewusstsein für die weltweite Ausbeutung von Kindern fördern.