Weltweite Bestürzung nach Terrorserie

Kirchenvertreter: "Anschlag auf alle Menschen"

Die Terroranschläge von Paris schockieren die Menschen weltweit. Kirchenvertreter fordern weiterhin Fürsorge für Flüchtlinge. Unter verschärften Sicherheitsbedingungen auf dem Petersplatz betete der Papst mit Tausenden. 

Petersplatz: Beten für Paris / © Maurizio Brambatti (dpa)
Petersplatz: Beten für Paris / © Maurizio Brambatti ( dpa )

Papst Franziskus und die Spitzen aller großen Religionen in Deutschland haben die Anschläge von Paris scharf verurteilt. Unter verschärften Sicherheitsbedingungen auf dem Petersplatz sprach Franziskus am Sonntag von barbarischen Akten gegen die ganze Welt. Mit Hass und Gewalt ließen sich keine Probleme lösen. Mit Tausenden Gläubigen auf dem Petersplatz hat er für das französische Volk gebetet. Bei seinem Angelus-Gebet am Sonntag verurteilte er die jüngsten Anschläge in Paris als barbarische Akte. Wer derartige Morde mit dem Willen Gottes rechtfertige, begehe eine schwere Gotteslästerung.

Die Schreckenstaten richteten sich gegen die ganze Welt und überstiegen die Vorstellungskraft. Solche Angriffe gegen die Menschenwürde seien nur rundheraus zu verurteilen, betonte der Papst. Mit Hass und Gewalt ließen sich keine Probleme lösen. Den Verletzten der Anschläge und den Angehörigen der Opfer versicherte Franziskus seine geistliche Verbundenheit. Anschließend rief er die Menschen auf dem Petersplatz zum stillen Gebet auf.

Danach betete er mit ihnen ein Ave Maria für Frankreich und für den Frieden. Die beiden großen Kirchen in Deutschland bezeichneten die Attentate als "Anschlag auf alle Menschen". Vertreter muslimischer Verbände warnten vor einer zunehmenden Islamfeindlichkeit.

Flüchtlinge weiterhin unterstützen 

Nach den Terroranschlägen von Paris hat der Weltkirchenrat davor gewarnt, Flüchtlingen aus Konfliktgebieten den Schutz in sicheren Ländern zu verwehren. Den Verfolgten müsste weiter Fürsorge und Gastfreundschaft gewährt werden, forderte der Ökumenische Rat der Kirchen am Samstagabend in Genf.

Der Dachverband mit knapp 350 Kirchen verurteilte die Terrorattacken von Paris und auch die Terrorangriffe von Beirut auf das Schärfste. Sicherheitsexperten warnen seit Monaten davor, dass islamistische Extremisten aus Konfliktregionen wie Syrien als Flüchtlinge getarnt nach Europa kommen könnten.

Der ÖRK unterstrich, dass Gewalt im Namen von Religion Gewalt gegen Religion sei. Auch der Lutherische Weltbund mit 145 Mitgliedskirchen betonte, dass religiöse Motive nicht zur Rechtfertigung von Gewalt missbraucht werden dürften. Die Anschläge sollten Menschen des Glaubens nicht davon abhalten, zusammen für Frieden und Gerechtigkeit zu wirken. Dies sei eine Zeit, in der in Kirchen, Synagogen und Moscheen gebetet werden sollte. Menschen des Glaubens sollten noch härter für den Frieden innerhalb und zwischen ihren Gemeinschaften arbeiten, hieß es.

Die Hamburger Akademie der Weltreligionen hat die Terroranschläge in Paris als "Verbrechen gegen die Menschheit" bezeichnet. Diese "abscheulichen Taten" seien weder mit dem Krieg in Syrien noch mit religiösen Gründen zu rechtfertigen, sagte Akademiedirektor Wolfram Weiße am Samstag in Hamburg. 

Zentralrats-Präsident nimmt muslimische Flüchtlinge in Schutz 

Der Präsident des Zentralrates der Juden, Josef Schuster, hat nach den Anschlägen in Paris davor gewarnt, muslimische Flüchtlinge in Deutschland unter Generalverdacht zu stellen. "Diese Menschen muslimischen Glaubens haben mit den islamistischen Terroristen des IS nichts gemein", erklärte Schuster am Sonntag in Berlin zum Abschluss des jüdischen Ehrenamtstages. Viele der Asylbewerber seien gerade vor der Gewalt der Terrormiliz "Islamischer Staat» geflohen. "Wir dürfen Muslime nicht in Generalhaftung nehmen», betonte Schuster.

Schuster sagte: "Wir sind alle erschüttert von den schrecklichen Vorfällen in Paris und in Gedanken bei den Opfern und ihren Angehörigen." Trotz der Terroranschläge sei es wichtig gewesen, am Ehrenamtstag «Mitzvah Day» festzuhalten.

Besonnen handeln und reden 

Nach den Terror-Anschlägen von Paris hat der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, die Politik zur Besonnenheit aufgerufen. "Das Wort Krieg sollte man in der gegenwärtigen Situation nicht gebrauchen", sagte der Theologe am Samstagabend in der ARD-Sondersendung "Hart aber fair": "Worte können vergiften." Wer über das Thema rede, habe eine große Verantwortung, sagte der EKD-Ratschef. Am Samstag hatte der französische Staatspräsident Francois Hollande erklärt, sein Land stehe im Krieg. Papst Franziskus hatte gesagt, "eine Art dritter Weltkrieg" sei im Ga

Zugleich warnte Bedford-Strohm vor einer militärischen Eskalation: "Wir müssen aufpassen, dass wir die Möglichkeiten militärischer Gewalt nicht überschätzen." Wichtig sei eine erfolgreiche Diplomatie, um die Unterstützung der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) und Waffenlieferungen zu stoppen. Er hoffe auf einen Erfolg der Syrien-Gespräche in Wien.

Der Publizist Michel Friedman forderte ebenfalls in der ARD-Sendung "Hart aber fair", die Unterstützer des IS-Terrors in den Blick zu nehmen. Deutschland müsse sein Verhalten gegenüber Katar, Saudi-Arabien und Iran überdenken, sagte der frühere Vize-Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland. Gegenüber dem IS-Terror erwarte er von der Politik eine harten Linie: «Wenn wir jetzt nachgeben, heißt das, dass man mit einem Minimum an Gewalt ein Maximum erreichen kann.» Was in Paris passiert sei, hätte auch in Berlin passieren können.

Weltweite Bestürzung

Papst Franziskus hat die Nachrichten von den Pariser Terroranschlägen mit Bestürzung aufgenommen. "Wir sind erschüttert von diesem neuen Ausbruch von terroristischer Gewalt und von Hass", sagte Vatikansprecher Federico Lombardi am Samstagmorgen gegenüber Radio Vatikan. Der "Angriff auf den Frieden der gesamten Menschheit" sei aufs Schärfste zu verurteilen. Der Anschlag verlange "nach einer klaren und solidarischen Entscheidung aller, um der Ausbreitung des mörderischen Hasses in all seinen Formen entgegenzutreten", so der Sprecher weiter. Der Papst bete für die Opfer, die Verletzten und das ganze französische Volk.

Dem Sender TV2000 der italienischen Bischofskonferenz sagte der Papst am Samstag: "Es gibt keine Rechtfertigung für solche Taten. Das ist nicht menschlich". Auf die Frage, ob damit der Dritte Weltkrieg in Stücken fortgesetzt werde, vor dem Franziskus bereits oft gewarnt hatte, sagte er: "Das ist ein Teil davon." Er sei bestürzt und bete für das französische Volk und die Familien der Opfer, ergänzte der Papst.

Die beiden großen Kirchen in Deutschland verurteilten die Attentate von Paris als "Anschlag auf alle Menschen und auf Europa". "Als Christen und über Religionen und Weltanschauungen hinweg werden wir trotz des Terrors zusammenstehen", erklärten der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, und der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, am Samstag in Bonn und Hannover.

"Wir sind tief erschüttert über die hasserfüllte Welle der Gewalt in Paris", heißt es in der gemeinsamen Erklärung. "In diesen Stunden gilt unsere Anteilnahme den Opfern und Angehörigen. Wo die Worte über die unfassbaren Taten versagen, ist für uns Christen Zeit zu beten. Wir beten für die Opfer."

Der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki sagte gegenüber domradio.de: "Mit tiefer Erschütterung stehen wir vor der Anschlagswelle, die am Freitag Paris heimgesucht hat. Wir stehen in dieser Stunde an der Seite derer, die Menschen, die Opfer durch diese Terroranschläge zu beklagen haben. Wir stehen an der Seite unserer französischen Freunde. Wo solch Unfassbares geschieht, versagen menschliche Worte.

Wir können im Letzten uns hier nur an einen größeren wenden, um die Opfer, die Hinterbliebenen, die Angehörigen Ihm anzuempfehlen."

Auch Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck hat seine Erschütterung über die Terroranschläge von Paris zum Ausdruck gebracht. "Das erste Wort, das für mich diese Anschläge beschreibt, ist Fassungslosigkeit und als zweites der unbedingte Wille zum Frieden", sagte Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck am Samstag in Essen.

Alle Christen seien jetzt aufgerufen, für die Opfer und Angehörige sowie für den Frieden zu beten. Dabei gehe es nicht nur um den Frieden zwischen einzelnen Menschen, «sondern auch um Frieden zwischen den Religionen, zwischen politischen Systemen und zwischen den verschiedenen Weltanschauungen".

Die Attentate von Paris zeigten, "wie zerbrechlich unsere Welt der Freiheit ist, sagte Overbeck bei einem Mittagsgebets, zu dem er die Essener Bevölkerung spontan in den Dom eingeladen hatte. Deshalb
brauche die Welt Menschen »mit einem starken Gewissen, mit kräftigen Überzeugungen von der Würde und vom Wert jedes Menschen und mit dem Willen, immer wieder Wege der Versöhnung mit allen Menschen zu gehen". Nur so könnten Terror, Mord, Gewalt und der "Hass als Wurzel dieses Übels" überwunden werden.

In einem Schreiben an alle 730 Gemeinden der Evangelischen Kirche im Rheinland zwischen Niederrhein und Saarland hat Präses Manfred Rekowski angesichts der gestrigen Terroranschläge von Paris zum Gedenken und zum Gebet aufgerufen. Er schreibt: "Die Nachrichten von der Anschlagsserie in Paris erschüttern uns alle zutiefst. Auch wenn die näheren Hintergründe noch unklar sind, haben offenkundig mehrere abgestimmte Terroranschläge in unvorstellbarer Brutalität eine Nacht des Terrors geschaffen, die über zahlreiche Familien und über ein ganzes Land unermessliches Leid gebracht hat. Mit unseren Gedanken und Gebeten sind wir bei den betroffenen Angehörigen und Freunden sowie bei unserer Partnerkirche Eglise Protestante Unie de France.

Sonntagsmesse in Notre-Dame

Auch die religiösen Führer in Paris haben die Anschläge mit mehr als 120 Toten verurteilt und rufen zum Gebet für die Opfer auf. Der Erzbischof von Paris, Kardinal Andre Ving-Trois, forderte die Franzosen auf, trotz der Gewalt nicht zu hassen, sondern gnädig zu bleiben, berichtet die französischen Tageszeitung "La Croix" (Online-Ausgabe Samstag).

Alle Katholiken von Paris seien am Sonntagabend zu einer Messe in die Kathedrale von Notre Dame eingeladen, "um für die diejenigen, die gestern getötet wurden und ihre Familien zu beten, für die Verletzen und ihre Angehörigen und für die, die hart arbeiten, um sie zu retten". Vingt-Trois will den Sonntag in Frankreich als Trauertag ausrufen lassen.

Der französische Islamrat (CFCM) verurteilte "mit Nachdruck" die "verhassten und verächtlichen Angriffe". Angesichts der besondere Schwere der Tat sei nun Einheit und Solidarität wichtig. Der CFCM rief die Muslime in Frankreich zum Gebet "in Frieden und Würde" auf.

Tief betroffen von den Pariser Terroranschlägen von Freitagnacht haben sich auch die Spitzenvertreter der Kirchen in Österreich gezeigt. Sein Mitgefühl gelte den Getöteten, den Verwundeten und deren Familien, so Kardinal Christoph Schönborn in einer ersten Stellungnahme. Der Wiener Erzbischof, der als Student in Paris gelebt hat: "Ich bete für sie und für alle Menschen dieser Stadt, die mir so ans Herz gewachsen ist. Ich bitte alle Menschen guten Willens, gleich welcher Religion sie angehören, in dieses Gebet einzustimmen - um Trost inmitten des Terrors und um Kraft inmitten großer Verunsicherung." Nun brauche es ebenso Besonnenheit wie Entschlossenheit, um in dieser Bewährungsprobe der europäischen Wertegemeinschaft die richtigen Antworten auf das "abgrundtief Böse" zu finden, das sich in den Anschlägen manifestiert.

Arsenios: Terror fordert Islam heraus

Tief betroffen hat sich auch der griechisch-orthodoxe Metropolit Arsenios (Kardamakis) gezeigt. Sein Gebet sei bei den Getöteten, den Verwundeten und deren Familien. Der Metropolit verurteilte die Anschläge auf das Schärfste und appellierte an die politisch wie religiös Verantwortlichen, alles zu unternehmen, um dem Terror Einhalt zu gebieten. Wenn jemand im Namen Gottes tötet, habe dies nichts mit Religion zu tun. Der islamistische Terror sei vor allem auch eine Herausforderung für den Islam und die muslimischen Länder, die sich davon entschieden distanzieren müssten. Der Islam müsse zeigen, dass er eine friedliche Religion sei, dem die friedliche Koexistenz mit allen Menschen ein Anliegen sei, forderte der Metropolit.

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Joachim Gauck äußerten ihre tiefe Erschütterung. Merkel sagte: "Meine Gedanken sind in diesen Stunden bei den Opfern der offensichtlich terroristischen Angriffe, ihren Angehörigen sowie allen Menschen in Paris."

US-Präsident Barack Obama verurteilte die Anschläge als "abscheulichen Versuch", die Welt zu terrorisieren. "Wir werden tun, was immer auch getan werden muss, um diese Terroristen zur Verantwortung zu ziehen." Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Ban Ki Moon, sprach ebenfalls von "abscheulichen Terrorakten".

Mindestens 129 Tote

Bei einer beispiellosen Terrorserie in Paris mit mehreren fast zeitgleichen Anschlägen sind mindestens 129 Menschen getötet worden. Mehr als 350 wurden zum Teil schwer verletzt. Fast hundert befinden sich noch kritischem Zustand. Mindestens sieben Attentäter haben an sechs verschiedenen Orten in Paris um sich geschossen beziehungsweise Sprengstoffgürtel gezündet. Allein in der Konzerthalle "Bataclan" richteten sie ein Massaker mit mindestens 80 Toten an. Vier Tote gab es in der Nähe des Stadions Stade de France, wo gerade das Fußball-Länderspiel Deutschland gegen Frankreich stattfand. 

Die Angriffe von Anhängern der IS-Terrormiliz sollen ersten Ermittlungen zufolge minutiös geplant worden sein. Die Attentäter wollten sogar ein noch ein größeres Blutbad anrichten. Es soll ein Anschlag auf das "Stade de France" versucht worden sein.


 

Heinrich Bedford-Strohm bleibt EKD-Ratsvorsitzender / © Norbert Neetz (epd)
Heinrich Bedford-Strohm bleibt EKD-Ratsvorsitzender / © Norbert Neetz ( epd )


 

Trauer in Paris / © Lukas Schulze (dpa)
Trauer in Paris / © Lukas Schulze ( dpa )
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