Tauwetter zwischen Washington und dem Vatikan

Wende in der Zusammenarbeit?

Das Verhältnis zwischen den USA und dem Heiligen Stuhl war zuletzt auf einem Tiefpunkt angelangt. Nun ruhen die Hoffnungen auf dem neuen US-Präsidenten Joe Biden. Aber kann er die Erwartungen in ihn auch erfüllen?

Autor/in:
Alexander Pitz
Kirche in den USA / © N.N. (shutterstock)

Erleichtertes Aufatmen hinter den Vatikanmauern: Mit der Vereidigung Joe Bidens zum neuen Präsidenten der Vereinigten Staaten ging die Amtszeit von Donald Trump zu Ende. Vier Jahre voller Kontroversen, in denen die Beziehungen zwischen den USA und dem Heiligen Stuhl auf eine harte Probe gestellt wurden. Die Liste der Streitthemen ist lang: China, Nahost, Migration, Klima, Atomwaffen, Todesstrafe. Bei keiner Frage, so gewann man den Eindruck, gab es Schnittmengen.

Vatikan bemüht um Zeichen des Entgegenkommens

Kommt nun mit Biden die große Wende? Der Vatikan jedenfalls ist nach der jahrelangen diplomatischen Konfrontation sichtlich darum bemüht, Zeichen des Entgegenkommens zu senden. Papst Franziskus gratulierte dem 78-Jährigen bereits kurz nach der Präsidentschaftswahl im November. In einem Telefonat äußerte das Kirchenoberhaupt den Wunsch nach Zusammenarbeit.

Zum Amtsantritt des zweiten katholischen US-Präsidenten der Geschichte folgte ein wohlwollendes Telegramm: Gott möge Bidens Amtsführung leiten, "Verständnis, Versöhnung und Frieden innerhalb der USA sowie unter den Nationen der Welt zu fördern, um das universelle Gemeinwohl voranzubringen". Das kann man durchaus als versteckten Seitenhieb auf die Trump-Administration verstehen, die eher für Polarisierung stand.

Flankiert wird die päpstliche Charmeoffensive durch eine Kampagne in den vatikanischen Medien. Im US-Wahlkampf ergriffen sie - mal mehr, mal weniger offen - Partei zugunsten des demokratischen Kandidaten. Vor allem die Vatikanzeitung "Osservatore Romano" veröffentlichte beinahe täglich betont Trump-kritische Beiträge. Nach dem Angriff auf das Kapitol in Washington sah sie sich sogar bemüßigt, dem scheidenden Staatsoberhaupt direkt die Schuld an der Gewalt zu geben. Die Verantwortung liege bei dem, der mit polarisierenden Reden Tausende mobilisieren könne, so das Blatt.

Schwieriges Verhältnis zu Trump

Die Antipathie kommt nicht von ungefähr. Trumps Kurs des "America first" war in vielerlei Hinsicht das genaue Gegenteil der von Franziskus geforderten "Geschwisterlichkeit". Dies wurde schon im US-Wahlkampf 2016 deutlich. Seinerzeit bezog der Argentinier unverhohlen Stellung, indem er den Plan für eine Grenzmauer zu Mexiko als "nicht christlich" bezeichnete. Von da an ging es im beiderseitigen Verhältnis stetig bergab.

Der Vatikan positionierte sich öffentlich gegen Trumps israelfreundliche Nahost-Initiative. Die USA hingegen kritisierten die Verlängerung des Vatikan-China-Abkommens medienwirksam als unmoralisch. All die Misstöne und Differenzen haben tiefe Spuren hinterlassen.

Daran vermochte auch Callista Gingrich nichts zu ändern, die kürzlich ihren Abschied als US-Botschafterin beim Heiligen Stuhl nahm. Immerhin gelang es ihr in den vergangenen drei Jahren, trotz der Spannungen einige Projekte auf den Weg zu bringen. Insbesondere ihr Engagement für internationale Religionsfreiheit fand Anklang in Rom. Im Juni verlieh ihr der Papst zum Dank den Piusorden. Ein Nachfolger für die 54-Jährige ist noch nicht benannt.

Neustart der Beziehungen

Wer immer den Posten bekommt, muss mithelfen, einen grundlegenden Neustart der vatikanisch-amerikanischen Beziehungen in die Wege zu leiten. Das gegenwärtige Tauwetter wird hilfreich sein. Wer aber meint, die USA hätten mit Biden eine Art Dauer-Wildcard im Vatikan, der täuscht sich. Zwar sorgte er mit dem Wiedereintritt in das Pariser Klimaabkommen auf Anhieb für eine positive Atmosphäre. Doch zugleich zeichnen sich Probleme ab.

Der neue Mann im Oval Office wird zwar einen anderen Stil pflegen als sein ruppiger Vorgänger. Aber auch der Demokrat wird - wie alle US-Präsidenten vor ihm - in erster Linie amerikanische Interessen vertreten. Sei es bei der Verteilung von Corona-Impfstoffen oder in handelspolitischen Fragen. Eine schrankenlose Einwanderungspolitik wird es mit ihm ebenso wenig geben wie unter Barack Obama. Und die familienpolitischen Vorstellungen der demokratischen Regierung dürften nur schwer mit katholischen Grundsätzen vereinbar sein. Die große Nähe zur LGBTIQ-Bewegung sowie die liberale Haltung in Sachen Abtreibung bergen gesellschaftlichen Zündstoff.

Kardinal Gerhard Ludwig Müller, ehemaliger Chef der römischen Glaubenskongregation, signalisiert wortgewaltig, dass mit Gegenwind aus konservativen Kreisen zu rechnen ist. "Nun stehen die USA mit ihrer geballten politischen, medialen und ökonomischen Macht an der Spitze der subtil-brutalsten Kampagne zur Entchristianisierung der westlichen Kultur seit 100 Jahren", sagte er dem Portal kath.net. Leider gebe es "gute Katholiken bis in höchste Stellen im Vatikan, die in blindem Anti-Trump-Affekt alles in Kauf nehmen oder herunterspielen".


Joe Biden im Gebet / © Andrew Harnik (dpa)
Joe Biden im Gebet / © Andrew Harnik ( dpa )
Quelle:
KNA