Palmsonntag werde der Indikator sein, hatten Kirchenvertreter mit Blick auf das bevorstehende Osterfest gesagt. Mit der Palmprozession über den Ölberg in die Altstadt hat auch in Jerusalem am vergangenen Sonntag die sogenannte Heilige Woche begonnen. Zehntausende Pilger zieht es dazu üblicherweise an den historischen Ort des Geschehens. Gut ausgelastet sind viele der traditionellen Pilgerherbergen auch in diesem Jahr zum höchsten christlichen Fest, aber die Verunsicherung angesichts der seit Monaten angespannten Sicherheitslage macht sich vor allem bei denen breit, die zum ersten Mal auf Pilgerschaft sind.
Wie angenommen war der Palmsonntag ein sehr deutlicher Indikator: Laut Polizei kamen mit 15.000 Menschen nur halb so viele wie im Vorjahr. Im "Christian Information Center", dem zentralen Büro für Messreservierungen an den Heiligen Stätten, nennt man ähnliche Zahlen. 23.500 Buchungen für den Ostermonat. Im Vorjahr waren es 32.500. Dabei hatte sich bereits 2015 die Zahl der Stornierungen verglichen mit den Jahren zuvor verdoppelt.
Angenehme Leere an heiligen Stätten
Jene 15.000, die Palmsonntag kamen, brachten die übliche ausgelassene Stimmung mit sich. Angst vor Zwischenfällen trübten die Festlaune nicht - eine Erfahrung, die auch andernorts bestätigt wird. Pilger, die - häufig entgegen Warnungen aus dem persönlichen Umfeld - die Reise ins Heilige Land antreten, seien "froh, dass sie gekommen sind", sagt Benediktinerpater Nikodemus Schnabel von der Dormitio-Abtei auf dem Zionsberg. Vor allem jene, die nicht zum ersten Mal da sind, schwärmen von der angenehmen Leere an den heiligen Stätten: in die Ädikula über dem Grab Jesu - ohne Schlange stehen zu müssen - in normalen Osterzeiten ein Ding der Unmöglichkeit.
Wer "über Personen, Institutionen oder frühere Besuche fester mit dem Heiligen Land verwurzelt" sei, sagt Michael Doll, zuständig für die Reiseabteilung des Deutschen Vereins vom Heiligen Lande, komme auch jetzt, "aus Solidarität" und weil "Vertrauen in die Gewährsleute vor Ort" bestehe. Grundsätzlich stimme es aber schon: 2016 sei ein "sehr verhaltenes bis schwaches" Jahr, die Buchungszahlen deuteten zudem auf einen längerfristigen Trend hin. "Überwiegend Ängste" macht Doll für den Rückgang verantwortlich, dabei sei nicht nur die Sicherheitslage in Israel, sondern "im ganzen Nahen Osten einschließlich der Türkei" ein wesentlicher Faktor.
Einheimische Christen meiden die Altstadt
Im Heiligen Land selbst hat der Konflikt im vergangenen halben Jahr Dimensionen angenommen, wie sie Israelis und Palästinenser lange nicht gesehen haben. 206 Messerangriffe, 83 Schießereien und 42 mit Autos verübte Anschläge verzeichnet das israelische Außenministerium den Angaben zufole seit dem 13. September 2015. 34 jüdische Israelis starben - nach Aussagen des Inlandsgeheimdienstes Schin Bet war 2015 das blutigste Jahr seit 2008.
Längst hat sich die Sorge um die eigene Sicherheit auch unter den einheimischen Christen breitgemacht. Wer nicht unbedingt in die Altstadt muss, meidet sie - und mit ihr das Risiko, in die Schusslinie zu geraten. Bei den Zahlen zu palästinensischen Opfern der jüngsten Gewaltwelle gehen die Angaben auseinander. Laut Nichtregierungsorganisationen wurden seit vergangenem Herbst mehr als 180 Palästinenser durch die israelische Armee getötet, rund ein Viertel von ihnen minderjährig.
Neuralgisch sind dabei auch Punkte, die von vielen Pilgern besucht werden. Etwa das Damaskustor und die Wad-Straße, eine der Hauptachsen der Jerusalemer Altstadt, an der sich einige der jüngsten Messerattacken ereigneten. Das Pilgerhaus "Österreichisches Hospiz" bildet das Eckhaus der Wad-Straße zur Via Dolorosa, einem Herzstück des christlichen Pilgerwegs durch die Stadt. Zu Ostern, bestätigt Rektor Markus Bugnyar auf Anfrage, ist das Haus ausgebucht wie in den Vorjahren. Sicherheitsanfragen von potenziellen Besuchern "tauchen auf, halten aber nicht vom Pilgern ab". "Gott sei Dank", sagt der Österreicher, denn "in Zeiten wie diesen sind Pilgern, Beten und Einkehr nötiger denn je. Für das Heilige Land, für Europa, schlicht für die Menschheit."