DOMRADIO.DE: Frau Will, Angehörigen, die um einen Verstorbenen trauern, kann eine würdige und zunehmend auch individueller gestaltete Begräbnisfeier nachhaltigen Trost spenden. Doch nicht immer tut sie das. Manchmal ist sogar das Gegenteil der Fall. Wissen Sie von solchen Erfahrungen?
Eva-Maria Will (Referentin für Trauerpastoral und Bestattungskultur im Erzbistum Köln): Exequien und Beerdigungen sind immer wieder ein Thema, das die Gemüter erregt und für reichlich Gesprächsstoff sorgt. Mitunter muss sich damit sogar die Beschwerdestelle im Bistum auseinandersetzen – ein Indiz dafür, dass hier nicht alles gut läuft: wenn beispielsweise konsequent der Name des Verstorbenen falsch ausgesprochen wird; wenn die Trauergemeinde "abgekanzelt" wird, weil sie unsicher ist, wann sie sitzen oder stehen soll; wenn Angehörige kein offenes Ohr für ihren Musik- oder Gestaltungswunsch finden; wenn den Liturgen vorschnelle Vertröstungen über die Lippen gehen oder die ganze Feier überhaupt keine persönliche Note hat, das heißt, das jahrzehntelange Engagement des Verstorbenen im Pfarrgemeinderat nicht erwähnt wird oder die Verdienste einer bei den Kommunionkindern äußerst beliebten Katechetin.
All das kränkt und ärgert diejenigen, die sich aufgrund des Verlustes ohnehin schon in einer emotionalen Ausnahmesituation befinden. Diese Menschen fühlen sich in ihrem Schmerz weder ernst genommen noch wertgeschätzt. Ich habe schon gehört, dass sich Bestatter über die mangelnde Qualität katholischer Trauerfeiern beklagt haben und bedauern, dass Angehörige immer öfter eine kirchliche Bestattung ihres Verstorbenen ablehnen. Solche Beobachtungen irritieren. Trotzdem gibt es natürlich viele Seelsorger, die genau in dieser Aufgabe ihre Berufung sehen und ganz nah bei den Menschen sind. Tatsache ist ja, dass die Kirche hier schon lange kein Monopol mehr hat; die Konkurrenz durch freie Trauerredner ist groß. Umso mehr müsste sich eigentlich jeder pastorale Mitarbeiter herausgefordert sehen.
DOMRADIO.DE: Wie kann es dazu kommen, dass die Leute ganz offensichtlich enttäuscht reagieren, obwohl Begräbnisfeiern ja eigentlich zu den Kernaufgaben von Kirche gehören und an den sogenannten Wendepunkten des Lebens stattfinden, bei denen sich immer auch Chancen für beide Seiten auftun? Zumindest besteht hier seitens der Kirche doch ein hoher Anspruch…
Will: Menschen, die der Kirche angehören, dürfen zunächst einmal zu Recht eine entsprechende Dienstleistung von dieser Institution erwarten. Schließlich gehört es zum Selbstverständnis von Kirche – im Sinn eines Werkes der Barmherzigkeit – einen Toten aus ihrer Mitte würdig zu begraben und seine Hinterbliebenen zu trösten, unabhängig davon, ob und wie sehr sich diese der Kirche oder ihrer Gemeinde (noch) verbunden fühlen. Die Bitte um eine christlich-katholische Begräbnisfeier für den Verstorbenen erfordert ein sorgfältiges Handeln der Kirche: Seit jeher tröstet sie Menschen, indem sie vor allem für sie da ist, ihnen das Wort Gottes verkündet, ihre Verstorbenen verabschiedet und sie anschließend zu Grabe trägt. Das ist ihr ureigener Auftrag.
Und so erleben die in der Begräbnisliturgie Versammelten im Idealfall die heilsame Dimension einer Feier der christlichen Glaubenshoffnung und bekennen eine christliche Gemeinschaft, in der lebende und verstorbene Glieder miteinander verbunden sind. Deshalb stellen sowohl die Totenliturgie als auch die Sorge um die Trauernden immer eine Aufgabe der ganzen Kirche bzw. der Gemeinde dar.
DOMRADIO.DE: Kann die Kirche – angesichts ihrer schwindenden personellen Ressourcen – ihren eigenen Anspruch denn überhaupt noch aufrecht erhalten?
Will: Die Aufgabenvielfalt in großen pastoralen Räumen ist mittlerweile für einen Pfarrer und sein Pastoralteam eine immense Herausforderung, zumal der Tod sich nicht an Bürozeiten hält und stets den Terminkalender durchkreuzt. Deshalb verlangt der Begräbnisdienst von allen nicht nur Flexibilität. Es geht auch darum, zum Beispiel Gebete und die Gestaltung eines Begräbnisses an die konkrete Situation der Hinterbliebenen anzupassen und hier ein wichtiges Ritual nicht wie am Fließband abzuwickeln.
Es macht ja einen Unterschied, ob ein Kind stirbt oder ein hochbetagter Erwachsener, ob es sich um einen tragischen Unfall handelt oder jemand nach Jahren der Pflege einer schweren Krankheit erliegt. Es muss also Zeit sein, dass sich die Seelsorger und Seelsorgerinnen entsprechend vorbereiten, aber auch nachher bei einem Spaziergang von ihrem Dienst erholen können.
Schließlich geht der Umgang mit Trauernden kaum an jemand spurlos vorüber, und die Angehörigen dürfen nun mal die bestmögliche empathische und wertschätzende Zuwendung erwarten. Doch ohne die notwendige Zeit und Ruhe läuft dieser wichtige Dienst Gefahr, zur Routinehandlung und den Betreffenden nicht gerecht zu werden, aber auch dem pastoralen Personal irgendwann die Luft sowie die Freude am Dienst zu nehmen.
DOMRADIO.DE: Wie kann dem entgegengewirkt werden? Vielleicht indem man den Beerdigungsdienst auf breitere Füße stellt?
Will: Damit das Personal nicht "ausbrennt" und die pastorale sowie liturgische Qualität der Feiern gewährleistet bleibt, müssen die Rahmenbedingungen stimmen und die Teams nach Möglichkeit ausgebaut werden. Zunächst ist im Pastoralbüro die Erreichbarkeit sicherzustellen, damit niemand vergeblich an der Türe klingelt und kein Anruf ins Leere läuft.
Das Erzbistum Köln hat dazu die Idee des "Pfarrbüro24" entwickelt, bei dem man rund um die Uhr sein Anliegen anmelden kann. Auch bei den Organistinnen und Organisten oder den Küsterinnen und Küstern sollten weder Engpässe entstehen noch Aufgaben an Hinterbliebene bzw. das Bestattungsunternehmen abgeschoben werden. Wird die Arbeit auf mehrere Schultern verteilt, werden alle entlastet und es kann angemessen auf die Menschen in ihren jeweiligen Trauersituationen eingegangen werden.
DOMRADIO.DE: Im Erzbistum Köln ist es seit ein paar Jahren gängige Praxis, dass auch Laien mit der Bestattung beauftragt werden, die für sich in diesem ehrenamtlichen Dienst einen tiefen Sinn finden. Liegt in der Auswahl solcher zusätzlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vielleicht der Schlüssel zu einer höheren Zufriedenheit bzw. für die Gewährleistung von Qualität bei den liturgisch-pastoralen Angeboten im Umfeld von Tod und Trauer?
Will: Es gibt eine ganze Reihe von Frauen und Männern, die den Bestattungsdienst mit großer Hingabe ausüben, was immer wieder sehr positiv rückgemeldet wird. Gerade mit Frauen verknüpfen die Hinterbliebenen oft das Bild der verständigen Mutter, Schwester oder Tochter. Letztlich geht es darum, die Betroffenen ins Zentrum der Seelsorge zu stellen. Es mag überraschen, dass es in den Gemeinden verwurzelte Christinnen und Christen gibt, die es für sinnstiftend halten und als ihr Herzensanliegen betrachten, das Reich Gottes zu verkünden, einen Verstorbenen in Ehren zu verabschieden und zu bestatten.
Diese Menschen haben selbst schon mal die tröstliche Kraft der kirchlichen Begräbnisfeier erfahren, andere wollen es aufgrund eigener Erlebnisse oder Beobachtungen anders, besser machen. Neben Lebenserfahrung und einer hohen Motivation bringen sie auch Fähigkeiten sowie Kenntnisse aus Bereichen mit, die für den Beerdigungsdienst ein Schatz sind: als Mitarbeitende in medizinisch-pflegerischen Berufen, in der Kinder-, Schul- oder Erwachsenenbildung, in der Hospizbewegung und nicht zuletzt in Katechese und Liturgie.
DOMRADIO.DE: Mit anderen Worten, diese neuen Wege, die das Bistum hier nun schon eine Weile geht und für die Sie damals ein entsprechendes Konzept entwickelt haben, bereichern die Pastoral und haben sich bewährt?
Will: Inzwischen haben bei uns rund 50 Gemeindemitglieder diese einmal jährlich stattfindende Ausbildung absolviert. Um auch Erwerbstätigen die Teilnahme zu ermöglichen, ist die Qualifizierung in einem modularen System kompakt angelegt: mit Seelsorgern und Seelsorgerinnen sowie mit Referentinnen und Referenten, die den Teilnehmenden mit ihrem Wissen und ihren Erfahrungen zur Seite stehen. Während des Kurses werden die Frauen und Männer im Rahmen der Hospitation von einer Mentorin oder einem Mentor begleitet, so an den Dienst vor Ort herangeführt und dadurch für ihre Aufgabe ermutigt. Der Gedanke der Weggemeinschaft auf Zeit soll die Kursteilnehmenden in der Ausbildung bewegen, gemeinsam zu lernen, aufeinander zu hören und im Geist Gottes miteinander zu wachsen.
DOMRADIO.DE: Was tun Sie, damit nach außen nicht der Eindruck entsteht, eine Bestattung durch einen Laien sei ein Dienst zweiter Klasse? Oder umgekehrt: Wenn eine Begräbnisfeier genauso gut von Laien vollzogen werden kann, mache das den Pfarrer verzichtbar?
Will: Die Ausbildung zum Bestattungsbeauftragten kreist viel um die Themen Empathie und Wertschätzung. Also um genau das, was Trauernde so oft vermissen. Menschen, die diese Aufgabe freiwillig übernehmen, sind von daher oft eine große Bereicherung. Trotzdem kommt dem Pfarrer nach wie vor eine zentrale Rolle zu. Um die Gemeinde auf den späteren Einsatz von Gemeindemitgliedern im Auftrag der Kirche vorzubereiten und für entsprechende Akzeptanz zu sorgen, holt er zuvor das Votum des Pfarrgemeinderates ein. Außerdem sorgt er als Verantwortungsträger für die fachliche und seelsorgliche Begleitung der "außerordentlichen Leiterinnen und Leiter von kirchlichen Begräbnisfeiern" – wie sie offiziell heißen – und ist so einmal mehr Wegbereiter und Ermöglicher für den Einsatz von Laien. Die Laien im pastoralen Dienst haben dabei eine wichtige Brückenfunktion zwischen Klerikern und Gemeindemitgliedern. Noch einmal: Es geht um das Wohl der Betroffenen und von daher darum, die Qualität der liturgisch-pastoralen Angebote zu stärken. Je weniger der Beerdigungsdienst von Laien als "Notlösung", sondern als gemeinsame Aufgabe der Kirche am Ort begriffen und gestaltet wird, desto größer ist die Akzeptanz, was letztlich für alle ein Gewinn ist.
DOMRADIO.DE: Färbt das Kölner Beispiel denn auch auf die anderen Bistümer ab?
Will: Es gibt auch in vielen anderen deutschen Bistümern bereits teilweise sogar lange Erfahrungen mit ehrenamtlichen Begräbnisleitern und Begräbnisleiterinnen wie beispielsweise in Aachen. Und seit diesem Jahr wird der ehrenamtliche Begräbnisdienst ausdrücklich durch die Deutschen Bischöfe gewürdigt: Wer sich "aufgrund seiner Taufe zum Zeugnis und zur Weitergabe des Glaubens berufen weiß, nimmt auf seine Weise teil an der Seelsorge in der Nachfolge Jesu Christi. Ehrenamtliche (…) beim Beerdigungsdienst sind darum kein ‚Ersatz‘ für fehlende Priester, sie nehmen vielmehr ihre seelsorgliche Berufung als Christinnen und Christen wahr." So heißt es dazu in einem kürzlich veröffentlichten Wort der Bischöfe zur Seelsorge.
Klar ist doch: Will die Kirche dauerhaft im Leben der Menschen relevant bleiben, ist sie immer wieder neu herausgefordert, sich an den existenziellen Bedürfnissen der Menschen nach Trost und Hoffnung zu orientieren, ihnen in den schwersten Stunden beizustehen. Hier hat sie mit der Frohbotschaft der Bibel ein Alleinstellungsmerkmal. Und in welchem Moment könnte sie darauf glaubwürdiger und gleichzeitig unverzichtbarer verweisen als an der Schwelle von Leben und Tod!
Das Interview führte Beatrice Tomasetti