Wenn ein Klinikclown in Rente geht

"Es geht nicht nur ums Lachen"

20 Jahre war Bernd Witte als Klinikclown Knolle unterwegs. Nun geht er in Rente und erinnert sich an viele Situationen in seinem Beruf. Der Hauptanspruch der Klinikclowns ist nicht nur das Lachen, sondern die Menschen zu bewegen.

Ein Clown steht in einem Krankenhaus am Bett / © AnnaStills (shutterstock)
Ein Clown steht in einem Krankenhaus am Bett / © AnnaStills ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Lachen ist gesund. Doch was, wenn einem so gar nicht nach Lachen zumute ist, was macht man dann? Dann ruft man einen Klinikclown, wie den Knolle, a.k.a Bernd Witte, dazu. Doch Klinikclown Knolle geht in Rente. Gehen Sie mit einem lachenden und einem weinenden Auge in Rente?

Bernd Witte (Freiberuflicher Schauspieler und Klinikclown Knolle): Ja, das kann man so sagen. Es ist natürlich eine lange Zeit gewesen, die ich da war und man hat viele Kontakte und Beziehungen, auch natürlich zum Personal. Das ist dann auch immer ganz wichtig und man hat viele Erlebnisse gehabt. Andererseits ist aber auch schön, wenn man einfach Zeit am Stück hat, um was zu machen und sich frei bewegen zu können.

 © LWL/Herstell (privat)

DOMRADIO.DE: Sie sind ja eigentlich freiberuflicher Schauspieler. Was haben Sie genau als Klinikclown gemacht? Da kommt einem die Kinderstation zuerst in den Sinn. Waren Sie dort viel unterwegs?

Witte: Wir haben uns von den Klinikclowns in einem Verein organisiert, Clownsvisite e.V. Da sind wir dann zuerst tatsächlich auch in die onkologischen Stationen gegangen, weil es da Elterntreffen gab, die sich zum Beispiel engagiert haben, dass auf den Stationen auch was anderes passiert, außer der medizinischen Versorgung.

So sind dann die ersten Impulse entstanden, überhaupt was mit Klinikclownerie zu machen hier in Deutschland. Dann ging es aber weiter, so dass wir Anfragen auch von anderen Kliniken und dann letzten Endes auch von zum Beispiel Psychiatrien oder Demenzstationen bekommen haben.

DOMRADIO.DE: Sie sind also hauptberuflich Klinikclown gewesen?

Witte: Ja, sozusagen hauptberuflich. Es war ein großer Teil meiner beruflichen Karriere. Ich bin freiberuflicher Schauspieler, ich habe viel Improvisationstheater gemacht und mich in dem Bereich bewegt. Aber es gab ein großes Standbein, was eben die Klinikclownerie war.

DOMRADIO.DE: Ist eine Clownsvisite ein fest eingebauter Bestandteil wie eine Arztvisite? Also man bestellt den und dann kommt er immer?

Witte: Ja, wir haben uns quasi mit den Kliniken bzw. den entsprechenden Elternvereinen abgesprochen und unser Konzept ist tatsächlich, dass wir kontinuierlich arbeiten und dadurch nachhaltig. Das hat den Vorteil, dass die Kinder, die länger auf den Stationen liegen, dann wissen, dass zum Beispiel dienstags immer Clownstag ist.

Da kann man dann tatsächlich mit denen auch eine Beziehung aufbauen, weil sie wissen, dass wir kommen und wie wir aussehen und wir wissen, was mit den Kindern los ist und können vielleicht an Sachen anschließen, die wir eine Woche vorher gemacht haben. So entstehen dann manchmal längere Spiele und längere Themen, die wir mit den Kindern haben. Das ist schon ein fest installiertes Programm.

DOMRADIO.DE: Bei so einer Arztvisite gibt es mit Sicherheit auch immer viele Fragen. Gibt es das bei einer Klinikclowns-Visite auch?

Witte: Da gibt es die verschiedensten Fragen. Das hängt natürlich auch davon ab, wie alt die Kinder sind. Kleine Kinder fragen weniger und nehmen das einfach so hin, dass so ein bunter Paradiesvogel plötzlich im Zimmer steht. Ältere Kinder und Jugendliche fragen dann schon mal "Wo kommt ihr her? Was macht ihr hier?" Bei den Erwachsenen sind es dann ganz andere Fragen. Das ist dann zum Beispiel, wenn ich mit einer Partnerin zusammen bin "Seid ihr auch privat verheiratet?" Das ist dann immer auch so eine ganz spannende Frage für ältere Leute.

DOMRADIO.DE: Sie haben lange Jahre mit Kindern gearbeitet. Wie sind denn die Herausforderungen bei Erwachsenen? Was macht man da, um die zum Lachen zu bringen?

Bernd Witte (Klinikclown)

"Der Hauptanspruch ist, die Leute physisch und psychisch zu bewegen."

Witte: Es geht bei der Klinikclownerie nicht grundsätzlich ums Lachen alleine. Es soll natürlich Spaß machen. Aber der Hauptanspruch ist, die Leute zu bewegen. Bewegen tatsächlich im physischen Sinne, aber auch im psychischen Sinne, dass man die Leute da abholt, wo sie sind, und mit denen was machen kann, was sie in Bewegung bringt, was bessere Lebensqualität erzeugt.

Das kann neben dem Lachen auch einfach sein, dass man mit denen vielleicht eine kleine Massage macht oder mit ihnen tanzt und singt. Es muss nicht immer total lustig sein, sondern es geht einfach darum, dass man wieder in Bewegung kommt und die Sachen, die einen bedrücken, für einen Moment vergisst.

DOMRADIO.DE: Sie haben 20 Jahre lang, Sie sind jetzt 68 Jahre alt, diese Arbeit gemacht. Wie war denn das eigentlich in der Pandemie mit Besuchsverboten und großem Kummer überall, weil keiner kommen durfte.

Witte: Es war tatsächlich eine harte Zeit für alle, auch für uns. Wir haben dann Formen gesucht und gefunden, mit denen wir dann weiterarbeiten konnten. Das waren verschiedene Sachen. Manchmal haben wir vor den Fenstern gespielt, wenn es ebenerdig war oder wenn es einen Balkon gab. Manchmal haben wir dann auf den Fluren gespielt, quasi durch die Türen durch. Da gab es auch Fenster.

Krankenhausseelsorge

Kranke zu besuchen, Trauernde zu trösten und Sterbenden beizustehen, gehört seit ihren Anfängen zum Kerngeschäft der Kirche. In ihrer Summe sind diese existenziellen Ausnahmesituationen in jedem Krankenhaus anzutreffen. Deshalb arbeiten Krankenhausseelsorgerinnen und -seelsorger in Akutkrankenhäusern, in Palliativteams, in Kinderkliniken, in Psychiatrie und Maßregelvollzug sowie in Reha-Zentren, wo sie den Patienten, Angehörigen, aber auch Mitarbeitenden Beistand leisten. Sie tun dies unabhängig von Religions- und Konfessionszugehörigkeiten sowie in ökumenischer Weite und Verbundenheit.

Leerer Krankenhauskorridor / © Ground Picture (shutterstock)
Leerer Krankenhauskorridor / © Ground Picture ( shutterstock )

Dann haben wir eine Zeit lang tatsächlich so was wie Zoom-Clownerie gemacht, dass wir mit zwei Laptops gearbeitet haben, wo wir dann in einem Raum waren und ein anderer Laptop direkt zu den Patienten geschoben wurde. Da gab es ganz verschiedene Ansätze, aber man muss einfach sagen, das ist natürlich noch mal was anderes, weil einfach immer ein Medium dazwischen ist.

DOMRADIO.DE: Abgesehen von den Pandemie-Zeiten hatten Sie sicher viele bewegende Momente. Gab es da einen, den Sie nie vergessen?

Witte: Da gibt es natürlich mehrere Sachen. Ich weiß, gerade bei der bei der onkologischen Kinderstation hatte ich mal ein kleineres Mädchen, 8 bis 10 Jahre, die hatte Krebs und es war klar, dass sie sterben würde. Ich erinnere mich noch genau an diesen letzten Besuch, den wir hatten, wo es dann ganz schwierig war, sich tatsächlich von ihr zu verabschieden. Ich glaube, sie wusste auch, dass es vielleicht der letzte Besuch ist. Das ist natürlich total hängen geblieben, dieses Bild von dem Kind. Das sind so Sachen, die werde ich nicht vergessen.

DOMRADIO.DE: Kürzlich gab es für Sie eine  Abschiedsvisite und Abschiedsfeier. Auch ihre Kollegin Eva Paulus, alias Clara, war dort. Und da hat man Sie ins All geschossen?

Witte: Ja, genau. Ich habe tatsächlich mit den Clowns-Kollegen, die vor Ort waren, eine Ausrüstung bekommen, dass ich das auch alles gut überstehe. Ich hatte einen entsprechenden Helm und die Nase zur Orientierung natürlich sowieso, die braucht man ja als Clown. Dann wurde ich nach oben ins All befördert. Das muss man sich natürlich symbolisch vorstellen, aber ich habe immer noch das Gefühl, es war ein schöner Höhenflug.

DOMRADIO.DE: Die Menschen werden jetzt nicht ohne Klinikclown sein müssen. Es gibt Nachfolge, richtig?

Witte: Es gibt Nachfolge. Wir haben vom Verein Leute eingearbeitet und die Frau Paulus ist ja schon länger vor Ort und wird das dann auch weiterführen. Das ist eben auch das Schöne, dass es immer weitergeht, nachdem es einmal installiert worden ist.

Das Interview führte Uta Vorbrodt.

Quelle:
DR