domradio.de: Als Sekretär hat Luis Ladaria bisher die tägliche Arbeit der Glaubenskongregation koordinieret. Dass ein Sekretär in derselben Behörde zum Leiter aufsteigt, ist im Vatikan selten. Wie kam es zu der Ernennung?
Bernd Hagenkord (Leiter der deutschsprachigen Abteilung von Radio Vatikan): Ich glaube, es ging erstmal darum, jemanden zu finden, der das übernehmen kann, der sich nicht erst einarbeiten muss. Es gibt eine ganze Reihe von Dingen, die ja weiterlaufen müssen, zum Beispiel die Aufarbeitung von Missbrauchsfällen. Der Sekretär ist so etwas wie im politischen Bereich der Staatssekretär; also derjenige, der für den praktischen Ablauf zuständig ist, für die Organisation. Das kann Luis Ladaria ganz einfach übernehmen. Er muss quasi nur das Büro wechseln und dann kann er weitermachen. Das ist ein großer Vorteil.
domradio.de: Versteht sich Franziskus möglicherweise besser mit dem bisherigen Stellvertreter als mit Kardinal Müller?
Hagenkord: Das weiß ich nicht. Luis Ladaria ist im Grunde eine Ernennung von Benedikt XVI. Dass Papst Franziskus ihn jetzt bestätigt, übernimmt und befördert, ist also Zeichen dafür, dass Ladaria fest auf dem Boden der Dinge steht, würde ich sagen. Er gehört also nicht irgendwelchen Parteien zu und will sich groß nicht profilieren, sondern er hat bis jetzt relativ still und leise gearbeitet. Es ist ja nicht so, als ob er bekannt und berühmt gewesen wäre und ständig Interviews gegeben hätte. Er ist ein zuverlässiger, wie ich finde, sehr sympathischer, zurückhaltender Mann, der jetzt den Posten übernimmt. Von daher, glaube ich, der Papst wollte einfach jemanden haben, der das Amt geräuschlos und gut weiterführen kann.
domradio.de: Wie wird die Entscheidung im Vatikan aufgenommen? Hier in Deutschland hat das ja schon für großes Aufsehen gesorgt.
Hagenkord: Wir waren sehr überrascht. Natürlich haben wir darüber spekuliert, denn man kann sich ja ausrechen, wann die fünf Jahre Müllers zu Ende waren. Die höheren Ämter im Vatikan werden immer genau auf fünf Jahre vergeben, danach müssen sie verlängert werden. Was da genau dahintersteht und wie das passiert ist, weiß ich auch nicht. Klar ist nur, dass der Papst offensichtlich eine Veränderung an der Spitze der Glaubenskongregation haben wollte. Und das ist ja auch sein gutes Recht, das ist ja seine Kongregation.
domradio.de: Was können wir jetzt von Ladaria erwarten?
Hagenkord: Ich glaube, es wird sich erst einmal nicht viel ändern. Man kann ihn vielleicht vergleichen mit Kardinal Ratzinger. Es gibt ja so wunderbare Bilder von Kardinal Ratzinger, wie er immer über den Petersplatz ging mit einem einfachen Mantel und der Aktentasche unterm Arm, zu Fuß auf dem Weg zur Arbeit. So einer ist Luis Ladaria auch. Der ist ein bisschen jemand, dem die Sache mehr am Herzen liegt als der Titel. Es wird alles eher geräuschlos passieren und ich denke, es werden viele Dinge weitergeführt werden.
domradio.de: Ladaria ist ja wie der Papst und Sie Jesuit. Kann man da schon absehen, wie es in Zukunft zwischen Franzikus und Ladaria weitergeht?
Hagenkord: Ich weiß gar nicht, wie gut die beiden sich kennen. Ladaria ist so sechs, sieben Jahre jünger als Papst Franziskus. In der Ausbildung sind sie sich nie begegnet, von daher ist es schwer zu sagen. Es ist sicher nicht so, dass jetzt die Jesuiten im Vatikan die Macht übernehmen würden. Aber dass die beiden von einem gewissen Grundfundament ausgehen, das man das jesuitische nennen kann, das ist vielleicht hilfreich. Wichtig ist, dass sie zusammenarbeiten können. Sympathie ist nicht der Punkt, sondern es geht darum, dass der Ablauf der Arbeit gut funktionieren kann. Und ich glaube, dafür ist Luis Ladaria ein Garant.
Das Gespräch führte Milena Furman.