Werler Diakon lässt Tauben für den Frieden fliegen

Gegen die eigene Ohnmacht

Zuerst bewegten Greta Thunbergs Proteste den Werler Diakon Heiner Altewulf. Seitdem schickt er seine Tauben nahezu täglich vor der Basilika in den Himmel. Seit dem Krieg gegen die Ukraine fliegen die Vögel als Friedenstauben.

Täglicher Taubenauflass - links Diakon Heiner Altewulf  (privat)
Täglicher Taubenauflass - links Diakon Heiner Altewulf / ( privat )

DOMRADIO.DE: Was sind das für Tauben, die Sie gezüchtet haben und fast täglich fliegen lassen? 

Diakon Heiner Altewulf (Diakon in Werl im Kreis Soest und Taubenzüchter): Das sind ganz normale Brieftauben, aber nur die weißen, die haben teilweise Ringe, teilweise sind sie unberingt, teilweise sind sie zahm, teilweise müssen sie noch ein bisschen zahm werden. 

DOMRADIO.DE: Und die sind besonders ortstreu?

Altewulf: Brieftauben haben die Eigenschaft, dass sie, egal von wo man sie fliegen lässt - nach einem gewissen Training - wieder nach Hause kommen. 

DOMRADIO.DE: Sie machen das seit mehr als fünf Jahren, fast jeden Tag, seit dem 1. April 2019. 

Altewulf: Ja, den Anlass gab Greta Thunberg. Ich war früher im Umweltbereich tätig. Da habe ich festgestellt, dass die Greta Thunberg ein bisschen überdimensional denkt. Das ist auch richtig so. Sie hat mir die Augen geöffnet und hat mir aber auch gleichzeitig gezeigt, dass ich ohnmächtig bin.

Ich kann zwar hier in meinem Umfeld und meinem Wohnort das eine oder andere durch mein Verhalten erreichen, bin aber im Prinzip doch ohnmächtig. Da habe ich mich gefragt, was ich tun kann, damit ich meine Ohnmacht kanalisieren und ein Zeichen setzen kann. 

Die Tauben habe ich schon länger. Dann bin ich mit meinem Korb in die Fußgängerzone gegangen und habe mich oben auf die Stufen der Basilika gestellt und war sehr verunsichert. 

Der 1000. Taubenauflass im Sommer 2023 (privat)
Der 1000. Taubenauflass im Sommer 2023 / ( privat )

DOMRADIO.DE: Und die Leute, die das gesehen haben, wahrscheinlich auch? 

Altewulf: Nein, ich glaube, wenn man da oben steht, kann man erst mal machen, was man will. Erstmal wird man gar nicht wahrgenommen. Ich bin dann im Laufe der Zeit immer weiter runtergerutscht, bis ich irgendwann die fünf Stufen von der Treppe unten war. Nachher hatte ich auch einen Tisch dabei. Inzwischen habe ich einen Anhänger, sodass ich mit meinem Fahrrad und meinem Anhänger mittlerweile in Werl um 11:45 Uhr durch die Fußgängerzone gehe und mich dann immer vor die Stufen stelle. 

Manchmal muss ich mich mit den Marktleuten absprechen. Dann stehe ich vor der Basilika und warte, bis die Leute kommen. Manchmal kommen viele, manchmal kommen wenig, zwischen 50 und eins, so ungefähr. Aber ich habe noch nie alleine dagestanden. Dann gibt es ein Kreuzzeichen, ein kurzes Gebet, ein kleines Lied, Kreuzzeichen, einen Segenswunsch und dann lassen wir die Tauben fliegen. 

DOMRADIO.DE: Zunächst stand der Umweltaspekt im Vordergrund. Aber seit 2022, mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine wurden es dann quasi Friedenstauben? 

Altewulf: Richtig, ich war jeden Tag an der Basilika. Und da ich auch Diakon bin, habe ich mit unserem Dechanten zu tun. Der sagte, dass wir jetzt etwas tun müssen. Seine Idee war, das mit mir und meinen Tauben zu verbinden, weil ich ohnehin auf der Treppe stehe. Dann haben wir den Taubenauflass mit dem Friedensgebet verbunden. 

Die erste Zeit war mal der eine Priester oder der andere Priester dabei. Nach einer gewissen Zeit haben sie mich gebeten, das alleine weiter zu machen. Das mache ich dann seitdem. 

DOMRADIO.DE: Sie stehen direkt in der Fußgängerzone. Man kann Sie nicht übersehen. Wie ist die Reaktion der Leute? 

Altewulf: Positiv. Es gibt ganz wenige, die mir Tierquälerei vorwerfen. Dann frage ich die Leute, ob sie am Morgen denn im Bus gefahren sind. Denn wer im Bus fährt, ist auch für eine kurze Zeit lang ziemlich eng im Sitz. Und diese Tauben sind gerade mal 20 Minuten im Käfig. Die so genannten "Reisevereinigungstauben" sind wesentlich dichter verpackt. Manche kann ich überzeugen, andere nicht. 

Aber ich habe auch noch eine etwas andere Überzeugungsarbeit zu leisten, indem ich den Leuten meinen Taubenschlag zeige. Ich habe mehrere Kameras, die online sind. Da kann ich den Leuten live über mein Handy zeigen, wie meine Tiere leben. Und ich kann ihnen dann sogar zeigen, wie sie nach dem Flug ankommen. Das gibt fast nur positive Rückmeldungen. 

Diakon Heiner Altewulf und das tägliche "Einkorben" (privat)
Diakon Heiner Altewulf und das tägliche "Einkorben" / ( privat )

DOMRADIO.DE: Sie haben den perfekten Überblick über Ihre Tauben. Gibt es schon welche, die von Anfang an dabei sind, seit dem 1. April 2019? 

Altewulf: Ja, mit Sicherheit. Die älteste Taube ist 17 Jahre alt. Die ist von 2007. 

DOMRADIO.DE: Und die fliegt nach wie vor?

Altewulf: "Frau Rotgrün" fliegt nach wie vor. Teilweise haben sie einen Namen. Also, wenn man eine Taube 17 Jahre fast jeden Tag in der Hand hat, hat man auch einen Namen dafür. 

DOMRADIO.DE: "Frau Rotgrün"?

Altewulf: Die hat einen rot-grünen Ring auf der rechten Seite. 

DOMRADIO.DE: Was haben Sie in den letzten fünf Jahren damit erreicht? 

Altewulf: Für mich ist es ein Ventil, meine Ohnmacht zu kanalisieren. Denn aus Ohnmacht wird Wut. Und wenn man Wut hat, macht man auch oft etwas falsch. 

Es sind viele Gemeinschaften oder Freundschaften vor der Basilika entstanden. Wenn ich in die Fußgängerzone komme, wissen die Leute schon Bescheid, rufen mir von der Seite schon mal zu, ob es wieder losgeht. Ich setze damit ein Zeichen. Mehr kann man doch manchmal gar nicht tun, nämlich ihnen bewusst zu machen, dass es um Frieden, um Umweltschutz und um Gottes Schöpfung geht. 

Das Interview führte Carsten Döpp.

Quelle:
DR