Es wurde geurteilt und verurteilt
Erst nach dem Fußballendspiel zwischen Italien und Frankreich, habe ich dann in der Fernsehaufzeichnung gesehen, dass der Platzverweis berechtigt war. Schließlich hatte Zidane seinem Gegenspieler den Kopf vor die Brust gerammt, sodass dieser zu Boden stürzte.
Dabei sein und doch nicht alles mitbekommen. Wie oft mir das wohl sonst passiert? Weil ich die näheren Umstände nicht kenne, weil ich dem Anderen nicht ins Herz schauen kann. Bevor ich mich wieder aufrege oder protestiere, will ich mich vergewissern was wirklich los ist und nicht vorschnell urteilen, wie beim Endspiel um die Weltmeisterschaft. Anschließend war die Empörung über Zidane groß. Wie konnte der nur so ausrasten? Es wurde geurteilt und verurteilt.
Jetzt im Advent frage ich mich, wie Gott wohl über mich urteilt, über all meine Tage in diesem zu Ende gehenden Jahr. Wie oft er wohl Grund hatte mir die gelbe oder rote Karte zu zeigen. Da habe ich viel Stoff zum Nachdenken. Aber eines weiß ich: verurteilt werde ich von Gott nicht. Und wenn er mich irgendwann vom Platz stellt, vom Platz meines Lebens, dann nicht um mich zu bestrafen, sondern um mich auf ein ganz neues Spielfeld zu führen, zum ewigen Leben. Weil Gott ein so großherziger Schiedsrichter ist, will ich mich beim Urteilen zurückhalten. Und verurteilen kommt gar nicht in Frage. Das gilt nicht nur jetzt im Advent.
Von Herzen wünsche ich ihnen frohe und gesegnete Tage.
Ihr Werner Thissen, Erzbischof von Hamburg.
Werner Thissen, Erzbischof von Hamburg
Bischöfe zum Advent: 1. Dezember
Ich bin Werner Thissen, Erzbischof von Hamburg.
Liebe Hörerinnen und Hörer des domradios: ich war dabei, ziemlich nah sogar dabei, im Sommer, im Berliner Olympiastadion. Aber gesehen habe ich es nicht. Der Ball war ja schon weiter gespielt. So war ich empört, als der Schiedsrichter dem Zidane die rote Karte zeigte.
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