DOMRADIO.DE: Alle drei Jahre treffen sich die Weltreligionen in Kasachstan und verabschieden gutgemeinte Appelle für den Weltfrieden. Schaut man auf die Welt, fragt man sich: Bringt das was?
Jürgen Erbacher (Leiter der ZDF-Redaktion "Kirche und Leben", zur Zeit in Nur-Sultan, Kasachstan): Diese Veranstaltung war ja inspiriert von den Ereignissen vom 11. September 2001. Zwei Jahre später fand hier dann zum ersten Mal eine Religionskonferenz statt. Papst Franziskus hat gestern bei der Ankunft gesagt, Kasachstan - mit etwa 100 verschiedenen Ethnien und mehr als 50 Sprachen - sei durchaus ein Laboratorium für multiethnisches, multireligiöses, multikulturelles Dasein. Und deshalb ist vielleicht dieser Kongress hier doch an einem Ort, wo er hinpasst.
In den letzten Jahren allerdings war es schon gelegentlich die Frage, was das wirklich bringe. Versucht sich hier nicht eine ja in der Vergangenheit doch auch autoritäre Staatsführung durch einen solchen Kongress zu profilieren? Jetzt ist der Papst da, mit ihm auch viele andere hochrangige Vertreter aus dem Islam, aus der Welt des Judentums, aus dem Buddhismus, Hinduismus und vielen anderen Religionen. Und wenn man das sieht, hier diesen großen runden Tisch mit 80 Religionsvertretern und auch sechs Religionsvertreterinnen, dann ist es durchaus interessant und dann kann von hier zumindest symbolisch auch einiges ausgehen.
DOMRADIO.DE: Der Moskauer Patriarch Kyrill I. hat abgesagt, weil ein Treffen mit dem Papst nicht im Mittelpunkt stehen würde. Ist das zu bedauern?
Erbacher: Das ist eine vertane Chance. Die offizielle Begründung war ja von Seiten des russisch- orthodoxen Patriarchen, dass ein Treffen zwischen ihm und dem Papst nicht am Rande eines solchen Kongresses stattfinden könne, sondern ein eigenes Ereignis sein müsse. Wenn man die Position des Vatikans sieht, dann wäre ein Treffen vielleicht eine Chance gewesen, klein anzufangen. Weil das Verhältnis ist doch auch zwischen dem Vatikan und der russisch-orthodoxen Kirche sehr angespannt seit Beginn des Krieges. Allerdings trifft der Papst ja auf die russisch-orthodoxe Delegation, die vom Außenminister der russisch orthodoxen-Kirche angeführt wird. Vielleicht ist das dann doch wieder so ein Anknüpfungspunkt, aus dem dann mehr entstehen kann.
DOMRADIO.DE: Wie tritt Franziskus denn dort auf?
Erbacher: Für den Papst ist das hier wieder eine Chance zu sagen, Religionen dürften nicht Teil des Problems sein, dass die Welt so unfriedlich ist, sondern müssten Teil der Lösung sein. Es müsse ein Ruck durch die Religionen gehen, alle müssten sich für Frieden und Gerechtigkeit einsetzen. Das ist etwas, das der Papst seit vielen, vielen Jahren sagt, mit Blick auf die Religionen: Wir müssen jegliche Gewalt im Namen der Religion eine Absage erteilen und müssen schauen, dass wir Religionen zum Impulsgeber werden für friedliches Miteinander. Und ich glaube, deshalb ist der Papst auch hier hergekommen. Er wiederholt das immer wieder und er sucht jede Möglichkeit, das auch mit anderen Religionsvertretern dann gemeinsam als Botschaft an die Welt zu senden.
Das Interview führte Florian Helbig.