Die Balkan-Länder sind in doppelter Hinsicht betroffen. Diskutiert wurde der Umgang mit Migranten, die aus Asien, dem Nahen Osten oder Südasien fliehen. Die meisten von ihnen nutzen die Balkan-Staaten als Transitländer, um in die EU weiterzureisen. Thema auf der Konferenz ist aber auch die Debatte um Migranten, die aus den Balkanstaaten selbst etwa nach Deutschland und Österreich kommen.
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sagte auf der Konferenz, die Flüchtlingskrise könne nicht durch Maßnahmen wie den Bau eines Grenzzauns gelöst werden. "Wir sind keine Verfechter von Grenzzäunen. Wir glauben auch nicht, dass Grenzzäune am Ende das Thema Migration lösen werden", sagte Steinmeier.
"Einzelne staatliche Maßnahmen nicht hilfreich"
Um den Zustrom von Flüchtlingen über die "Balkan-Route" einzudämmen, verstärkt Ungarn seine Grenze mit Serbien weiter. Derzeit wird ein 175 Kilometer langer Zaun errichtet. Die erste Sperrlinie - ein bis zu eineinhalb Meter hoher Stacheldrahtzaun - ist fast fertig. Bis Mitte September sollen zudem sechs "Grenzjäger"-Einheiten mit 2100 Mann einsatzbereit sein. Ungarn erwägt auch, die Armee gegen Flüchtlinge einzusetzen. Die "Balkan-Route" führt über die Türkei, Griechenland, Mazedonien und Serbien. Ungarn ist für Flüchtlinge ein Transitland, kein Zielland.
Der österreichische Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) betonte, einzelne staatliche Maßnahmen seien nicht hilfreich, vielmehr brauche es eine gemeinsame Antwort der EU. Er forderte in den ARD-„"Tagesthemen" einen Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union. Beide Minister – Steinmeier und Kurz - sprachen sich erneut für eine faire Verteilung der Flüchtlinge in Europa aus.
Pro Asyl: Kritik an Östereich
Pro Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt kritisierte am Donnerstag in Frankfurt eine Äußerung des Österreichischen Außenministers. Dieser hatte Griechenland eine Mitschuld an den steigenden Flüchtlingszahlen in Österreich, Deutschland und Schweden vorgeworfen. Die von Alexis Tsipras geführte Regierung habe Flüchtlinge einfach durchgewunken. "Was Österreichs Außenminister und andere implizit fordern, ist eine Rückkehr zu den menschenrechtswidrigen und lebensbedrohlichen Push-Back-Operationen gegen Bootsflüchtlinge in der Ägäis", so Burkhardt.
Griechenland habe unter Tsipras im ersten Halbjahr 2015 die illegalen Zurückweisungen auf offener See weitgehend zurückgefahren. Könnten Flüchtlinge aus Griechenland nicht mehr weiterreisen, sei absehbar, dass Griechenland seine Seegrenzen erneut mit Push-Back-Operationen abschotte.Polens Präsident Andrzej Duda äußerte sich zurückhaltend zur Aufnahme weiterer Flüchtlinge. Zwar wolle sich "Polen als EU-Mitglied solidarisch zeigen, aber was Flüchtlinge angeht, haben wir ein besonderes Problem wegen des Konflikts in der Ukraine", sagte Duda der "Bild"-Zeitung (Donnerstag). So lange "der Krieg andauert, werden weiterhin Tausende Ukrainer außer Landes fliehen, vor allem nach Ungarn und nach Polen". Schon jetzt gebe es Hinweise, dass mehrere Hunderttausend Ukrainer nach Polen flüchten wollen. "Andere Staaten Europas sollten das berücksichtigen, wenn wir über Hilfsbereitschaft sprechen", sagte Duda. Der nationalkonservative Präsident kommt an diesem Freitag zu seinem Antrittsbesuch nach Berlin.
Kampf gegen Schlepper
Der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) rief zu einem verstärkten Kampf gegen Schlepper auf. "Wir haben gemeinsam die Pflicht, etwa jene, die an diesem Leid auch noch verdienen, in die Schranken zu weisen", sagte Faymann. Auch in dieser Frage seien eine gemeinsame Haltung und ein gemeinsames Vorgehen der EU nötig. "Jeder ganz allein, erst recht gegen den Anderen, werden wir diese Herausforderung nicht lösen können."
Gestern hatte die Bundesregierung beschlossen, eine Million Euro Soforthilfe für den Westbalkan zur Verfügung zu stellen. Das Geld soll Menschen zugutekommen, die sich derzeit in Serbien und Mazedonien aufhalten, zwei der wichtigsten Durchgangsländer für Flüchtlinge. Damit sollen unter anderem Lebensmittel, Decken und Schlafsäcke gekauft werden. Die EU-Kommission will Länder aus der Region einem Medienbericht zufolge mit einem neuen Hilfsprogramm für ein verbessertes "Migrationsmanagement" stärker unterstützen. Von September an sollen die Staaten des Westbalkans und die Türkei acht Millionen Euro erhalten, um Flüchtlinge besser identifizieren und versorgen zu können, wie die Zeitung "Die Welt" (Donnerstag) unter Berufung auf informierte Kreise der Europäischen Kommission berichtete.
Diskussion um "sichere Herkunftsstaaten"
Thema der Konferenz war auch die steigende Zahl von Flüchtlingen aus den Balkanstaaten selbst. Deutschland und Österreich sagten den Staaten vor diesem Hintergrund Hilfen für eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung zu. "Wir müssen Hoffnung, wir müssen Zukunft in diesen Ländern unterstützen", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann sagte, es seien konkrete Projekte für Investitionen in Wirtschaft, Verkehr und Energie sowie im Bereich des Jugendaustauschs vereinbart worden. Merkel unterstrich in Wien die Haltung der Bundesregierung, dass die Asylantragsteller aus der Region kaum Chance auf eine Bewilligung in Deutschland haben. Die Menschenrechtslage zeichne die Länder im wesentlichen als sichere Herkunftsstaaten aus, sagte Merkel.
Teilnehmer der Konferenz sind unter anderem die Regierungschefs aus Mazedonien, Albanien, Bosnien-Herzegowina, dem Kosovo, Montenegro und Serbien. Im laufenden Jahr stammten fast 45 Prozent aller Asylanträge in Deutschland von Menschen aus den sechs Staaten. Drei davon hat die Bundesregierung bereits als "sichere Herkunftsstaaten" eingestuft, um Antragsteller von dort einfacher in die Heimat zurückschicken zu können – Bosnien-Herzegowina, Mazedonien und Serbien. Die Asylanträge von Menschen aus diesen Ländern werden bis auf wenige Ausnahmen abgelehnt. In Deutschland wird darüber diskutiert, auch Albanien, Montenegro und das Kosovo auf diese Liste zu setzen. Die Regierungen des Kosovo und Montenegros befürworten diese Einstufung. Frankreich und Deutschland drängen zudem auf eine EU-weit einheitliche Einstufung von "sicheren Herkunftsstaaten".