England ist in Wallung. Lang lebe der König! Neben dem Buckingham Palace, der königlichen Residenz in London, gibt es noch einen weiteren Ort, an dem sich Wohl und Wehe der Monarchie und damit auch der anglikanischen Staatskirche kristallisiert: Westminster Abbey im Herzen Londons. Der Samstag (6. Mai) ist der große Tag der Krönung von König Charles III.; der ersten Krönung seit 1953.
Schon seit der normannischen Übernahme 1066 ist Westminster Abbey Englands Krönungskirche. Charles III. wird nach Kirchenangaben der 40. regierende Monarch sein, der dort die Krone aufgesetzt bekommt.
Die einstige Klosterkirche der Benediktiner gehört zu den geschichtsträchtigsten Gotteshäusern des so geschichtsträchtigen Landes. Mehr als 100 Royals wurden hier bis 1790 beigesetzt. Dass auch königliche Hochzeiten in dem gotischen Prachtbau gefeiert werden, ist hingegen eine vergleichsweise moderne Erscheinung: Erst 15 solcher Zeremonien fanden hier statt.
Erscheinungsbild der Kirche geht auf König Heinrich III. zurück
Das heutige Erscheinungsbild der Kirche geht auf König Heinrich III. zurück. Er betrieb ab 1245 einen Neubau der schon im Frühmittelalter gegründeten Abteikirche. Heinrich III. wünschte sich den damals hochmodernen Stil französischer Kathedralgotik. Zur Kirchweihe 1269 waren große Teile der Bauarbeiten abgeschlossen; doch erst 1506 wurde das Langhaus endgültig fertiggestellt. Zerstörungen durch deutsche Bombentreffer im Mai 1941 wurden nach dem Krieg beseitigt.
Im Mittelalter fanden in Westminster Abbey unweit der Themse Parlamentssitzungen statt. Auch der Kronschatz wurde hier aufbewahrt.
1540, im Zuge der anglikanischen Abspaltung König Heinrichs VIII. von Rom, und endgültig 1559 wurde das Kloster aufgelöst. Eine Tradition hat sich allerdings bis heute erhalten: der hier gepflegte benediktinische Gebetsrhythmus. Jede Stunde kehrt in dem vielbesuchten Bauwerk für eine Minute Ruhe ein.
Keinem Bistum unterstellt
Der offizielle Name der Kirche lautet eigentlich "Collegiate Church of St. Peter, Westminster". Der Name "Westminster" kann allerdings für Verwirrung sorgen: Die anglikanische Krönungskirche wird häufig fälschlich mit Westminster Cathedral verwechselt, seit Anfang des 20. Jahrhunderts Bischofskirche des römisch-katholischen Erzbischofs von Westminster und katholische Hauptkirche für England und Wales.
Westminster Abbey besitzt den Rang einer sogenannten königlichen Eigenkirche (Royal Peculiar) und ist also keinem Bistum unterstellt.
Ihr oberster Geistlicher, der Dekan von Westminster, wird direkt vom Monarchen berufen. Eine Attraktion im Inneren der Kirche ist der über Jahrhunderte genutzte Krönungsstuhl der schottischen Könige.
Ehrengrab für Staatsmänner
Zahlreiche britische Staatsmänner, Dichter, Musiker und Wissenschaftler (zuletzt das Physikgenie Stephen Hawking 2018) haben hier ein Ehrengrab erhalten. In der Poets' Corner im Südflügel sind berühmte Schriftsteller wie Geoffrey Chaucer, Charles Dickens und Rudyard Kipling oder der Komponist Georg Friedrich Händel begraben.
Andere, wie William Shakespeare, John Keats, Robert Burns oder Lord Byron, wurden mit einem Gedenkstein geehrt. Eine Ehrung in der Poets' Corner gilt gleichsam als Aufnahme in den Olymp der britischen Literatur. 2013 erhielt Clive Staples Lewis (1898-1963), Autor der siebenbändigen Fantasy-"Chroniken von Narnia", zu seinem 50. Todestag einen solchen Ritterschlag.
Bekannt ist Westminster Abbey auch für ihr Eingangsportal. Es enthält neben Darstellungen der vier christlichen Tugenden Wahrheit, Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Friede auch Skulpturen von zehn Märtyrern des 20. Jahrhunderts verschiedener christlicher Konfessionen; darunter sind auch Maximilian Kolbe, Martin Luther King, Oscar Romero und Dietrich Bonhoeffer.
"Minster" oder "Münster"
Bleibt noch der Name zu klären: Das dem Apostel Petrus geweihte Kloster im damaligen Westen der Stadt erhielt - analog zum "East Minster", der 1543 abgebrochenen Zisterzienserabtei St. Mary of Graces nahe dem Tower of London - die volkstümliche Bezeichnung "West Minster". Sie wurde auch namensgebend für den angrenzenden Sitz des britischen Parlaments und Regierungssitzes.
"Minster" oder "Münster" ist ein Lehnwort des lateinischen "monasterium", also Kloster oder Stift. Allerdings wurden bald auch manche Kathedralen (Bischofskirchen) so genannt - weil auch die Domkapitel ursprünglich in klosterähnlicher Gemeinschaft lebten; und schließlich überhaupt große Kirchen, wie etwa in Ulm oder Freiburg.