Wichtige armenisch-apostolische Kirche ist wieder offen

Regierungschef Paschinjan zu Gast

Die Kathedrale von Etschmiadsin gilt als "Vatikan" der armenisch-apostolischen Kirche. Sechs Jahre lang war sie für Renovierungen geschlossen und wurde nun in schwierigen Zeiten für Armenien und die Kirche eröffnet. 

Autor/in:
Daniel Pelz
Die Kathedrale Etschmiadsin am 29. September 2024 in Etschmiadsin (Armenien)
 / © Daniel Pelz (KNA)
Die Kathedrale Etschmiadsin am 29. September 2024 in Etschmiadsin (Armenien) / © Daniel Pelz ( KNA )

Als die Glocken um 10.30 Uhr feierlich zu läuten beginnen, geht ein ehrfürchtiges Schweigen durch die Menge. Handys werden in die Höhe gereckt, einige Menschen bekreuzigen sich. Der Duft von Weihrauch zieht durch die Luft, als Katholikos Karekin II. mit Bischöfen und Priestern in einer Prozession in die Kathedrale einzieht. 

Laut sprechen die Gläubigen draußen vor den Monitoren die Gebete des Kirchenoberhauptes mit. Milena Hakobyan hat für diesen Moment ihren freien Sonntag geopfert. Während ihre Kommilitonen beim Frühstück sitzen, unterstützt sie die Feierlichkeiten als freiwillige Helferin. 

"Das ist ein historischer Moment. Ich bin so stolz, dass ich als Gläubige dabei sein darf", sagt die 18 Jahre alte Studentin. 

Bischof: "Der Geburtsort unseres Glaubens" 

Denn Etschmiadsin ist nicht einfach irgendeine Kathedrale.  "Etschmiadsin ist der Geburtsort unseres Glaubens", sagt Gevorg Saroyan, Bischof der armenisch-apostolischen Diözese Masyatsotn, der ebenfalls an den Feierlichkeiten teilnimmt.  

Nach der Legende soll Jesus Christus persönlich im Jahr 301 dem ersten Katholikos die Stelle gezeigt haben, an der die Kathedrale heute steht. 

Heute hat das Kirchenoberhaupt hier seinen Sitz. Zahlreiche Gläubige kommen jedes Jahr, um wertvolle Reliquien wie ein Stück der Arche Noah und einen Teil der Lanze zu verehren, mit der Jesus am Kreuz gestochen worden sein soll.  

Die Polizei blockiert ein Regierungsgebäude, während Demonstranten mit einer armenischen Nationalflagge gegen Ministerpräsident Nikol Paschinjan in Eriwan, Armenien protestieren. Zehntausende forderten dabei den Rücktritt von Paschinjan, nachdem Armenien zugestimmt hatte, die Kontrolle über mehrere Grenzdörfer an Aserbaidschan zu übergeben.  / © Stepan Poghosyan/PHOTOLURE/AP (dpa)
Die Polizei blockiert ein Regierungsgebäude, während Demonstranten mit einer armenischen Nationalflagge gegen Ministerpräsident Nikol Paschinjan in Eriwan, Armenien protestieren. Zehntausende forderten dabei den Rücktritt von Paschinjan, nachdem Armenien zugestimmt hatte, die Kontrolle über mehrere Grenzdörfer an Aserbaidschan zu übergeben. / © Stepan Poghosyan/PHOTOLURE/AP ( dpa )

Doch sechs Jahre lang konnten die armenisch-apostolischen Christen Armeniens den wichtigsten Ort ihres Glaubens nicht betreten, weil die Kathedrale wegen Renovierungsarbeiten geschlossen war. Laut Kirche waren umfangreiche Renovierungen an Dach, Wänden und Fundamenten nötig, da die bis dahin letzte umfassende Renovierung im 16. Jahrhundert stattfand. 

Der Innenraum wurde erneuert, zudem bekam die Kathedrale ein neues Dachkreuz und ein Mausoleum.  

Hohe Renovierungskosten in der Kritik  

Private Spender haben nach Angaben der Kirche alles finanziert, trotzdem mischt sich in die Freude über die Wiedereröffnung auch Kritik: 

"Viele Menschen sagen, dass hohe Summen hereingeflossen sind, und viele wissen, dass es gleichzeitig viele Menschen gibt, die sozial schwach sind und dringend Unterstützung brauchen", sagt der Religionswissenschaftler Harutyun Harutyunyan von der Staatlichen Universität Jerewan.  

Armeniens Kirche hofft, dass die Wiedereröffnung ein positives Signal sendet: "Wir hoffen, dass dieses Ereignis den Geist unseres Volkes stärken wird", sagt Bischof Saroyan. Denn Armenien und die Kirche mussten während der Renovierungszeit schwere Krisen überstehen. 

Zuletzt die Massenflucht aus Bergkarabach im September 2023, als fast die gesamte armenisch-stämmige Bevölkerung der Region vor einer aserbaidschanischen Offensive floh. Völkerrechtlich gehört die Region zu Bergkarabach.  

Neben der humanitären Tragödie schmerzen die Kirche aber auch Berichte, dass aserbaidschanische Truppen zahlreiche Kirchen und Kulturschätze zerstört haben sollen. "Sie wollen alle armenischen Spuren auslöschen", sagt Saroyan. Aserbaidschan weist diese Vorwürfe zurück.  

Streitigkeiten zwischen Staat und Kirche  

Zugleich liegt auch die Kirche mit Armeniens Regierung im Clinch. Lange war unklar, ob hochrangige Regierungsvertreter an den Feierlichkeiten teilnehmen würden. Schon 2020 hatte die Kirche den Rücktritt von Ministerpräsident Nikol Paschinjan gefordert. 

Im Mai hatte der armenisch-apostolische Erzbischof Bagrat Galstanyan Massenproteste gegen die Regierung angeführt und sich bereit erklärt, Paschinjan abzulösen. 

Am Ende nahm Paschinjan am Sonntag doch teil.  Nach dem Gottesdienst wollen die Menschen von Etschmiadsin vom Katholikos gesegnet werden. Andere drängen in die Kathedrale, um Fotos zu machen. Wie Marian Avetisyan, die aus der Hauptstadt Jerewan gekommen ist: "Wir haben Jahre darauf gewartet. Unsere Kathedrale ist so wichtig für uns Gläubige." 

Armenisch-apostolische Kirche

Mit mehr als 1.700 Jahren Tradition als Staatsreligion ist Armenien die erste christliche Nation in der Geschichte. Im Jahr 301 ließ der armenische König Trdat III. sich und seine Untertanen taufen. Die Kirche wurde zu einem Eckpfeiler armenischen Bewusstseins, als Armenien unter aufeinanderfolgenden Territorialherrschaften aufgeteilt wurde.

König Trdat III. und der heilige Gregor der Erleuchter (Krikor Lusarowitsch) am Ortseingang von Etschmiadsin am 1. Oktober 2017. / © Alexander Brüggemann (KNA)
König Trdat III. und der heilige Gregor der Erleuchter (Krikor Lusarowitsch) am Ortseingang von Etschmiadsin am 1. Oktober 2017. / © Alexander Brüggemann ( KNA )

 

Quelle:
KNA