1871: Die Urfassung des Paragrafen 218 des Strafgesetzbuches tritt in Kraft: Eine Schwangere, "welche ihre Frucht abtreibt oder im Leib tötet", wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren bestraft. Bei "mildernden Umständen" konnte die Zuchthausstrafe in eine Gefängnisstrafe umgewandelt werden.
1926: Der Abbruch wird vom Verbrechen zum Vergehen gemildert und nur noch mit Gefängnis bestraft. Außerdem wird die medizinische Indikation des Schwangerschaftsabbruchs erstmals anerkannt. Wenn das Leben der Mutter gefährdet ist, ist der Abbruch der Schwangerschaft gerechtfertigt.
1972: Die DDR führt die Fristenregelung ein; innerhalb der ersten drei Monate darf ein Schwangerschaftsabbruch durchgeführt werden.
1974: Der Bundestag verabschiedet mit knapper SPD/FDP-Mehrheit ein Fristenmodell zur Abtreibung. Die CDU/CSU erhebt Verfassungsklage.
1975: Das Bundesverfassungsgericht erklärt die Fristenregelung für verfassungswidrig. Sie genüge nicht der Pflicht zum Schutz des ungeborenen Lebens. Der Staat müsse das ungeborene Leben von Anfang an genau so schützen wie das geborene. Eine Fortsetzung der Schwangerschaft ist nach dem Urteil aber unzumutbar, wenn der Abbruch erforderlich ist, um von der Schwangeren eine Gefahr für ihr Leben oder die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung ihres Gesundheitszustandes abzuwenden. Darüber hinaus steht es dem Gesetzgeber frei, andere außergewöhnliche Belastungen für die Schwangere, die ähnlich schwer wiegen, als unzumutbar zu werten und in diesen Fällen den Schwangerschaftsabbruch straffrei zu lassen.
1976: Der Bundestag führt die Indikationenregelung ein: Neben der medizinischen, der kriminologischen (Vergewaltigung) und der eugenischen (bei Schädigung des Kindes) Indikation bleibt eine Abtreibung innerhalb der ersten zwölf Wochen auch bei sozialer Indikation straffrei, also wenn sich die Mutter zum Beispiel auf eine familiäre oder finanzielle Notlage beruft.
Juni 1992: Nach der deutschen Einheit muss das Recht vereinheitlicht werden. Beim Abtreibungsrecht verabschiedet der Bundestag ein Modell, das eine Fristenlösung mit Beratungspflicht vorsieht. Zusätzlich werden Hilfen im Schwangerschaftskonflikt eingeführt.
Mai 1993: Das Bundesverfassungsgericht erklärt das beschlossene Modell in wesentlichen Teilen für verfassungswidrig. Das Gericht schreibt fest, dass Abtreibungen im Grundsatz rechtswidrig sind, in der Regel aber straffrei bleiben können. Das gilt dann, wenn sich die Schwangere mindestens drei Tage vor dem Abbruch von einer anerkannten Beratungsstelle hat beraten lassen.
Juni 1995: Der Bundestag beschließt ein neues Abtreibungsrecht. Abbrüche sind rechtswidrig, aber innerhalb der ersten zwölf Wochen straffrei, wenn die Frau eine vorschriftsgemäße Beratung nachweist. Bei medizinischer und kriminologischer Indikation ist die Abtreibung auch nicht rechtswidrig.
Juli 1996: Der bayerische Landtag verschärft das Bundesrecht. In Bayern sind Frauen dazu verpflichtet, in der Beratung ihre Gründe für den Schwangerschaftsabbruch zu nennen. Zudem dürfen Ärzte nur 25 Prozent ihres Einkommens aus Abbrüchen beziehen. Hinzu kommt, dass nur Fachärzte für Frauenheilkunde Abtreibungen vornehmen dürfen.
Juni 1997: Das Bundesverfassungsgericht entscheidet mit einer Einstweiligen Anordnung zugunsten der bayerischen Abtreibungsärzte Friedrich Stapf und Andreas Freudemann. Die 25-Prozent-Regel und der Gynäkologenvorbehalt werden vorerst außer Kraft gesetzt.
Dezember 2000: Die katholischen Bistümer Deutschlands steigen bis zum Ende des Jahres 2000 auf Drängen des Papstes aus der gesetzlichen Konfliktberatung aus, weil der Beratungsnachweis zu einer Abtreibung berechtigt.
Wichtige Daten im Streit um die Gesetzgebung zu Abtreibungen
Rechtswidrig - aber straffrei
Wohl wenige Themen haben Politik und Gesellschaft in Deutschland so polarisiert wie der Streit um die Abtreibungsgesetzgebung. Am Dienstag vor 20 Jahren, am 26. Juni 1992, verabschiedete der Bundestag ein Modell, das eine Fristenlösung mit Beratungspflicht vorsah - eine Regelung, die das Bundesverfassungsgericht 1993 wieder kippte. Die Katholische Nachrichten-Agentur nennt wichtige Daten im Streit um die Gesetzgebung:
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