Widerstand gegen den Atommüllzug

Countdown zum Castor

Am Freitag soll der zwölfte Castor-Transport in Richtung Gorleben starten. Zehntausende Atomkraftgegner rüsten deshalb sich für ein Protestwochenende – mit dem Segen von Kirchen- und Christenvertretern. So kritisierte der EKD-Vorsitzende Schneider die Atompolitik der Regierung erneut scharf.

 (DR)

"Wir müssen die atomare Energiegewinnung schnellstmöglich beenden", forderte der amtierende EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider in der "Frankfurter Rundschau" am Freitag (04.11.2010). Das schließe eine Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke, wie sie der Bundestag mit der schwarz-gelben Mehrheit beschlossen hat, aus.



Die Weichenstellung zugunsten der Atomenergie sei "weder klima- noch entwicklungspolitisch sinnvoll", sagte Josef Sayer vom katholischen Hilfswerk Misereor Mitte September bei der Vorstellung einer Klima- und Armutsstudie. Die Probleme des weltweiten Klimaschutzes seien mit der Kernenergie und den damit verbundenen schädlichen Folgen unter anderem im Uranbergbau nicht lösbar.



Auch der Präsident des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken, Alois Glück, plädierte im Interview mit domradio.de für eine andere Atompolitik. Denn hier gehe es auch um "Verantwortung gegenüber den nachkommenden Generationen in Hinblick auf Risiken, die wir hinterlassen". Es gehe um mehr als Ökonomie und möglichst billige Energie für Wachstum. "Es geht zentral um ethische Fragen."



Erste Castor-Proteste im Wendland

Schon vor dem Start des Castor-Transports in Frankreich haben am Freitag erste Proteste am niedersächsischen Zwischenlager Gorleben begonnen. Atomkraftgegner legten in der Nacht einen großen Stein auf die für den Zug mit den Atombehältern vorgesehene Bahnstrecke, andere blockierten kurzzeitig eine Straßenkreuzung. Am Morgen demonstrierten 800 Schüler. Die Organisatoren des Protests und die niedersächsische Regierung mahnten sich gegenseitig zu friedlichem Vorgehen.



Der Start des Zuges mit hoch radioaktivem Atommüll in La Hague wurde für Freitagnachmittag erwartet. Die strahlende Fracht soll bis Sonntag rund 1.000 Kilometer quer durch Frankreich und Deutschland rollen. Am Montagmorgen soll der Zug das Atommülllager Gorleben erreichen. Die Organisatoren des Protests erwarten bis zu 30.000 Demonstranten im Kreis Lüchow-Dannenberg, wo Gorleben liegt. 16.500 Polizisten sollen für Sicherheit und Ordnung sorgen.



50 Millionen Euro für Polizeieinsatz

Wegen des riesigen Aufwands forderten die Deutsche Polizeigewerkschaft und der Steuerzahlerbund einen finanziellen Beitrag der Atomindustrie.



"Wir fordern eine Sicherheitsgebühr von 50 Millionen Euro von den Atomkonzernen", sagte der Polizeigewerkschaftsvorsitzende Rainer Wendt. Er verwies auf die Milliardengewinne der Atomindustrie. Die Entsorgung sei Teil ihrer Verantwortung.



Der Castor-Transport koste den Steuerzahler weit mehr als 50 Millionen Euro. Allein Niedersachsen entstünden für den Polizeieinsatz Sonderkosten von etwa 25 Millionen Euro für Unterkünfte, Verpflegung, Sachmittel sowie die anfallenden Überstunden der Polizisten.



Der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU) will sich die Sonderkosten des Landes bei der Bundesregierung zurückholen. Der Bund dürfe sich nicht vor den finanziellen Folgen der Pflicht zur Rücknahme des Mülls aus Frankreich drücken.



"Konsequent vorgehen"

Zu den erwarteten Protesten selbst sagte Schünemann, man sei ja "durchaus schon erprobt", und es würden erheblich mehr Konfliktmanager eingesetzt. Man wolle das Demonstrationsrecht durchsetzen. Aber gegen Sabotageakte und unfriedliche Demonstrationen "müssen wir konsequent vorgehen", sagte der CDU-Politiker.



Die Castor-Gegner forderten die Polizei zum vorsichtigen Einsatz auf. "Wir hoffen, dass die Polizei sich zurückhält", sagte Wolfgang Ehmke, Sprecher der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg. Ihn beunruhige allerdings, dass die Polizei angekündigt habe, sie sei zu jeder Gangart in der Lage. "Das lässt natürlich Schlimmes befürchten."



Der Sprecher der Anti-Atom-Organisation "ausgestrahlt", Jochen Stay, erklärte, inzwischen hätten sich 312 Reisebusse aus dem ganzen Bundesgebiet zur Demonstration am Samstag im Wendland angemeldet. Der Protest richte sich nicht allein gegen den Castor-Transport, sondern auch gegen das mögliche Atommüllendlager in Gorleben. Ziel sei die Stilllegung der Atomkraftwerke.



Schülerdemonstration

Am Donnerstagabend und in der Nacht zum Freitag gab es die ersten kleineren Protestaktionen. Die Polizei räumte in der Ortschaft Metzingen eine Blockade von rund 200 Atomkraftgegnern auf der Bundesstraße 216. Zudem mussten Beamte einen 20 mal 25 Zentimeter großen Stein von der Castor-Bahnstrecke holen. Auf dem Stein standen Parolen gegen den Transport, wie eine Sprecherin der Bundespolizei auf dapd-Anfrage sagte. Die Bahnstrecke zwischen Lüneburg und Dannenberg ist für den regulären Zugverkehr gesperrt.



In Lüchow versammelten sich am Vormittag 800 Schüler unter dem Motto: "Je länger eure Laufzeiten, desto größer unser Zorn". Die Schüler-Demonstration ist der traditionelle Auftakt der Anti-Castor-Aktionen im Wendland.