Widerstand gegen Legalisierung besetzten Amazonaslandes wächst

Bedrohung des Regenwaldes

Der Widerstand gegen das vom brasilianischen Parlament verabschiedete Gesetz zur Vergabe von illegal besetztem Staatsland am Amazonas wächst. Umweltschützer halten das von der Agrarlobby durchgesetzte Gesetz für eine Bedrohung des Regenwaldes. Doch Präsident Lula de Silva wird wohl kaum sein Veto einlegen.

Autor/in:
Thomas Milz
 (DR)

"Die offizielle Politik des Landes unterwirft sich dem gnadenlosen Spruch des kapitalistischen Systems und unterstützt offen das Agro-Business," so die Landpastoral der katholischen Kirche (CPT) in einem offenen Brief. Sie fordert Höchstgrenzen für Landbesitz. Doch "die Konzentration wächst, während Tausende Familien immer noch an Straßenrändern campieren und auf Landzuteilungen warten, die ihnen Würde und Bürgerrechte gäben."

Dabei herrscht prinzipiell Konsens, dass die landesweit 400.000 illegal auf Staatsland errichteten Ländereien einer Regelung bedürfen. Es geht um eine Fläche von 67 Millionen Hektar, die Größe von Frankreich und Italien. Die Besiedlung führt zu Brandrodungen, die Platz für Soja- und Maisanbau sowie Viehweiden schafft. Auf diese Weise werden zugleich 75 Prozent des brasilianischen Treibhausgasausstoßes geschaffen.

Umweltschützer warnen
Die Folgen der Legalisierung sind zwiespältig. Einerseits wären die von Besetzern zu Besitzern gewandelten Bauern verpflichtet, die Umweltgesetze einzuhalten. So darf man lediglich 20 Prozent der Fläche landwirtschaftlich nutzen, die restlichen 80 Prozent müssen in ihrem ursprünglichen Zustand bleiben. Doch Umweltschützer fürchten, dass diese Vorschriften kaum eingehalten werden und es zu einer Ausweitung der Landwirtschaft in den ökologisch wertvollen Gebieten kommt.

Das Gesetz "MP 458" sieht vor, dass kleine Landgüter bis 100 Hektar verschenkt werden, was selbst die Kritiker als Teil einer notwendigen Agrarreform begrüßen. Widerspruch erregen der symbolische Preis für mittelgroße Flächen (100 bis 400 Hektar) sowie die niedrigen Preise für Flächen zwischen 400 und 1.500 Hektar. Noch größere Ländereien werden versteigert.

Umstritten ist zudem, dass das Parlament die Auktionen für Nichtanwohner der Region und Unternehmen öffnete. Zudem wurde die ursprüngliche Weiterverkaufs-Sperrfrist von 10 auf 3 Jahre verkürzt - was Landspekulanten belohne, so Kritiker. Umweltminister Carlos Minc nannte die Abgeordneten "Ganoven", allen voran die oppositionelle Senatorin Katia Abreu, die gleichzeitig Vorsitzende des Bauernverbandes ist. Abreu widerum kanzelte den Minister daraufhin als "Öko-Schiiten" ab. Von Präsident Lula gerügt, entschuldigte sich Minc öffentlich.

"67 Millionen Hektar Land am Amazonas vor der Abholzung"
Doch der Umweltminister hat Teile der Regierungsabgeordneten und die Nichtregierungsorganisationen wie Greenpeace hinter sich. Auch weite Teile der Medien stehen dem Gesetz ablehnend gegenüber. Auf den Webseiten der brasilianischen Bischofskonferenz CNBB sowie des Indigenen-Missionsrats CIMI erklärte die ehemaligen Umweltministerin Marina Silva, dass den Großgrundbesitzern 49 Millionen Hektar Staatsland übergeben würden. Die räuberische Landverschiebung werde erleichtert und die gegen die Landspekulanten und Umweltsünder gerichtete Arbeit zunichte gemacht. "Was hier verändert wird ist das Gerüst der brasilianischen Umweltgesetzgebung," warnte Silva.

Marcelo Furtado von Greenpeace Brasilien wurde noch deutlicher. "Dieser Gesetzesentwurf liefert 67 Millionen Hektar Land am Amazonas der Abholzung aus." Greenpeace stellte zudem eine Studie vor, die belegt, dass die größten Fleischhändler des Landes auf illegal besetztem Land produzieren. Die Staatsanwaltschaft ermittelt nun, und Supermärkte sprachen bereits Boykotte aus.

Marina Silva forderte Präsident Lulas Veto gegen das Gesetz, wird damit aber wohl ebenso wenig Erfolg haben wie der Yanomami-Anführer Davi Kopenawa, der derzeit in Europa Unterstützung gegen "MP 458" sucht. Zwar überlegt der Minister für landwirtschaftliche Entwicklung, Guilherme Cassel, noch, ob er Lula zu einem Veto gegen die Zulassung von Unternehmen bei den Landversteigerungen raten soll. Ein generelles Veto schloss er allerdings aus.