Wie auf Kreuzfahrtschiffen Weihnachten gefeiert wird

Weihnachtsglocken auf hoher See

Rund 100 Bordgeistliche gehen jedes Jahr auf die Schiffe von deutschen Reedereien. Dabei sorgen die Geistlichen sowohl für das Seelenheil der Gäste als auch der Besatzung. Sie halten Gottesdienste, predigen im Bordfernsehen oder versuchen, im Bordprogramm mit Vorträgen nachdenkliche Impulse zu geben. Vor allen Dingen an Weihnachten.

Autor/in:
Benedikt Angermeier
 (DR)

Das Manöver "Weihnachtsmann über Bord" gehört einfach dazu. Bevor das Kreuzfahrtschiff MS Europa an den Festtagen in den Panama-Kanal einfährt, können seine Gäste von der Reling aus ein besonderes Spektakel beobachten: Die Alarmglocken schrillen, das Schiff startet zum Wendemanöver - doch statt eines Ertrinkenden taucht plötzlich ein Mann im roten Kostüm per Schnellboot auf... Unter den Zuschauern wird Pfarrer Klaus Berboth mit einem Lächeln auf dem Gesicht stehen, denn für den Bordseelsorger ist klar: "Das ist eine Aktion, die jede Menge Spaß macht und das ist wichtig." Dann wird auch einmal darüber hinweggesehen, dass es die Kirche ja eigentlich nicht so hat mit dem Weihnachtsmann. Die Bordgeistlichen werden ganz offiziell entsandt vom katholischen Auslandssekretariat der Deutschen Bischofskonferenz in Bonn und der Evangelischen Auslandsberatung in Hamburg.



Berboth begleitet die Kreuzfahrer an den Weihnachtsfeiertagen von Venezuela nach Mexiko als Bordpfarrer. Mit ihnen sitzt er zusammen beim Essen, unternimmt Landgänge und trifft sich am Pool: "Auf einem Kreuzfahrtschiff komme ich mit Menschen in Kontakt, die sonst gar nicht in die Kirche kommen würden." Da stört es ihn wenig, wenn nicht alles ganz traditionell abläuft. Auch wenn Weihnachten ein christliches Fest sei, könne jeder es feiern, wie er möchte.



Als Seelsorger ist er aber dennoch gefragt: So spielt gerade das Datum Weihnachten aus seiner Erfahrung für einige Passagiere eine große Rolle, warum sie nicht zu Hause sind. Der Tod des Partners ist etwa ein Grund für eine Reise an Weihnachten. "In einer solchen Situation lässt sich so ein Datum gut mit einer Reise umschiffen", erklärt Berboth. Deswegen spricht der Pfarrer gerne mal die alleinsitzenden Gäste an: Nach ein wenig Smalltalk entwickeln sich daraus häufig tiefsinnige Gespräche. "Manche kommen aber auch direkt zu mir und fragen, ob ich mal richtig Zeit habe", erzählt Berboth. "Krise und Kreuzfahrt" gehörten aber nicht generell zusammen.



Christmette um Mitternacht

Auf der MS Albatros hat Pfarrer Wolfgang Klock Weihnachten mit gut 800 Passagieren auf hoher See gefeiert. Die "Stille Nacht" fiel kurz vor die Äquator-Überquerung. "Eigentlich ein gutes Datum, denn es waren keine Landgänge geplant und damit ein ruhiger Tag an Bord", sagt der 75-jährige Pfarrer. Dass nach Showprogramm und Gala-Menü tatsächlich mehr als 300 Gäste in der "Atlantic Lounge" um Mitternacht die Christmette feierten, begeistert Klock. "So einen Prozentsatz gibt es in kaum einer Gemeinde", scherzt er. Am nächsten Tag war der ganze Weihnachtszauber aber schon vorbei - die Äquatortaufe ist traditionell eine rauschende Feier auf hoher See.



Weihnachten und Schneegestöber gehören aber für Klock sowieso nicht mehr unbedingt zusammen. "Aus meiner Zeit in Lima kenne ich auch, dass an Weihnachten die Badesaison eröffnet wird", lacht der heute im Schwarzwald wohnende Pfarrer. Ob auf dem Liegestuhl an Deck oder im kalten Deutschland - die weihnachtlichen Themen wie die Geburt Christi seien vom Ort unabhängig. Die Adventstage hätten die Gäste auch auf der MS Albatros genutzt, um sich auf Weihnachten einzustimmen. Obwohl der Bordgeistliche wegen des umfangreichen Programms an Bord immer starke Konkurrenz hat.



Die Kreuzfahrtseelsorge profitiert für Berboth auch von "einer gewissen Anonymität". Er bezeichnet die Gäste auf dem Schiff gerne als "Gemeinde auf Zeit", denn am Ende der Fahrt sieht er die meisten nicht wieder. Für Gespräche übers Leben sei das manchmal ein Vorteil, findet Berboth, denn "so kommt es auch zu Beichtgesprächen, die sonst nicht möglich sind, weil der Pfarrer am nächsten Tag neben einem im Supermarkt steht."