Wie blickt die Welt auf Chemnitz?

 (DR)

Die Welt schaut auf Sachsen. Internationale Kommentatoren zeichnen vor allem ein düsteres Bild von Ostdeutschland – dort seien Demokratie und das Zusammenleben mit Fremden noch neu. Einige machen die Kanzlerin und ihre Flüchtlingspolitik für die fremdenfeindlichen Ausschreitungen verantwortlich – und mancher äußert Verständnis für die Demonstranten. Nicht zuletzt erinnern die Zeitungen an Deutschlands Geschichte – und warnen davor, dass diese sich wiederholt. Ein paar Beispiele:

GROSSBRITANNIEN: Die Zeitung "The Times" zeichnet ein sehr düsteres Bild von Chemnitz: hohe Arbeitslosigkeit, geringe Löhne, niedrige Geburtenrate, massive Drogenprobleme–- die Stadt sei heute "ein anschauliches Beispiel für einen Osten, der sich zurückgelassen fühlt". So konnte sich dem Blatt zufolge Chemnitz zum "Epizentrum rechtsextremer Wut und Sammelpunkt von Neonazi-Hooligans" entwickeln. Der "Guardian" spielt auf die Geschichte Deutschlands an: "Das ist das Aufblühen von etwas Gefährlichem, das tief verwurzelt ist."

FRANKREICH: Die französische Regionalzeitung "Les Dernières Nouvelles d'Alsace" aus Straßburg meinte zu Wochenbeginn, dass in ehemaligen DDR-Großstädten schon seit Jahrzehnten rechtsextreme Bewegungen existierten. Es sei "kein Zufall", dass der Hass ausgerechnet im Osten Deutschlands explodiere.

ITALIEN: Für Italiens Innenminister Matteo Salvini sind die Ausschreitungen in Chemnitz ein Beweis dafür, dass die Bundesregierung das Risiko sozialer Konflikte durch die Migration jahrelang unterschätzt hat. Gewalt sei aber keine Lösung, sagte er in einem Interview mit der Deutschen Welle.

ÖSTERREICH: Die Zeitung "Die Presse" schrieb: "Wie sich in diesen Tagen Gewalt und schamloser Rassismus in Chemnitz Bahn brachen, wie Rechtsradikale die Straße eroberten und ungeniert den Hitlergruß zelebrierten, war einfach nur widerlich." Bundeskanzler Sebastian Kurz von der konservativen ÖVP erklärte, dass er erschrocken sei über die Vorfälle in Sachsen. Der linksliberale "Standard" aus Wien schrieb: "Chemnitz könnte für Deutschland eine Zeitenwende bringen. Wohin der Wind sich dreht, ist noch nicht absehbar."

POLEN: Die konservative Zeitung "Rzeczpospolita" schreibt, die Ereignisse in Chemnitz würden von rechten Kreisen für ihre Zwecke benutzt. Lange Zeit habe sich der Neonazismus in einer Nische versteckt, nun tauche er wieder auf und würde "gefährlich wuchern". Ein Teil der Bevölkerung habe das Gefühl, die Regierung würde die Wahrheit über von Flüchtlingen ausgehende Bedrohungen vor ihnen verheimlichen, meinen polnische Kommentatoren weiter. Laut linksliberaler Zeitung "Gazeta Wyborcza" demonstriert Chemnitz, dass Rechtsextremismus in Ostdeutschland ein Problem darstellt. Die Ereignisse würden die ohnehin politisch geschwächte Kanzlerin Angela Merkel treffen. (dpa, 04.09.18)