Es herrscht ein buntes Treiben in Erfurt auf dem Katholikentag. Die Kirchenmeile ist ein Ort der Begegnung. Viele Organisationen und Institutionen haben hier im wahrsten Sinne des Wortes ihre Zelte aufgeschlagen.
Auch das Deutsche Katholische Blindenwerk (DKBW) ist mit einem Stand vertreten. Hier kann man viel lernen und ausprobieren: Ein Wort in Brailleschrift erraten, die Punktschriftmaschine ausprobieren und am Ende ein Blindenschriftalphabet mit nach Hause nehmen. Oder man kommt einfach ins Gespräch mit den ehrenamtlich tätigen und hauptamtlichen Mitarbeiterinnen.
In den Gesprächen wird eines schnell klar: Hier sind Menschen, die sich mit anderen austauschen möchten, offen für Neues sind und trotz ihrer Seheinschränkung mitten im Leben stehen.
"Nichts über uns ohne uns"
Die Angebote des Deutschen Katholischen Blindenwerks sind vielfältig und seine Tradition reicht bis in die 1960er Jahre zurück. 1969 wurde das DKBW in Frankfurt am Main als Dachverband mehrerer bereits bestehender katholischer Blindenorganisationen gegründet.
Bis nach dem Zweiten Weltkrieg lag die Seelsorge für blinde und sehbehinderte Menschen vor allem in der Hand von Priestern als eine Art Sonderseelsorge, vergleichbar in etwa mit der heutigen Kategorialseelsorge. In den 1950er und 1960er Jahren wurden verschiedene Katholische Blindenwerke gegründet, da Menschen mit Seheinschränkung ihre Interessen selbstbestimmt vertreten wollten. Ausflüge und Wallfahrten wurden organisiert. Auch konnte man nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil liturgische Inhalte aktiv mitgestalten, was zuvor für Menschen mit Seheinschränkung undenkbar gewesen war.
Schon bald entstand das Motto des Blindenwerks "Blinde helfen Blinden weltweit!" und die Aktivitäten des gemeinnützigen Vereins weiteten sich vom Bundesgebiet auf verschiedene Kontinente aus.
Weltweites Engagement
In Asien liegt der Schwerpunkt der heutigen Entwicklungszusammenarbeit des DKBW vor allem in Indien und Pakistan. Auf dem afrikanischen Kontinent konzentriert sich das Deutsche Katholische Blindenwerk vor allem auf Ghana, Kamerun, Äthiopien und beide Republiken Kongo.
Der Schwerpunkt des weltweiten Engagements des Vereins liegt vor allem auf Augengesundheit, Aufklärung und Unterstützung von schulischer und beruflicher Bildung.
Auch in der Ukraine unterstützt der Verein eine Blindenschule. In seinen internationalen Projekten arbeitet das DKBW immer mehr mit Partnerorganisationen vor Ort zusammen, um die lokalen Strukturen zu stärken und einen gelungenen Ablauf der Projekte durch eine engmaschige Begleitung zu gewährleisten. "Wir blinde und sehbehinderte Menschen in Deutschland beklagen oft, und beklagen auch zurecht, fehlende Barrierefreiheit. Es gibt viel immer noch zu tun und es liegt noch viel im Argen", erklärt der Vorsitzende des DKBW, Dr. Aleksander Pavkovic.
"Im weltweiten Vergleich sind wir in einer privilegierten Position und das ist für uns Aufgabe und Verpflichtung, blinde und sehbehinderte Menschen, die in anderen Teilen der Welt marginalisiert sind, zu unterstützen und zu ermutigen, in der Selbsthilfe aktiv zu werden und somit Multiplikatoren zu sein."
Zugang zu Literatur
Gerade für Menschen mit Seheinschränkung ist es nicht immer leicht, an Literatur zu kommen, da nicht alle Bücher digital, in Brailleschrift oder als Hörbuch verfügbar sind. Seit einigen Jahren ist das DKBW Alleingesellschafter zweier gemeinnütziger Einrichtungen, der Deutschen Katholischen Bücherei für barrierefreies Lesen sowie des Blindenschrift Verlags & Druckerei "Pauline von Mallinckrodt."
Hier liegt der Schwerpunkt auf christlicher Fach- und Sachliteratur zum Hören und Lesen. Dazu gehören zum Beispiel die Bibel, das Gotteslob oder das Stundenbuch. Auch Zeitschriften wie "Christ in der Gegenwart" oder die Kirchenzeitung für das Erzbistum Köln stehen in Auszügen als aufgesprochene Version oder in Brailleschrift zur Verfügung.
"Es braucht die beiden großen Einrichtungen im Sinne einer barrierefreien und zugänglichen Versorgung mit Literatur", erläutert Pavkovic. "Gerade im Bereich Literatur mit christlichem Schwerpunkt gibt es nicht so viele Angebote und deshalb möchten wir uns für deren Verbreitung einsetzen."
Bildungs- und Freizeitangebote
Das Thema Bildung wird im DKBW nicht nur in Bezug auf die Zugänglichkeit von Literatur groß geschrieben. Bildung ist gerade für blinde und sehbehinderte Menschen wichtig und nicht immer so einfach zugänglich. Jung und alt bekommen im Verein die Möglichkeit, sich über alltägliche Dinge auszutauschen, Neues zu lernen und sich zu vernetzen.
So gibt es zum Beispiel Bildungs- und Freizeitangebote für taubblinde bzw. hörsehbehinderte Menschen. Für blinde, sehbehinderte und sehende Jugendliche und junge Erwachsene gibt es außerdem die Möglichkeit, sich auf einer jährlich stattfindenden Internationalen Jugendbegegnungswoche zu vernetzen und viele neue Eindrücke in anderen europäischen Ländern zu sammeln.
Selbsthilfe in der Diaspora
Eine tragende Säule für das Deutsche Katholische Blindenwerk sind die sechs Regionalwerke, die sich unter seinem Dach als Mitgliedsorganisationen versammeln. Eines dieser Regionalwerke ist beispielsweise das Katholische Blindenwerk Ost, das die (Erz)bistümer Berlin, Görlitz, Dresden-Meißen, Erfurt und Magdeburg umfasst.
Seit 2005 ist Johannes Pickel hier aktiv. Seit einigen Jahren ist er im ehrenamtlichen Vorstand des KBW Ost der zweite Vorsitzende. Für Pickel war schnell klar, dass er sich in der katholischen Blindenselbsthilfe engagieren möchte. "Mir hat einmal ein Pater gesagt: "Du kannst überlegen, ob Du einem Wagen hinterherlaufen, oder ob Du als Zugpferd mit davor gespannt werden willst." Und ich habe mich für das Einspannen entschieden."
Für die Mitglieder im Katholischen Blindenwerk Ost gibt es regelmäßige Ausflüge und andere Veranstaltungen. Einmal pro Jahr findet eine Wochenendtour statt, um einen intensiveren Austausch zu ermöglichen. Dabei ist den Organisatorinnen und Organisatoren neben dem Freizeitcharakter der Ausflüge auch der religiöse Rahmen wichtig. "Wir möchten immer bei unseren Tagen eine heilige Messe feiern, weil wir wissen, dass unsere betroffenen Mitglieder es sehr schwer haben, in eine Messe zu kommen, wenn sie nicht gerade in einer größeren Stadt wohnen und dort die Möglichkeit des Kommunionempfangs haben", erläutert Pickel.
Oft sei es für Menschen mit Seheinschränkung schwer, eine Begleitung für den Gottesdienstbesuch zu finden und auch die oft schlechte Verkehrsanbindung im ländlichen Raum stelle ein Problem dar, so Pickel weiter. Das KBW Ost ist für alle Menschen offen, unabhängig der Konfession. Wichtig ist den Verantwortlichen allerdings, dass die Mitglieder die christlichen Werte mittragen. Egal ob blind, sehbehindert oder sehend, alle sind herzlich willkommen.
Etwas Sorge bereitet Pickel allerdings der Nachwuchs im Verein. Der Nachwuchs an sich sei nicht das Problem, da viele ältere Menschen von Blindheit oder Sehbehinderung betroffen seien, so Pickel. Es sei schwierig, junge Leute für die Arbeit der katholischen Blindenselbsthilfe zu gewinnen. Deshalb setze man seit einiger Zeit auch verstärkt auf Online- und Telefonangebote, um einer größeren Personengruppe die Teilnahme zu ermöglichen.
Es macht Pickel Hoffnung, dass sich am Stand auf dem Katholikentag in Erfurt einige junge Menschen über die Angebote des DKBW und des KBW Ost informierten. Vielleicht werden diese als neue Mitglieder zukünftig an der ein oder anderen Veranstaltung teilnehmen.