Es gibt sie in riesigen Palazzi rund um den Vatikan und in der Altstadt, in kleinen Wohnungen nahe des Hauptbahnhofs oder in eher gediegenen Wohnvierteln Roms. Insgesamt 92 Botschaften beim Heiligen Stuhl befinden sich physisch in der Ewigen Stadt - darunter auch die der EU. Ganz frisch ist die Schweizer Vertretung dabei. Zu insgesamt 184 Staaten sowie der EU und dem Souveränen Malteserorden unterhält der Vatikan diplomatische Beziehungen.
Oft sind die Vatikan-Botschaften kleiner und etwas unscheinbarer als die jeweiligen Vertretungen für die Republik Italien. Dennoch spielen sie immer wieder eine wichtige Rolle - nicht zuletzt in der öffentlichen Wahrnehmung. Das liegt nicht nur an der traditionellen Rede des Papstes an das diplomatische Corps Anfang Januar. Mit ihrer vatikanischen Perspektive zur Weltlage gilt sie als eine der wichtigsten Papst-Ansprachen des Jahres. Am Montag (8. Januar) wird Franziskus erneut vor den Botschaftern sprechen.
Spontanbesuch nach Kriegsbeginn
Ein weiterer Grund für Aufmerksamkeit ist der ungewöhnliche wie persönliche Weg der Kontaktaufnahme des Papstes zu den jeweiligen Botschaften. Zu einem der bekanntesten Fälle zählt der spontane Besuch beim russischen Vertreter beim Heiligen Stuhl im Februar 2022.
Am ersten Tag nach dem Angriff auf die Ukraine ließ sich das katholische Kirchenoberhaupt in einem Fiat 500 zu Moskaus Botschafter Alexander Awdejew fahren. In dem halbstündigen Gespräch brachte Franziskus seine Sorge über Russlands Vorgehen zum Ausdruck. Auch danach blieben er und der mittlerweile abberufene Diplomat in Kontakt.
Kontakte knüpfen
Die Nähe zum Vatikan bietet den jeweiligen Staaten einen gewissen Einfluss auf das Kirchenoberhaupt und seine diplomatischen Mitarbeiter. Besonders relevant ist das derzeit für den Botschafter der Ukraine, ebenso für die Vertreter von Israel und Palästina. Über sie kamen etwa die Treffen des Papstes mit Angehörigen von Hamas-Geiseln sowie Verwandten von Menschen im Gazastreifen zustande. Solche Treffen haben durchaus politisches Gewicht. Denn wer im Vatikan vorsprechen darf, erhält zugleich internationale (mediale) Aufmerksamkeit für sein Anliegen.
In erster Linie sind Vatikanbotschafter aber eines: Übersetzer. Sie übersetzen die Vorgänge im Vatikan und besonders dessen außenpolitisches Handeln für ihre jeweiligen Regierungen. Andersherum verhält es sich ebenso.
Dafür braucht es vor allem Kontakte. Der Aufbau eines Netzwerks ist Hauptaufgabe eines jeden Botschafters. Nur in vielen Gesprächen mit unterschiedlichen Personen lässt sich ein zuverlässiges Gesamtbild schaffen. Dazu zählen nicht nur Kontakte zu Mitarbeitern der Kurie, sondern ebenso zu anderen Diplomaten und Journalisten.
Staatssekretariat
Die Botschafter arbeiten mit dem Heiligen Stuhl zusammen - dem völkerrechtlichen Arm der katholischen Weltkirche. Der ist ähnlich aufgebaut wie andere Regierungen: Der Papst ist Staatsoberhaupt, Regierungschef ist Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin. Und dessen Staatssekretariat ist mit dem Bundeskanzleramt vergleichbar.
So etwas wie Ministerien gibt es auch - die sogenannten Dikasterien. Sie unterscheiden sich aber in ihren Schwerpunkten mitunter stark von gewöhnlichen Regierungen. Weltliche Anknüpfungspunkte finden sich gewiss mit Blick auf die vatikanische Entwicklungsbehörde, thematisch eher ausgefallen wirkt jene für die Ordensleute.
Geschichte der Vertretungen
Die ersten ständigen diplomatischen Vertretungen beim Heiligen Stuhl gab es Anfang des 16. Jahrhunderts. Bayern war seit Beginn des 17. Jahrhunderts, Preußen seit 1747 im Kirchenstaat vertreten. Der Kaiser hatte bis 1806 einen Botschafter akkreditiert. Der erste Vatikan-Vertreter der Bundesrepublik Deutschland wurde 1954 entsandt.
Die deutsche Auslandsvertretung sticht aus ihrer italienischen Umgebung besonders hervor. Unweit des großen Stadtparks Villa Borghese und zahlreicher Museen liegt seit 1984 das Areal mit den roten Backsteingebäuden - der einzige moderne Botschaftsbau in Rom. Hier arbeitet und residiert Botschafter Bernhard Kotsch mit seiner Familie. Der gebürtige Regensburger war zuvor Koordinator der Nachrichtendienste im Bundeskanzleramt in Berlin.
Kotsch selbst ist katholisch. Aber das ist keine Grundvoraussetzung, um Deutschlands Botschafter beim Heiligen Stuhl zu sein. Etliche seiner Vorgänger waren evangelisch. Für das nötige Hintergrundwissen hat die Botschaft einen geistlichen Rat, der sich mit Strukturen und Akteuren im Apparat Weltkirche auskennt. Dafür gibt es keinen Zuständigen für militärische Belange, und auch um verloren gegangene oder abgelaufene Pässe müssen sich die Mitarbeiter nicht kümmern. Das übernimmt die Deutsche Botschaft in Rom.
Der Vatikan unterhält auch eigene Botschaften in vielen Ländern dieser Welt. Die sogenannten Nuntiaturen stehen nicht nur mit politischen Vertretern, sondern ebenso mit der lokalen katholischen Kirche im engen Austausch. Das verschafft dem Vatikan einen tiefen Einblick in soziale und gesellschaftliche Strukturen - und damit ein beispielloses diplomatisches Netzwerk.