Ein bisschen merkwürdig sieht es ja schon aus auf dem Hülser Marktplatz. Überall Porree. An den Laternen, in Fensterrahmen, in den Armen und auf den Köpfen der Menschen ringsum. Es ist Karneval in Krefeld-Hüls am Niederrhein; und Karneval, das heißt hier: "Breetlook!", also Breitlauch.
Legende um den Roten Dieter
Die Legende, die diesem eigenartigen Umgang mit Lebensmitteln zugrunde liegt, kann man auf historisierenden Bleiglasfenstern in der Pizzeria Santa Lucia gleich gegenüber der Pfarrkirche besichtigen - wo im Übrigen der Karnevalsprinz der vergangenen Session ansässig ist: Sandro I.
Und so soll es gewesen sein: 1642, mitten im Dreißigjährigen Krieg, war der Rote Dieter, ein rabiater Räuberhauptmann, aus der Kerkerhaft befreit worden. Und da er mit den Hülsern eh noch ein Hühnchen zu rupfen hatte, ging zu Recht die Angst vor Dieters Rache um: Wie sollte man seiner Bande bloß ohne gescheite Waffen entgegentreten?
Doch ein lahmer Diener wusste Rat. Ihm war einmal sein Pferd auf einer Lauchstange ausgerutscht und hatte ihn unter sich begraben.
Warum nicht also dieses Missgeschick professionalisieren? Und so legten die Hülser bei Nacht eine ordentliche Menge Porree auf dem Pflaster aus und wässerten es - so dass die ganze anstürmende Reiterbande stürzte und von den wartenden Hülsern überwältigt und mit Dreschflegeln, Äxten und Mistgabeln vertrimmt werden konnte.
Lieblingsgemüse der Hülser
Spätestens seit dieser Rettung sind nicht Hülsenfrüchte das Lieblingsgemüse der Hülser, sondern "Breetlook". Und so lautet denn auch seit 1934 der Schlachtruf der Karnevalisten. "Ob jung, ob alt - in Breetlook verknallt" war etwa das Motto von 1989. Und Porreestangen sind auch die Schlagstöcke der "Trinas", wie die alten Marktfrauen hier heißen: die Quasi-Wachtruppe des Hülser Karnevals.
An Altweiber, dem Donnerstag vor Rosenmontag, stürmen die Trinas das Hülser Rathaus - seit der Eingemeindung "Bürgerbüro Hüls", um von den Männern symbolisch bis Aschermittwoch die Herrschaft über die Stadt zu übernehmen. Natürlich mit Breetlook bewaffnet. Das alles läuft heute aber ziemlich friedlich ab, auch zwischen den Hülsern und den Krefeldern. In den 1950er Jahren soll es noch wilder zugegangen sein.
Der Vorsitzende des Hülser Heimatvereins, Gottfried Andree, erinnerte sich vor einigen Jahren in einem Zeitungsinterview: Damals zogen an Altweiber unzählige Trinas Richtung Krefeld - "per Traktor, Moped, Fahrrad oder auf Rollschuhen und zu Fuß, um die Nachbarn Mores zu lehren". Auf Höhe der alten Tivoli-Brauerei stießen die "Hölschen Trinas auf ihre Krefelder Widersacher. Mit ihrem Breetlook hauten sie ordentlich auf die Krefelder ein. Doch Bier löst manchmal auch
Probleme: Nach einer Spende aus der Brauerei kehrte wieder friedlicher Frohsinn ein.
Hülser Breetlookszug
Inzwischen findet der Hülser Breetlookszug nur noch alle zwei Jahre statt - was weniger mit der Qualität der Lauchernte als vielmehr mit den Kosten für Prinz und Festkomitee zusammenhängt. 2020 ist es aber wieder soweit: Am Karnevalsdienstag (25. Februar) ab 14.11 Uhr heißt es dann närrisch: "Breet..." - "...look!" - "Breet..." - "...look!" - "Breet..." - "...looklooklook!!!"
Die Kamelle kann man übrigens prima zum Kochen verwenden. In einem Lied auf Hülser Platt heißt es dazu: "Bei os kömmt Breetlook en de Pott, an Breetlook eäte wee os sott. Dat wääs en Höls en jedde Jaat, schmeckt als Jemüs on Schlaat." (Bei uns kommt Porree in den Topf, an Porree essen wir uns satt. Das wächst in Hüls in jedem Garten, schmeckt als Gemüse und im Salat.)