Wie ein Logistikexperte Lebensmittel an über 40 Tafeln für Bedürftige verteilt

Zwischen Überfluss und Mangel

Gerhard Kirchner ist schon seit Jahren im Ruhestand - und arbeitet doch 50 Stunden, verteilt auf sieben Wochentage. Der 69-Jährige aus Zell bei Schweinfurt organisiert mit zwei Kollegen die Verteilung und den Transport von Lebensmitteln für 44 Tafelvereine in Nordbayern und den angrenzenden Bundesländern - ein bundesweit einzigartiger Verbund.

 (DR)

Lebensmittel waren für ihn Neuland, als er vor fünf Jahren die Schweinfurter Tafel von ihrer Gründung an unterstützte. Kirchner war Fertigungsleiter und Logistik-Chef in der Metallbranche. Fachwissen, Kontakte, Tatkraft und - wenn nötig - energisches Handeln kommen jetzt den Tafeln zugute, die bei Firmen verwertbare Lebensmittel sammeln und an Bedürftige weitergeben.

Statt riesige Metallteile weltweit zu transportieren, muss er jetzt in großem Stil zum Teil verderbliche Ware möglichst rasch an interessierte Tafeln verteilen. 1.500 Paletten Lebensmittel waren es im vergangenen Jahr, davon 850 mit einem Gewicht von 170 Tonnen allein von Schweinfurt aus. Zwei Kollegen von der Nürnberger Land Tafel mit Sitz in Feucht bei Nürnberg, dem Dach des Logistik-Verbundes, übernehmen den Rest.

Angefangen hat alles relativ klein mit Gründung der Schweinfurter Tafel, bei der Kirchner als damaliger Vorsitzender des Zeller Diakonievereins dabei war. Dank seiner Kontakte gingen Lebensmittel bald palettenweise ein. Nicht alles konnte die örtliche Tafel selbst an Bedürftige weitergeben und arbeitete bald mit benachbarten Vereinen zusammen. Heute gehören Tafeln aus Hessen, Thüringen und Baden-Württemberg zum Verbund, der in dieser Form seit einem Jahr besteht. Der Vorteil: So können auch Tafeln ein breites Nahrungsmittelsortiment anbieten, die vor Ort nicht selbst genügend Waren einsammeln.

"Wir nehmen alles"
Lebensmittel und Körperpflegemittel kommen von etwa 20 festen Lieferanten. Etwa 50 weitere Firmen bieten sporadisch Produkte an.  Geht ein Angebot ein, gibt Kirchner die Information per E-Mail an die angeschlossenen Tafeln weiter. Diese melden meist telefonisch ihren Bedarf an. An solchen Tagen könnte der Logistiker drei Telefone gleichzeitig bedienen. Ehefrau Helga springt dann mit ein.

Auch Produkte, die nicht zu den Grundnahrungsmitteln gehören, werden angenommen, wie jüngst 132 Paletten Kartoffelchips. "Wir nehmen alles, sonst fallen wir womöglich aus dem Verteiler", so Kirchner.

767 Tafeln mit rund 32.000 ehrenamtlichen Helfern
Mit den Lebensmitteln selbst hat der Ruheständler wenig zu tun. Sein Handwerkszeug sind Computer und Telefon. Es gilt, Kontakte zu pflegen zu Firmen und Ansprechpartnern bei den Tafeln. Und den Transport der Ware in eines der Lager oder ins Kühlhaus zu organisieren, ebenso die zügige Weiterverteilung, um die Lagerkosten gering zu halten. Bei alldem muss Kirchner zudem die Ausgabetage der einzelnen Tafeln im Auge behalten.
Schließlich zeichnet er akribisch auf, welche Tafel wann was bekommt, stellt Rechnungen über anteilige Kosten für Lager, Transport, Steuer und eine geringe Aufwandsentschädigung. Statistiken geben Aufschluss über die Mengen der eingegangenen Waren, geordnet nach verschiedenen Kategorien.

Dass Kirchner und die Tafeln arbeitslos werden, ist unwahrscheinlich, weil die Zahl der Tafeln in Deutschland seit Jahren wächst. Laut Tafel-Bundesverband gibt es derzeit 767 Tafeln mit rund 32.000 ehrenamtlichen Helfern. Die Schere zwischen Arm und Reich gehe immer weiter auseinander, hat Kirchner beobachtet, der als Ländervertreter dem Bundesverband angehört. 120.000 Tonnen Lebensmittel haben die Helfer der Tafeln 2007 gesammelt und an 700.000 Bedürftige verteilt. Kirchner geht davon aus, dass in diesem Jahr die Millionenmarke überschritten wird.

Von Beate Krämer (epd)