Seit dem Gottesdienst am 21. Januar zur zweiten Amtseinführung des US-Präsidenten Donald Trump ist das internationale Medieninteresse an der anglikanischen Bischöfin Mariann Edgar Budde enorm. Die Leiterin der Diözese der Episkopalkirche in Washington D.C., erste Frau im Amt, bat Trump in direkter Ansprache um Erbarmen "für Migranten, schwule, lesbische und transsexuelle Kinder" und "alle, die jetzt Angst haben". Ihre Worte trafen offensichtlich den einen oder anderen Nerv, denn die Reaktionen waren stark.
"Viele Menschen fühlten sich gehört, gesehen. Aber es gab auch heftige Ablehnung. [...] Und dann sind da jene, die bewusst Falschinformationen über mich verbreiten. Aber ich lasse mich davon nicht bestimmen", erzählte Budde vor einer Woche im Zeit-Interview.
Theologisch sei die Predigt klar und unspektakulär gewesen, so die Bischöfin, was die Ansprache aufgeladen habe, sei die Zeit, in der wir lebten.
Für Trump eine ungeliebte alte Bekannte
Der US-Präsident selbst verbreitete nach der Predigt, Budde sei eine linksradikale Trump-Hasserin. Eine extrem-linke Haltung, die ihr Trump und seine Anhänger zuordnen, ist Mariann Edgar Budde wohl kaum zu eigen. Die Bischöfin wurde 1959 in New Jersey geboren und wuchs auf in einem konservativ-christlichen Milieu. Ihre politisch linken Themen sind auch laut ihres kürzlich in den USA erschienenen Buches "Mutig sein" erst durch zeitgeschichtliche Ereignisse und Vorgänge entstanden.
Dazu gehörten die Massenproteste der "Black Lives Matter Bewegung", ausgelöst durch die Tötung des unbewaffneten Afroamerikaners George Floyds durch Polizisten am 25. Mai 2020 in Minneapolis. Als Trump daraufhin am 1. Juni mit Schlagstöcken und Tränengas im Lafayette Park in Washington die Demonstrierenden von der Polizei auseinandertreiben - und sich vor der St. John's Church mit der Bibel in der Hand fotografieren ließ - war dies für Budde ein Widerspruch zu ihren Werten, den sie nicht duldete.

Der Präsident habe ohne Erlaubnis eine Kirche ihrer Diözese als Kulisse und eine Bibel als Requisite für eine Botschaft benutzt, die ganz im Gegensatz zu Jesu Lehren stehe, sagte sie im Interview mit dem Nachrichtensender CNN.
Budde ist für Trump also eine ungeliebte, alte Bekannte. Einzelne kritisierten ihre Predigt scharf und forderten, die Bischöfin auf eine "Deportationsliste" zu setzen. Was extrem klingt, ist es wohl auch. Michaela Quast-Neulinger vom Institut für Systematische Theologie ordnete vor zwei Tagen im Gespräch mit ORF Topos ein:
Extreme Gruppierungen in den USA, die in den vergangenen Jahren verstärkt Zuspruch erfahren hätten, warnten vor einer "Feminisierung der Kirchen".
Episkopalkirche mit elitärem, weißen Image
"Zu diesem Zwecke werden veraltete, frauenfeindliche Theologien, Ideologien und Philosophien wieder hervorgekramt - eine toxische Mischung, oft gepaart auch mit einer Militarisierung der Theologie", sagte Quast-Neulinger. In der Episkopalkirche sei es seit den 1980er Jahren für Frauen möglich, Bischöfin zu werden. "Das war aber eine sehr heikle Entscheidung, und diese Frage des geweihten Amtes hat viele reformierte Kirchen, die dann erstmals Bischöfinnen hatten, fast zerrissen", erklärte Quast-Neulinger. Spreche eine Frau in Kirche und Gesellschaft mit Autorität und lege sich dazu noch mit einem mächtigen Mann an, habe sie es weiterhin schwer. In den USA zählen die Episkopalen zu den Traditionskirchen.
Allerdings gehört nur ein Prozent der Erwachsenen der Kirche an. Fast die Hälfte lebt im Süden und knapp ein Drittel im mittleren Westen des Landes. Die Kirche habe zwar keine offizielle Verbindung zum Staat, aber einen "Einfluss auf die Zivilgesellschaft, der oft ihre Größe Lügen strafte", formuliert der Autor eines ökumenischen Kirchenpapiers, Walter Jacob Baer.
Der Episcopal Church haftet ein elitäres, weißes Image an; auch etliche US-Präsidenten waren Mitglieder. Inzwischen habe sich die Episkopalkirche "inneren und äußeren Konflikten gestellt", so Baer, und "sich bemüht, eine zunehmend multinationale und multiethnische Identität anzunehmen".
Die Wurzeln der Episkopalkirche liegen in der Kirche von England (Church of England); zudem stammt ein starker Einfluss aus der Schottischen Episkopalkirche (Scottish Episcopal Church), deren Namen sie trägt. Ab 1607 begann ihre Entwicklung auf dem amerikanischen Kontinent mit den ersten aus England ankommenden anglikanischen Kolonisten. Im 19. Jahrhundert begann die amerikanische Episkopalkirche mit der Missionsarbeit außerhalb der Vereinigten Staaten. Nach eigenen Angaben hat die Kirche weltweit rund 1,6 Millionen Mitglieder. Die gesamte Anglikanische Kirchengemeinschaft hat ungefähr 85 Millionen.