Wie eine christlich-ökologische Gemeinschaft ihr Heim baut

Alltagsspiritualität als Kraftquelle

Natürliche Baustoffe, angepasst an das Klima der Zukunft. Eine christlich-ökologische Genossenschaft bei Köln plant, gemeinschaftlich zu bauen. Kopf des ökologischen Projekts für 18 Erwachsene und Kinder ist Christian Weingarten.

Ökologisches Bauen / © anatoliy_gleb (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Inwieweit kann ein gemeinschaftlicher Lebensstil denn zum nachhaltigen Leben beitragen? 

Christian Weingarten / © Tobias Fricke (DR)
Christian Weingarten / © Tobias Fricke ( DR )

Christian Weingarten (Schöpfungsbeauftragter im Erzbistum Köln und privater Bauherr): Gemeinschaftlich Leben heißt ja erst mal, dass wir etwas in Gemeinschaft machen wollen. Und das heißt, dass wir vielleicht gar nicht so viel im Privaten machen müssen. 

Ein besonderer Ansatz war die Frage, wie wir private Wohnfläche reduzieren können, ohne auf irgendwas zu verzichten. Da ist es total naheliegend, Gemeinschaftsräume zu nehmen, in denen man sich in Gemeinschaft treffen kann oder Gästezimmer, die sowieso immer nur temporär benutzt werden. Die können wir doch in Gemeinschaft nutzen; die privaten Wohnflächen werden dagegen eher kleiner, sodass wir in Summe pro Person oder pro Mitbewohnerin und Mitbewohner auf eine deutlich kleinere Wohnfläche kommen als im Bundesdurchschnitt, was wiederum ganz stark zur Ressourceneffizienz oder zur Einsparung von Energie beitragen kann. 

DOMRADIO.DE: Es gibt gute und schlechte Nachbarschaften. Und man weiß ja vorher nicht so genau, wer da alles einziehen wird und wer mit in diesem Projekt drin ist, oder?

Weingarten: Es wird eine Genossenschaft sein. Und die Genossenschaft wird in sich immer selber gucken, wer mit wohnen kann. Denn gerade, wenn man so nah beieinander wohnt, muss es auch irgendwie funktionieren. Das heißt, wir müssen uns gegenseitig aussuchen und man muss sich gegenseitig abtasten, ob das klappt. 

Es wird trotzdem ein Ausprobieren für alle sein, die dabei sein wollen. Aber es soll schon eine Gemeinschaft entstehen, die auch wirklich miteinander und nicht nur nebeneinander leben will. 

Christian Weingarten

"Das Gründach fördert die biologische Vielfalt."

DOMRADIO.DE: Welche ökologischen Aspekte verwirklichen Sie denn in diesem Bauprojekt? 

Weingarten: Ganz verschiedene. Wir versuchen vor allem sogenannte Mehrgewinn-Strategien zu finden, also eine Lösung zu finden, die sowohl Klimaschutz, Umweltschutz als auch Klimawandel-Anpassung berücksichtigt. 

Ein schönes Beispiel ist das Thema Gründach. Wir können ein Gründach mit Photovoltaik bauen. Das Gründach fördert die biologische Vielfalt. Gleichzeitig gibt es, wenn man es im Sommer bewässert, einen natürlichen Kühleffekt für die Wohnung. Und es können sich Insekten und Vögel ansiedeln. 

Ein anderes Beispiel ist, dass wir auf Säulenfundamenten bauen wollen. Das heißt, die Gebäude berühren eigentlich gar nicht den Boden. Es kann bei Starkregenereignissen Wasser unter dem Gebäude durchfließen. Wir müssen dazu aber beim Bau viel weniger Erde bewegen, brauchen fast keinen Beton im Bau. 

DOMRADIO.DE: Die Anpassung an die Folgen des Klimawandels werden immer nötiger. Wie geht man damit um? 

Weingarten: Beim Beispiel mit den Starkregenereignissen spielt auch wieder das Thema Gründach eine Rolle. Bei Hagel federt das Gründach viel mehr an Schaden ab, als wenn man eine andere Dachform hat. 

Begrüntes Dach mit Solarpaneelen / © Rene Notenbomer (shutterstock)
Begrüntes Dach mit Solarpaneelen / © Rene Notenbomer ( shutterstock )

Beim Thema Hitze ist ein guter Ansatz auch die ganze Begrünung, auch um die Gebäude herum: Fassaden, Dachbegrünung, um im Sommer eine Verschattung zu ermöglichen, aber auch gleichzeitig diesen Kühleffekt, den die Natur hat, auszunutzen. 

DOMRADIO.DE: Wie lange wird es dauern, bis dieses Bauprojekt Realität ist? 

Weingarten: Wir sind schon sechs Jahre dabei zu planen und wir hoffen, dass wir spätestens 2026 einziehen werden. Da bin ich sehr optimistisch, dass das auch klappen wird. 

Christian Weingarten

"Es gibt Lösungen, die können auch andere machen."

DOMRADIO.DE: Inwieweit kann so ein innovatives Bauvorhaben auch eine Strahlkraft für andere Bauprojekte haben? 

Weingarten: Gerade im nachhaltigen Bauen braucht es immer Anschauungsmaterial. Menschen, die selber anfangen zu bauen, wollen sehen, ob es denn überhaupt schon funktioniert hat. Wenige wollen irgendwas ausprobieren, was nachher nicht klappt. 

Ich hoffe, dass wir, indem wir viel ausprobieren können, viel nach außen zeigen können und nachher sagen können, dass es wirklich funktioniert. Es gibt Lösungen für unsere Herausforderungen, die in den nächsten Jahren noch stärker werden. Es gibt Lösungen, die wir auch übertragen können, die auch andere machen können. Die sind nicht immer viel teurer als konventionelle Lösungen. 

DOMRADIO.DE: Die vor kurzem gegründete Genossenschaft für das Projekt heißt "christlich-ökologische Wohngemeinschaft". Was ist das Christliche am Projekt? 

Christian Weingarten

"Unsere Idee ist, eine christliche Alltagsspiritualität eine Kraftquelle für die Gemeinschaft werden zu lassen."

Weingarten: Wir wollen als Gemeinschaft eine Alltagsspiritualität zusammenleben, als Kraftquelle. Wir sind vor allen Dingen Menschen, die auch sehr viel sozial und ökologisch engagiert sind. Das kostet viel Kraft. 

Unsere Idee ist, eine christliche Alltagsspiritualität als eine Kraftquelle für die Gemeinschaft werden zu lassen. Wir sind keine eigene Kirchengemeinde, wir haben Anschluss als ökumenische Gemeinschaft an die Kirchengemeinden vor Ort. Aber wir haben dieses christliche Grundverständnis von Werten und Alltagsspiritualität und hoffen, dass das die Gemeinschaft noch mal ganz anders zusammenhält. 

DOMRADIO.DE: Inwieweit kann das in den Alltag einfließen, dass man vielleicht auch mit den Kindern zusammen betet? 

Weingarten: Genau. Und dass man nicht vielleicht jedes Mal erst mal lange diskutieren muss, ob das jetzt sinnvoll ist, mit den Kindern zu beten, sondern dass manche Sachen in der Gemeinschaft selbstverständlich sind, auch wenn wir sehr gerne kritisch diskutieren. Aber es ist schon wichtig, dass man auch in der Gemeinschaft zum Beispiel für ein gemeinsames Abendgebet Räume findet oder auch mal Sankt Martin oder Nikolaus zusammen als christliches Fest feiert. 

Das Interview führte Dagmar Peters.

Quelle:
DR