Wie Integration am Arbeitsmarkt gelingt - und manchmal behindert wird

Integriert, qualifiziert, abgelehnt

In der Gemeinde Kürten bei Köln bemüht sich ein junger Pakistaner um Integration. Er ist einer der begehrten Facharbeiter, die deutsche Unternehmen so dringend suchen. Doch er darf nicht in Deutschland bleiben.

Firma Orca: Integration im Job / © Ina Rottscheidt (DR)
Firma Orca: Integration im Job / © Ina Rottscheidt ( DR )

Aufmerksam begutachtet Mohammad Faheem durch seine Sicherheitsbrille das Metallgehäuse, das er gerade zusammengeschraubt hat hat. Er schaltet den Strom an, Leuchten zucken auf, die aussehen wie Neonröhren. Ein Lüftungssystem setzt sich leise surrend in Gang. Faheem nickt zufrieden. Er arbeitet an einem so genannten "UVC-Lichtgerät", das mit einem speziellen ultravioletten Licht beispielsweise Oberflächen oder auch Luft entkeimen kann, ganz ohne den Einsatz von Chemie.

Die Firma Orca in der rheinisch-bergischen Gemeinde Kürten ist eines der wenigen Unternehmen in Europa, die sich auf diese Technik spezialisiert haben. Mohammed Faheem fand vor zwei Jahren Arbeit dort. Der 40-jährige Pakistaner ist ausgebildeter Elektrotechniker. Der Chef des Unternehmens, Rainer Orbach, suchte händeringend qualifizierte Mitarbeiter: "Diese Art von Tätigkeit hier zu besetzen ist ein Problem", sagt er. "Wir kämpfen immer mehr mit Fachkräftemangel." Gerade erst hat er weitere Stellen ausgeschrieben, doch qualifizierte Bewerber finden sich kaum.

Jobpatensystem hilft

Darum zögerte er auch nicht lange, als man ihm Mohammed Faheem vorstellte. Die Gemeinde Kürten hat im Rahmen ihrer Flüchtlingsinitiative "Fluchtpunkt Kürten" neben vielen anderen Hilfsprojekten auch die Arbeitsgruppe "Jobs für Flüchtlinge" auf die Beine gestellt. Die Idee: Durch persönliche Kontakte und Unterstützung bei bürokratischen Hürden sollen regionale Arbeitgeber dazu zu bewegt werden, Geflüchtete einzustellen.

Stephan Baake ist einer der Initiatoren, die eng zusammen mit der örtlichen Arbeitsagentur kooperieren. Ob Arbeitserlaubnis,  Krankenkasse oder fehlende Sozialversicherungsnummer - Bake und sein Team stehen Unternehmern, die Flüchtlinge einstellen, mit Rat und Tat zur Seite: "Wir haben gemeinsam mit dem Bürgermeister die Firmen angeschrieben und ihnen angeboten, bei den Anträgen zu helfen und Bewerber für sie auszusuchen, wenn sie bereit sind, Flüchtlinge einzustellen", erklärt der Ehrenamtler. "Und die Bereitschaft ist sehr groß. Viel größer als ich gedacht hatte!"

Vom Neuling zum Teammitglied

Muhammad Faheem arbeitete eine Woche zur Probe in der Firma Orca, danach war Geschäftsführer Orbach von seinen fachlichen Fähigkeiten überzeigt: "Anfänglich haben wir natürlich überlegt, ob das mit den anderen Mitarbeitern klappt. Nicht alle hier sprechen Englisch und so fand am Anfang ein Teil der Kommunikation mit Händen und Füßen statt", erinnert er sich. "Wir waren aber sehr positiv überrascht, wie sich alle Kollegen eingebracht haben und wie selbstverständlich das wurde. In kurzer Zeit war er hier ein vollständiges Mitglied des Teams!"

Mittlerweile hat sich Muhammad Faheem eingelebt. Er versteht sich gut mit seinen Kollegen, sie helfen ihm bei Alltagsdingen und sein fachliches Können schätzen alle.  Der  Pakistaner hat mit seiner Familie eine eigene Wohnung bezogen, zwei seiner drei Kinder besuchen eine Schule.  Und er hat gefunden, wonach er in Pakistan vergeblich gesucht hatte: Ein Leben in Sicherheit. In seiner Heimat wurde Faheem von politisch Andersdenkenden bedroht. "Mehrfach wurden meine Familie und ich angegriffen, ich wurde verprügelt und man hat gedroht, mich umzubringen. Ich hatte wirklich Angst!" Deswegen entschloss er sich, das Land zu verlassen.

Kein Bleiberecht

Doch für die deutschen Behörden war das kein Asylgrund, die Anerkennungsquote von Pakistanern liegt momentan bei nur 3,3 Prozent. Faheems Gesuch wurde Anfang des Jahres abgelehnt.  Ein Schock auch für seinen Chef, der ihn zu der Anhörung begleitet hatte. "Wir sind eigentlich davon ausgegangen, dass es relativ zügig auf eine dauerhafte Duldung hinausläuft", erinnert sich Orbach, "aber selbst das ist derzeit politisch scheinbar nicht gewollt." Neben Faheems persönlichem Schicksal sorgt ihn auch, dass ihm nun eine wertvolle Fachkraft verloren gehen könnte, in die er und seine Mitarbeiter Zeit und Engagement investiert haben.

Faheem bemüht sich, er gliedert sich ein, verdient sein eigenes Geld und ist gut qualifiziert. Firmen-Chef Orbach schüttelt den Kopf: Dass er Deutschland wieder verlassen soll, kann er nicht verstehen. Und Jobpate Stefan Baake hält die Situation für absurd: "Was mich persönlich sehr ärgert: Die deutsche Industrie, die Wirtschaft, die Politik: Alle sprechen vom Fachkräftemangel. Leute wie Faheem suchen wir dringend, wir müssten dafür sorgen, dass er bleibt!"

Braucht Deutschland ein Einwanderungsgesetz?

Es sei endlich Zeit für ein modernes Einwanderungsgesetz, findet Baake: Es müsse die Möglichkeit geben, bei entsprechender Qualifikation unabhängig vom Asylrecht, das Schutz gewähren soll, nach Deutschland einzuwandern. Ein Problem, über das im Vorfeld der Bundestagswahl auch die Parteien derzeit diskutieren. 

Doch bis dieses Gesetz kommt, trügen die Arbeitgeber die Verantwortung, kritisiert Baake. "Durch die schleppenden Asylverfahren sind viele jahrelang  hier, haben sich bestens integriert, arbeiten, versorgen ihre Familien, finden Freunde, zahlen Steuern und Sozialabgaben. Eine wunderbare Geschichte! Nur das kommt im Gesetz gar nicht vor, dass man sagt: Wer sich aus eigener Kraft integriert, kann bleiben. Und auch die Interessen des Arbeitsgebers kommen nicht vor: Er arbeitet die Flüchtlinge ein, investiert in Weiterbildung und integriert seinen neuen Mitarbeiter. Und dann müssen diese Menschen wieder gehen", ärgert er sich.

Faheem klagt derzeit gegen die Ablehnung seines Asylantrags. Unterstützt wird er dabei von Baake und von seinem Chef Rainer Orbach. Die beiden wollen eine Petition an den NRW-Landtag schreiben. Doch bis da eine Entscheidung fällt, lebt die pakistanische Familie in der Ungewissheit, ob alles, was sie sich hier in Deutschland aufgebaut haben, umsonst war.

Dieses Porträt ist Teil der domradio.de-Themenwoche "Neue Nachbarn: Wie Integration gelingt". Weitere Geschichten und Informationen finden Sie hier.  


Quelle:
DR