Wie leerstehende Kirchen sinnvoll genutzt werden können

Umnutzung statt Abriss

Immer mehr Kirchengebäude in Deutschland stehen leer. Manche sind bereits umfunktioniert worden, für andere ist noch keine Lösung gefunden. Für Denkmalschützer ist klar: Umnutzung ist fast immer besser als Abriss.

Autor/in:
Johannes Senk
Büro im Bischöflichen Diözesanarchiv und Domarchiv in der ehemaligen Kirche Sankt Paul in Aachen / © Julia Steinbrecht (KNA)
Büro im Bischöflichen Diözesanarchiv und Domarchiv in der ehemaligen Kirche Sankt Paul in Aachen / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Die Kirchen in Deutschland verlieren Mitglieder. Jahr für Jahr gehören weniger Menschen einer der beiden großen Konfessionen an - seit diesem Jahr erstmals weniger als die Hälfte der Bevölkerung.

Weniger Mitglieder, das heißt auch weniger Gottesdienstbesucher und folglich weniger Gottesdienste. Daraus erwächst letztlich das praktische Problem: Was tun mit den Kirchengebäuden, denen immer häufiger Leerstand droht? "Das größte Problem ist eine Nichtnutzung", betont Jan Ermel von der Denkmalakademie der Deutschen Stiftung Denkmalschutz.

Auch wenn die Religiosität in Deutschland zwar insgesamt auf dem Rückzug sei, gebe es vielfach noch eine emotionale Verbindung zu den Kirchengebäuden, betonte Ermel. So seien die Sakralbauten vielerorts die ältesten, teilweise auch die einzigen Baudenkmäler.

Von Abriss ist eher abzuraten

Von einem Abriss, so der Kunsthistoriker, sei in der Regel abzuraten - und das nicht nur aus emotionalen oder denkmalschützerischen Gründen. Schon um die Energie für das Abräumen des Materials und einen eventuellen Neubau einzusparen, sei die Umnutzung des bestehenden Raumes, sofern dessen baulicher Zustand noch gesichert ist, vorzuziehen. "Wir können es uns eigentlich nicht mehr leisten, die Bauten zum Abriss freizugeben", resümiert Ermel beim Webinar "Klettern in der Kirche? Rettung von Sakralbauten durch Umnutzung".

Buchhandlung in einem früheren Kloster / © Alexander Brüggemann (KNA)
Buchhandlung in einem früheren Kloster / © Alexander Brüggemann ( KNA )

Schon in der Geschichte fänden sich viele Beispiele, wie mit nicht mehr als solchen genutzten Sakralbauten sinnvoll umgegangen werden könne, führt der Denkmalschützer aus. Klosterkirchen, die etwa im Zuge der Säkularisierung aufgehoben wurden, seien anschließend als Räumlichkeiten für Schulen und Universitäten genutzt worden. Ähnlich sei mit einigen Kirchengebäuden in Ostdeutschland verfahren worden, die ihren Status als Sakralbauten in der DDR verloren hatten und inzwischen als Kulturzentren genutzt werden.

Ähnliche Fragen stellen sich nun wieder: Ermel verweist auf Angaben der Kirchen, wonach seit 2000 über 500 katholische Kirchen offiziell entweiht wurden - davon allein 105 im Bistum Essen - und seit 1990 fast 380 evangelische Kirchen abgerissen, verkauft oder umgenutzt wurden. Zwar versuchten die Kirchen oft, noch Einfluss auf die Weiternutzung zu nehmen. So solle etwa verhindert werden, dass aus einer Kirche ein Nachtlokal werde, sagte Ermel. Dies sei in der Realität bei Besitzerwechseln allerdings nicht ohne weiteres möglich.

Kann eine andere christliche Konfession die Kirche weiternutzen?

Als Idealfall sieht der Kunsthistoriker die Weiternutzung einer leerstehenden Kirche für eine andere christliche Konfession vor Ort.

Dies sei nicht auf katholisch und evangelisch zu beschränken, sondern schließe auch kleinere Gemeinschaften, wie orthodoxe, alt-katholische oder neuapostolische Kirche mit ein.

 Orgelpfeifen und Kirchenbänke in profaniertem Kirchengebäude
 / © Julia Steinbrecht (KNA)
Orgelpfeifen und Kirchenbänke in profaniertem Kirchengebäude / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Etwas differenzierter seien hingegen Umwidmungen von Kirchen zu Moscheen oder Synagogen zu betrachten, die auch in Deutschland bereits stattgefunden hätten, so Ermel. Dies treffe oft auf Ablehnung. Aus Sicht des Denkmalschützers sollte diese Umfunktionierung des Gebäudes hingegen unproblematisch sein, "wenn es nur um eine Hülle geht".

Kirchen als Multifunktions- und Kulturräume

Als weitere positive Beispiele führt der Kunsthistoriker die Nutzung von Kirchen als Multifunktions- und Kulturräume auf. Durch derartige Nutzformen werde Raum zur Verfügung gestellt, der nicht eigens dafür neuerrichtet werden muss, sagt Ermel. Er räumte aber auch ein, dass diese Modelle "nicht überall tragfähig" seien.

Restaurant in einer ehemaligen Kirche in Rom / © Cristian Gennari (KNA)
Restaurant in einer ehemaligen Kirche in Rom / © Cristian Gennari ( KNA )

Der Denkmalschützer plädiert dafür, auch das innere Raumgefüge der Kirchen bei der Umnutzung erkennbar zu erhalten, da auch die innere Gestaltung für das Baudenkmal bedeutend sein könne. Gerade bei der Weiternutzung als Wohnraum führe dies allerdings oft zu Problemen, wenn dafür große Umbaumaßnahmen im Langhaus vorgenommen würden. "Der Gebäudekörper kann dann nicht mehr als Kirche erfasst werden." Eine mögliche Lösung sei es deshalb, den Umbau zu Wohnraum auf Dachgeschoss und Turm der Kirche zu beschränken.

Als besonders schwierige Fälle stuft der Denkmalschützer die in den 1960er und 70er Jahren entstandenen Kirchen ein. Sofern nicht namhafte Architekten hinter der Planung gestanden hatten, stünden diese Bauten bei Leerstand "schnell auf der Abrissliste".

Umnutzung und Profanierung von Kirchen

Obwohl in Deutschland sowohl katholische als auch evangelische Kirchen leer stehen, ist die Umwidmung katholischer Kirchen komplizierter. Wenn eine katholische Kirche – oder ein anderer heiliger Ort – Weihe oder Segnung verliert, geschieht durch diese Profanierung das Gegenteil der (Kirch-)Weihe. Angeordnet wird eine solche Entwidmung durch ein Dekret des Diözesanbischofs, das im Allgemeinen in einem letzten Gottesdienst verlesen und damit wirksam wird. Damit wird dann das Gotteshaus dauerhaft profanem Gebrauch überlassen.

Die ehemalige Dominikanerkirche in Maastricht ist jetzt ein Buchladen. / © Wut_Moppie (shutterstock)
Die ehemalige Dominikanerkirche in Maastricht ist jetzt ein Buchladen. / © Wut_Moppie ( shutterstock )
Quelle:
KNA