Für Muslime ist der 24. Dezember ein ganz normaler Tag, und sie haben keinen Grund zum Feiern. Ramadan oder das Zuckerfest ist schließlich zu einer anderen Jahreszeit. Was tun sie eigentlich, wenn viele Christen in weihnachtlicher Stimmung sind? Was machen sie, wenn wir uns mit unseren Familien um den Christbaum zur Bescherung oder in der Kirche zur Mette versammeln, das Weihnachtsessen auf den Tisch kommt und Geschenke überreicht werden? Kann die Weihnachtszeit sie überhaupt ganz kalt lassen?
Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD) Aiman Mazyek hat in seinem Buch "Was machen Muslime an Weihnachten?" erklärt, wie ein großer Teil der muslimischen Bevölkerung das christliche Weihnachten wahrnimmt. Der Sohn eines Syrers und einer Deutschen, hat als Kind stets bei der Familie seiner Mutter gefeiert und die "Tradition genossen", wie er berichtet. Für ihn gebe es nicht die vielzitierten "zwei Welten"; auch heute schreibe er Weihnachtsgrüße.
Advent als Herausforderung
Die Erfurterin Anita Pulcher musste sich massiv umstellen, wie sie sagt. Die gebürtige Österreicherin konvertierte vor zwölf Jahren vom katholischen Glauben zum Islam. Das gewohnte Fest war weg. Ihr erstes Weihnachtsfest nach dem Glaubenswechsel war für sie "knallhart" und wie eine Probe aufs Exempel. Sie und ihr Mann haben drei Kinder. Der Advent sei jedes Jahr eine Herausforderung. "Wo man hinschaut Christbäume, Kränze und überall Beleuchtung." An Weihnachten haben auch sie - mittlerweile - ihre "kleinen Rituale".
Bei ihnen läuft es nun so: Die Familie - ungefähr 18 Personen - trifft sich bei den Eltern von Vater Peter nahe Paderborn. Alle haben Zeit. "Es sind ja Feiertage." Familie Pulcher nutzt Weihnachten als Familienfest - aber eben ohne christlichen Bezug. Es sei sehr individuell im Hause Pulcher.
Ohne Deko und Plätzchen
Das liege vor allem daran, dass nicht alle die gleiche Religion haben. In der Familie Pulcher gibt es Katholiken, Muslime und Atheisten. Deshalb feiert sie an Weihnachten nicht die Geburt von Jesus. Festtagsschmuck, die typische Musik oder Plätzchen bleiben außen vor. Lediglich ein paar Kerzen werden brennen. Auch einen Gänsebraten gibt es, "trotz Weihnachten".
Für Fatma Gündar ist Weihnachten fast wie Alltag. Die 60-Jährige aus Duisburg ist gut integriert. Weihnachten sei aber immer speziell. Sie ist seit 40 Jahren in Deutschland und arbeitet in der Nachmittagsbetreuung einer Schule. Als Teenagerin kam sie mit ihren sunnitischen Eltern aus der Türkei. 40 mal erlebte sie schon die Festtage in Deutschland. "Um Weihnachten ist es immer dunkel, nass und sehr kalt. Da die Geschäfte geschlossen sind, sei der Kühlschrank auch schon einmal fast "gellend leer gewesen".
Sie sehe dann fern und "vergesse dann manchmal, dass wir den 24. Dezember haben". Im türkischen Fernsehen komme Weihnachten, wenn überhaupt, nur in den Nachrichtensendungen vor. Vom Weihnachten der Christen hat sie, wie sie sagt, wenig Ahnung. "Woher auch? Alle sind bei ihren Familien. Wäre ich wo eingeladen, dann käme ich natürlich." Erwarten könne man eine Einladung zu diesem Familienfest natürlich nicht, so Gündar. Was die christlichen Kirchen feiern, weiß sie aber schon. Dass Weihnachten und Christi Geburt zusammengehöre sei ihr klar - mehr aber auch nicht.
Ruhige Zeit
Die Weihnachtszeit ist für sie und ihre Kinder nicht immer einfach. "Als meine Kinder noch kleiner waren, wollten sie einen Baum und Lichter, so wie sie ihn von ihren Freunden aus dem Kindergarten kannten." Sie antwortete ihren beiden Söhnen, dass solche Traditionen nicht zum Islam gehörten. Die Weihnachtszeit sei für sie und ihre Familie aber letztlich immer eine friedliche und ruhige Zeit. Glaube und Tradition ist Fatma Gündar wichtig - ihr Islam sowieso. "So hat eben jede Religion ihre Feste." Sie müssten aber mehr Frieden vermitteln.
Tassi Tigemas ist Krankenschwester in einem Bonner Krankenhaus. Für sie sei es kein Problem, ihre christlichen Kollegen an Weihnachten zu vertreten. Im Gegenteil: "Ich mache meinen Kollegen gerne diese Freude." Diese hätten dann frei. Es sei ein Geben und Nehmen. Am muslimischen Zuckerfest oder im Ramadan habe dann sie frei und könne feiern. Weihnachten an sich hat Tassi Tigemas gern. Sie sei die erste, die die Station und die Krankenzimmer weihnachtlich dekoriere.
An den Festtagen selbst hilft sie jenen Patienten, die nicht nach Hause können, das Fest auch zu erleben. Sie ist eine Muslima, die christliche Feste schätzt. Wenn Hardliner in ihrer Moschee gegen Weihnachten wettern, gebe sie natürlich "ihren Senf" dazu. "Es geht gar nicht, diese Traditionen auf dem Kieker zu haben." Man sei ja hier integriert. Schließlich glaubten sowohl die Christen als auch die Muslime an das eine, höchste Wesen - für die Christen sei das Gott, für Muslime eben Allah.