Fast wäre der politische Coup perfekt gewesen: Papst Franziskus trifft sich wenige Wochen vor den mit Spannung erwarteten Präsidentschaftswahlen in Kolumbien mit dem aussichtsreichsten Kandidaten der Opposition. Gustavo Petro, ehemaliger Angehöriger der M-19-Guerilla und Präsidentschaftskandidat eines linken Bündnisses, das einen Politikwechsel verspricht, sorgte mit seiner Reise in den Vatikan für Aufregung in dem südamerikanischen Land.
Doch dann teilte ausgerechnet Gustavo Bolivar, einer der engsten Vertrauten und bekanntesten Mitstreiter Petros, ein gefälschtes Foto von dem Treffen via Twitter. Offenbar war er wie viele andere auch auf die Manipulation eines Bildes hereingefallen, das im Original ein Treffen des Papstes mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zeigen soll.
Der kolumbianische Kongressabgeordnete musste daraufhin öffentlich zu Kreuze kriechen: "Entschuldigung für das Foto von Petro mit Papst Franziskus. Ich habe es von einem Portal genommen, von dem ich annahm, dass es ernst gemeint ist", schrieb Bolivar.
Gerüchte um Papstaudienz
Der in Kolumbien enorm populäre Karikaturist Julio Cesar Gonzalez alias "Matador", ein scharfer Kritiker des rechtskonservativen Lagers um Ex-Präsident Alvaro Uribe, ging anschließend hart mit Bolivar ins Gericht: "Gustavo Bolivar könnte nicht idiotischer sein. Jeder wusste, dass das Treffen mit dem Papst nicht auf Fotos oder Videos aufgezeichnet werden würde."
Die rechtsgerichtete Politikerin Maria Fernanda Cabal witterte indes eine großangelegte Strategie und veröffentlichte Bilder von früheren Treffen des Papstes mit Kubas inzwischen verstorbenem Revolutionsführer Fidel Castro, mit Ecuadors Ex-Präsident Rafael Correa und Boliviens Ex-Staatsoberhaupt Evo Morales. Es fehlte nur noch Petro, so Cabal. Dahinter stehe der Versuch, über den Glauben sozialistische Ideologie zu indoktrinieren. Tatsächlich werfen immer mehr konservative lateinamerikanische Politiker dem Papst vor, die Kirche politisch nach links gerückt zu haben.
Rechtskonservative im Umfragetief
Die Aufregung rund um das Treffen zeigt, wie nervös die kolumbianische Rechte derzeit ist. Dem Lager um Ex-Präsident Uribe droht bei den Wahlen der Machtverlust. In allen Umfragen liegt Petro derzeit vorne, auch wenn es zu einer deutlichen Mehrheit nicht reicht.
Der amtierende Präsident Ivan Duque, wie Cabal von der Uribe-Partei Centro Democratico, sah das Treffen etwas gelassener. Er glaube nicht, dass der Papst ein Interesse daran habe, sich in die kolumbianischen Wahlen einzuschalten, so Duque. Auch die konservative Vizepräsidentin Marta Lucia Ramirez erklärte, sie glaube nicht, dass der Papst seine Objektivität verliere.
Ist der Papst parteiisch?
In den kolumbianischen Medien ist jedoch eine Debatte darüber entbrannt, ob der Papst mit einem solchen Treffen unmittelbar vor den Präsidentschaftswahlen seine Neutralitätspflicht verletzt habe. Der kolumbianische Botschafter am Heiligen Stuhl, Jorge Mario Eastman, sagte der Zeitung "El Tiempo", der Papst treffe sich mit den Kandidaten, die diesen Wunsch äußerten. Das rechtskonservative, dem Uribe-Lager nahe stehende Magazin "Semana" kommentierte: "Petro erzielte mit dem Besuch bei Papst Franziskus zehn Tore gegen die anderen Kandidaten."
Stillschweigen über Gespräch
Das Spannende: Über den eigentlichen Inhalt des Treffens ist nichts bekannt. Insgesamt 42 Minuten sollen sich der Papst und Petro unterhalten haben, ein offizielles Foto gibt es nicht. Petro selbst erklärte anschließend, er halte sich an die Absprache der Vertraulichkeit, rief aber dazu auf, die Enzykliken des Papstes "Laudato si" und "Fratelli tutti" zu lesen.
Die erste Runde der Präsidentschaftswahl soll am 29. Mai stattfinden, eine wahrscheinliche Stichwahl im Juni. Vor vier Jahren hatte Petro die Stichwahl gegen Duque knapp verloren und anschließend Vorwürfe des Wahlbetruges erhoben.