DOMRADIO.DE: Was ist bei der Neubesetzung von Professuren in der katholischen Theologie anders ist als bei anderen Fächern?
Prof. Dr. Dirk Ansorge (Vorsitzender des Katholisch-Theologischen Fakultätentages): In der katholischen Theologie hat die Kirche ein Mitspracherecht. Das ist bei anderen Fächern nicht der Fall. Man will dadurch sicherstellen, dass die Kandidatinnen und Kandidaten kirchlich orientiert sind und sich in der Kirche engagieren.
Deswegen ist es so, dass es dort kirchenrechtlich geregelte Verfahren gibt, in denen zunächst der Ortsbischof, bei dem eine Fakultät angesiedelt ist und dann aber auch römische Dikasterien ihre Zustimmung erteilen müssen.
DOMRADIO.DE: Eigentlich sind es staatliche Universitäten. Warum ist so ein Verfahren trotzdem sinnvoll? Wie hat es sich bewährt?
Ansorge: Die Grundlage sind Abkommen zwischen den Staaten, den einzelnen Ländern und den jeweiligen Bistümern, die dann auch wiederum vom Heiligen Stuhl vertreten werden. Auf dieser Grundlage gibt es Staatskirchenrechtsverträge, die eine rechtliche Grundlage für solche Berufungsverhandlungen schaffen.
Das Interesse der Kirche ist vollkommen klar. Sie wollen sicherstellen, dass das, was auf einem Lehrstuhl gelehrt wird, der kirchlichen Tradition der kirchlichen Lehre entspricht.
Das Interesse der staatlichen Fakultäten, der staatlichen Universitäten ist davon zu unterscheiden. Dort geht es zunächst mal um die Qualität der Lehre. Dort geht es darum, dass die Studierenden qualifizierte Professorinnen und Professoren erhalten.
Hier haben wir oft einen gewissen Interessenkonflikt, der in Regensburg auch eine gewisse Zeit lang dauert.
DOMRADIO.DE: Diese Berufungsverfahren können sich manchmal ziemlich in die Länge ziehen, zum Beispiel im Fach "Christliche Sozialethik" an der Uni Regensburg. Da steht die Entscheidung seit 2020 aus, also seit vier Jahren, weil dieses "Nihil obstat", diese Erklärung fehlt. Bereitet Ihnen das Sorge?
Ansorge: Selbstverständlich bereitet mir das Sorge, weil ich zunächst an die Studierenden denke, die seit einer gewissen Zeit in diesem Fach nicht unterrichtet werden. Es bereitet mir aber auch mit Blick auf die Kandidatinnen und Kandidaten Sorge, die sich seit mehreren Jahren in der Warteschleife befinden und sich die Frage stellen, ob sie sich an einer anderen Universität bewerben können.
Ich würde mir eine schnelle Besetzung wünschen, zumal auch nur so klar ist, dass die Breite der Fächer, die an einer katholisch-theologischen Fakultät gelehrt wird, ein wichtiges Element der katholischen Theologie ist.
DOMRADIO.DE: Diese Dauer, die manchmal auf sehr intransparenten Gründen fußt, ist ein Kritikpunkt. Was müsste sich denn ändern?
Ansorge: Mir scheint, dass gerade mit Blick auf Regensburg derzeit zwei unterschiedliche Kriterien miteinander in einen Konflikt geraten sind. Der Bischof von Regensburg hat aus nachvollziehbaren Gründen argumentiert, er wünsche sich eine höhere Zahl an Priestern in der Fakultät. Aber die Bewerberinnen und Bewerber auf den von Ihnen erwähnten Lehrstuhl für Christliche Gesellschaftslehre sind eben keine Priester. Das Interesse des Bischofs ist insofern klar.
Auf der anderen Seite ist es das Interesse der Studierenden oder der Bewerberinnen und Bewerber möglichst schnell eine Zusage oder Absage zu erhalten. Da ist es im Augenblick sehr schwierig, zu einem gemeinsamen Gespräch zwischen Bischof und Fakultät zu kommen, um hier zu einer schnellen Lösung zu gelangen.
Normalerweise dauern Verfahren nicht so lang. Wenn das dann auch noch in einer Erstberufung über Rom geht, kann so etwas in wenigen Monaten entschieden sein. Hier handelt es sich um einen Ausnahmefall, der durch das Interesse des Bischofs, eine höhere Priesterzahl an der Fakultät lehren zu wissen, verursacht ist.
DOMRADIO.DE: Das heißt, in der Praxis kann, wie in dem Fall von Bischof Rudolf Voderholzer, ein einzelner Mann bestimmen, ein solches Verfahren zu blockieren?
Ansorge: Der Bischof eröffnet das Verfahren oder die Verfahren. Wenn er das nicht tut, dann braucht es eben eine gewisse Zeit. Es gibt hier natürlich die Möglichkeit, dass die Staatsregierung – was die bayerische Staatsregierung auch getan hat – den Bischof sozusagen ermahnt, dort tätig zu werden. Die Regierung weist auch darauf hin, dass im akademischen Bereich nicht zunächst die Frage des Lebensstandards eine Rolle spielt, sondern die wissenschaftliche Qualifikation.
Aber rechtlich ist es so, dass der Bischof die Verfahren eröffnet oder eben nicht.
DOMRADIO.DE: Dem Bischof geht es um die Priesterquote. Ist das in Zeiten von Priestermangel und Nachwuchsmangel noch zeitgemäß und überhaupt realistisch für die Zukunft?
Ansorge: In den gesetzlichen Regelungen, vor allem in dem päpstlichen Schreiben "Veritatis Gaudium", ist von einer angemessenen Zahl von Priestern an den Fakultäten die Rede. Jetzt kann man sich darüber streiten, was angemessene Zahl heißt.
Ich persönlich bin der Auffassung, dass es einer Fakultät wirklich gut ansteht, unterschiedliche Lebenssituationen, Lebensstände und unterschiedliche Geschlechter in ihrem Lehrkörper zu haben. Dazu gehören dann auch Priester. Wenn ein Bischof diesen Begriff der angemessene Zahl in der Weise auslegt, dass ihm ein, zwei Priester zu wenig sind, dann kommt es eben zu diesem Konflikt.
Hier bedarf es einer langfristigen strategischen Planung. Dazu gehört auch, dass hinreichend Priester für ein akademisches Studium, für die akademische Lehre freigestellt werden.
Und da haben Sie natürlich vollkommen recht. Dort liegt in Zeiten des Priestermangels auch bei den Bischöfen eine große Last. Wo bekommen die akademisch und fachlich qualifizierten Priester her, die sich dann auf diesen Weg zur akademischen Lehre begeben können? Da sind die Bischöfe in der Pflicht, dem Priester den Vorzug zu geben.
Ich halte das aber auch als Vorsitzender des Fakultätentages für hochgefährlich. Denn das führt natürlich dann dazu, dass das Renommee der katholisch-theologischen Fakultäten an den Universitäten nicht gehalten werden kann. Dann sagt man, dass Menschen nicht wegen ihrer Qualifikation berufen werden, sondern weil sie Priester sind. Das können wir uns wirklich nicht leisten.
Das Interview führte Elena Hong.