"Das Bewusstsein für unsere Demokratie, für Rechtsstaat und für unsere europäischen Werte ist nicht länger mehr Garant für den Bestand unserer Demokratie, wenn nationalistische Parteien und Regierungen in vielen europäischen Ländern in genau diesem rassistischen Nationalismus bestätigt werden", betonte am Freitag der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose.
Seit langem schon sei zu beobachten, "wie sich der Hass gegen Sinti und Roma, gegen Juden und andere Minderheiten immer mehr verbreitet", erklärte Rose. Der 2. August erinnert an die letzten 4.300 Sinti und Roma, die in dieser Nacht in den Gaskammern von Auschwitz-Birkenau ermordet wurden. Er steht zudem symbolisch für mehr als 20.000 Sinti und Roma, die in Auschwitz ermordet wurden, sowie für über 500.000 Sinti und Roma, die in dem von den Nazis besetzten Europa Opfer des Holocaust wurden.
"Zu häufig eine unerwünschte Minderheit"
Am Sonntag will eine hochrangige Delegation aus Deutschland an einer Gedenkfeier in der KZ-Gedenkstätte Auschwitz teilnehmen. Die Gruppe, die auch an die Schoah erinnern will, wird neben Rose geleitet vom Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, sowie dem Ratsvorsitzenden und der Synodenpräses der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm und Irmgard Schwaetzer. In diesem Jahr ist die Gedenkveranstaltung auch virtuell geplant.
Der "Neuen Westfälischen" sagte Rose, die AfD versuche, "völkisches Gedankengut hoffähig zu machen". Die Partei jongliere "mit Geschichte und Sprache". Das zeige sich etwa in einer Glorifizierung der Wehrmacht und der Forderung nach einer erinnerungspolitischen Wende um 180 Grad. Rose würdigte die Erinnerungskultur in Deutschland. Es gebe aber noch immer einen grassierenden Antiziganismus. Sinti und Roma seien "zu häufig eine unerwünschte Minderheit".
Der Zentralrat zitierte außerdem aus einer Grußbotschaft von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble: "Aus der Erfahrung des Holocaust leitet sich die Selbstverpflichtung unseres Staates ab, die Würde jedes Menschen zu wahren und zu schützen." EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen betonte, Europa stehe in der Pflicht, Minderheiten zu schützen.
Gedenktag solle genutzt werden
Der Jüdische Weltkongress (WJC) erinnerte daran, dass die Verbrechen gegen Sinti und Roma lange als "der vergessene Holocaust" bezeichnet worden seien. Das "andauernde Fehlen von breitgefächerter Erinnerung an diese Verbrechen" zeige eine "fortgesetzte Diskriminierung von Sinti und Roma in Europa", so WJC-Präsident Ronald Lauder.
Der UN-Sonderbeauftragte für Minderheiten, Fernand de Varennes, hatte am Donnerstag erklärt, der Gedenktag solle genutzt werden, um die Opfer wieder verstärkt in die öffentliche Wahrnehmung zu bringen. "Entmenschlichung und Verleumdung der Roma, die in der Vergangenheit zu solchen Gräueltaten geführt haben, darf nicht in anderer Gestalt fortbestehen, etwa durch Volksverhetzung in Sozialen Medien."
Die Gesellschaft für bedrohte Völker erklärte, Rassismus gegenüber Sinti und Roma sei nicht nur ein Problem in Deutschland, sondern in der gesamten EU und den Beitrittsländern auf dem West-Balkan.