Wie steht es um die katholische Kirche in den USA?

"Die ein oder andere Seilschaft, die sich gegenseitig deckt"

Die katholische Kirche in den USA kommt nicht zur Ruhe. Bischöfe stehen in der Kritik, aktuell wird gegen Bischof Nicholas DiMarzio wegen Missbrauchs ermittelt. Der Journalist und USA-Kenner Klaus Prömpers ordnet die turbulenten Ereignisse ein. 

Kreuz auf us-amerikanischer Flagge / © Victor Moussa (shutterstock)
Kreuz auf us-amerikanischer Flagge / © Victor Moussa ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Ist der Bischof von Brooklyn, Nicholas DiMarzio, gegen den wegen Missbrauchs ermittelt wird, in den USA sehr bekannt?

Klaus Prömpers (Journalist und USA-Kenner): In dem größeren Umfeld von New Jersey, im Nordosten der USA, ist er sehr bekannt. Auch darüber hinaus, weil er im Grunde ein sehr starker Befürworter einer ordentlichen und geordneten Migrationspolitik und er immer mal wieder auch gegen Präsident Trump und dessen Migrationspolitik aufgetreten ist. Er hat sich im Auftrag vieler Bischöfe häufiger zu Wort gemeldet.

Nun ereilt ihn ein Vorfall, der angeblich mindestens 40 Jahre zurückliegt und der umstritten ist. Ein angebliches Opfer von damals – ein damals elfjähriger Messdiener – hat ausgesagt, der damalige Pfarrer einer Gemeinde in New Jersey habe ihn gemeinsam mit einem anderen Priester mehrfach sexuell belästigt, so ein Anwalt. Der Anwalt will auf 20 Millionen Schadensersatz klagen. Das alles ist überaus misslich.

DOMRADIO.DE: Bischof DiMarzio wurde von Kardinal McCarrick zum Bischof geweiht. McCarrick hat wiederum im vergangenen Jahr alle priesterlichen Ämter wegen sexuellen Missbrauchs abgegeben. Das ist pikant, und es hört sich nach verbrecherischen Seilschaften an. Wie verfilzt ist die Kirche in den USA oder ist das jetzt zu hart gefragt?

Prömpers: Nein, das kann man durchaus fragen. Diese Frage stellt sich ja nicht nur in Deutschland, sondern auch bei den Gläubigen in den USA. Die Entwicklung der letzten Monate, der letzten Jahre, zeigt, dass schon die eine oder andere Seilschaft besteht, die sich gegenseitig deckt. Das muss nun nicht unbedingt heißen, dass Kardinal McCarrick, der im Sommer letzten Jahres vom Vatikan aus sämtlichen priesterlichen Ämtern entlassen worden ist – und nicht freiwillig aufgegeben hat – in einer Seilschaft mit dem jetzt in Rede stehenden Bischof von Brooklyn steht. Aber es gibt eine Fronde der Vertuscher.

Die ersten Vorfälle kamen schon 2002 in Boston ans Licht, und danach dachte man bereits: Jetzt geht ein Ruck durch die Kirche. Der Ruck geht aber erst wirklich durch die Kirche, seitdem der Papst die neuen Richtlinien erlassen hat, die ja auch eine Übergabe von Fällen an die zivile Staatsanwaltschaft beinhalten. Im Grunde ist das der Auslöser der bevorstehenden Klage und der Untersuchung, die kirchenintern bevorsteht. Der Witz der Geschichte, muss man fast sagen, ist, dass Bischof DiMarcio gerade beauftragt worden war, den Bischof von Buffalo im Bundesstaat New York, Richard Malone, zu untersuchen. Der ist mittlerweile am 14. Dezember im Vatikan gewesen und hat seine Ämter niedergelegt. Jetzt ist ein Koadjutor in seiner Diözese eingesetzt worden. Ihm wurde ebenfalls Vertuschung vorgeworfen. Aber der Vorwurf gegen DiMarzio geht im Grunde weiter.

DiMarzio hat bereits explizit erklärt - ich zitiere aus dem, was er gesagt hat: "Ich lehne diese Vorwürfe mit Nachdruck ab." Und dass er zuversichtlich sei, dass die Ermittlungen seine Sicht bestätigen. Man wird abwarten müssen, wie jetzt reagiert wird. Wenn Kardinal Dolan, in seiner Funktion als Erzbischof von New York - dem auch Brooklyn als Diözese untersteht - sozusagen sein Vorgesetzter, jetzt die Ermittlungen eingeleitet hat, wird sich zeigen, was tatsächlich dahinter steht. 

DOMRADIO.DE: Die Missbrauchsklage in den USA ist mit einer Schmerzensgeldforderung verbunden. Wenn ihr stattgegeben wird, wird sie die amerikanische Kirche hart treffen. Wir müssen also auch über Geld sprechen. Wie hoch ist die Summe, die gefordert wird?

Prömpers: Der Anwalt behauptet, 20 Millionen fordern zu wollen. In der Regel wird man nicht ganz so viel kriegen, aber man muss daran erinnern, dass in den USA mittlerweile schon so viele Klagen gegen die Kirche erfolgreich abgewickelt worden sind, dass mittlerweile ein Millionen-Betrag in dreistelliger Höhe an Opfer geflossen ist. Das ist im Grunde kaum vorstellbar.

Aber die Verhältnisse in den USA sind ganz anders, wenn es um Schmerzensgeld geht als bei uns in Europa, speziell in Deutschland. Insofern, da kommt immer noch eine Welle an Klagen und Schmerzensgeldforderungen auf die Kirche zu. Eine Welle, die auch manche Diözesen schon an den Rand des Konkurses oder ganz in die Pleite getrieben hat, in eine Pleite, aus der man - wie bei manchen Firmen auch - wieder herauskommen kann, aber dennoch harte Einschnitte erfordert.

DOMRADIO.DE: Die katholische Kirche in den USA erlebt also eine erschütternde Krise. Wie schätzen Sie die Situation ein - wie wird die Kirche in den USA diese Krise überstehen können?

Prömpers: Die letzten zwei Bischofskonferenzen haben gezeigt, dass die Mehrheit der Bischöfe den neuen Kurs von Papst Franziskus unterstützt, sprich: totale Offenheit, Offenlegung aller Tatbestände und Akten. Und dass diese Akten auch an die Staatsanwaltschaft abgegeben werden, wenn sie tatsächlich angeben, dass Missbrauch von dem ein oder anderen Priester begangen worden ist - egal in welchem Rang er amtiert, sei es als Bischof, sei es als Kardinal.  

Die Kirche unterstützt Bemühungen in jenen Bundesstaaten der USA, die bisher kurze Verjährungsfristen haben, dass diese Verjährungsfristen aufgehoben werden. Sie bemüht sich um Offenheit und Transparenz in fast allen Diözesen. Und das kann vielleicht ein wenig das vergangene Vertrauen wieder zurückbringen. Allerdings muss man auch sagen: Die Kirche hat dadurch auch viele Mitglieder verloren.

Das Gespräch führte Katharina Geiger. 


Nicholas DiMarzio, Bischof von Brooklyn / © Gregory A. Shemitz (KNA)
Nicholas DiMarzio, Bischof von Brooklyn / © Gregory A. Shemitz ( KNA )

Ex-Kardinal Theodore E. McCarrick / © Bob Roller (KNA)
Ex-Kardinal Theodore E. McCarrick / © Bob Roller ( KNA )

Kardinal Timothy M. Dolan, Erzbischof von New York / © Paul Haring (KNA)
Kardinal Timothy M. Dolan, Erzbischof von New York / © Paul Haring ( KNA )

Richard Malone, Bischof von Buffalo / © Tyler Orsburn (KNA)
Richard Malone, Bischof von Buffalo / © Tyler Orsburn ( KNA )
Quelle:
DR
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