"Ärzte ohne Grenzen" zufolge spitzt sich die Lage für die Flüchtlinge in der Region zu. Im überfüllten Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos seien bei Schnee und Regen viele Zelte eingebrochen, sagte der Geschäftsführer der deutschen Sektion des Hilfswerks, Florian Westphal, im WDR-Radio. Viele Menschen seien nun nahezu ungeschützt der Witterung ausgesetzt. Die griechischen Behörden, aber auch die EU hätten es versäumt, die Flüchtlingslager rechtzeitig auf den Winter vorzubereiten.
"Save the Children" warnte davor, dass die Kältewelle vor allem für Kinder und neugeborene Babys lebensgefährlich werden kann. Auf dem griechischen Festland und auf den Inseln lebten Tausende Asylsuchende in unbeheizten Lagerhallen, erklärte die Organisation. Das Abkommen zwischen der EU und der Türkei hindere rund 16.000 Menschen, die weiterhin auf den griechischen Inseln feststeckten, an der Weiterreise.
"Situation teils lebensbedrohlich"
Der Wintereinbruch sei "teils lebensbedrohlich, insbesondere wenn Unterkünfte nicht ausreichend befestigt sind", sagte Cornelia Füllkrug-Weitzel, Präsidentin der Diakonie Katastrophenhilfe. Auf Lesbos könnte es noch Tage dauern, bis alle Menschen ein richtiges Winterquartier bezogen haben. "Nach Informationen von den griechischen Behörden wird erwartet, dass alle dortigen Migranten innerhalb der nächsten Tage unter winterfesten Bedingungen untergebracht sind", sagte eine Sprecherin der EU-Kommission dem Evangelischen Pressedienst (epd). Auf Lesbos befindet sich der größte der sogenannten EU-Hotspots für Flüchtlinge in Griechenland.
Zugleich verwies die EU auf weitere Schritte der griechischen Behörden. Ein Teil der Asylbewerber werde von den Inseln auf das Festland gebracht, wo die Lage demnach insgesamt besser ist: 31 von 36 Lagern seien vollkommen winterfest. Generell würden Migranten in Hotels und Wohnungen untergebracht und ein Marineschiff mit 500 Plätzen sei ausgelaufen, erklärte die EU-Sprecherin.
EU sieht Verantwortung bei Griechenland
Die EU-Kommission wies auf die Verantwortung der griechischen Behörden bei der Versorgung der Flüchtlinge hin. Zudem äußerte sie sich erneut besorgt über die Aufnahmestandards in Griechenland. Tatsächlich liegt die Hauptverantwortung für Migranten bei den jeweiligen Regierungen. Allerdings war Griechenland in der Vergangenheit immer wieder von den zahlreichen Flüchtlingen überfordert.
Dessen ungeachtet hat Athen nach Angaben des Bundesinnenministeriums Hilfsangebote aus Deutschland wiederholt abgelehnt. Zuletzt habe Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) im Dezember seinem griechischen Amtskollegen Unterstützung bei der Unterbringung der Flüchtlinge in Griechenland angeboten, sagte ein Sprecher. Eine entsprechende Anfrage aus Athen sei seither nicht erfolgt. Die EU-Sprecherin in Brüssel erklärte, dass ihre Behörde den Griechen weitere Hilfsgelder für die Unterbringung von Flüchtlingen anbietet.
Laut Bundesinnenministerium könnten Asylsuchende nach dem 15. März wieder nach Griechenland zurücküberstellt werden. Damit folgt die Bundesregierung einer Empfehlung der EU-Kommission vom Dezember 2016. Demnach könnten Überstellungen nach Griechenland unter engen Voraussetzungen wieder aufgenommen werden. Die Empfehlung bezieht sich auf Neuankömmlinge.
Erzbischof beklagt Situaton von Kindern und Müttern
Auch aus Serbien melden Hilfsorganisationen eine angespannte Situation. Allein in der Hauptstadt Belgrad schliefen trotz des Winterwetters mehr als 1.200 Flüchtlinge unter freiem Himmel, teilte SOS-Kinderdörfer Serbien auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur mit. Insgesamt halten sich nach offiziellen Angaben rund 7.200 Flüchtlinge im Land auf, etwa 82 Prozent in den 16 staatlichen Auffangzentren.
Der Erzbischof von Belgrad, Stanislav Hocevar, prangerte am Donnerstag besonders die Situation von Jugendlichen und Müttern mit Kindern in den behelfmäßigen Lagern in Belgrad an. Hilfswerke wie die Caritas versorgten sie und auch viele Einheimische, die durch Schnee und Eis von der Außenwelt abgeschnitten seien, sagte er dem österreichischen Pressedienst Kathpress. Viele hätten weder Wasser noch Strom. Am dramatischsten sei die Lage an der serbischen Grenze zu Ungarn: Viele Flüchtlinge campierten dort im Freien und versuchten, illegal in die EU zu gelangen.
Laut SOS-Kinderdörfer hatte die serbische Regierung Hilfsorganisationen im November aufgefordert, Flüchtlinge, die sich in behelfmäßigen Lagern rund um Belgrad aufhielten, nicht länger zu unterstützen und sie stattdessen zu ermutigen, sich in die offiziellen Aufnahmezentren zu begeben. In der vergangenen Woche habe die Organisation in Zusammenarbeit mit den Behörden 25 unbegleitete Minderjährige und 30 Familien in die entsprechenden Camps geschickt.
"Kleinste und Schwächste besonders bedroht"
Auch die Hilfsorganisation Care mahnte, Flüchtlinge auf dem Balkan und in Griechenland benötigten bei Minusgraden und Eiseskälte dringend Unterstützung. "Die Gesundheit geflohener Menschen, gerade der Kleinsten und Schwächsten, ist von Schnee und Kälte akut bedroht", betonte Sumka Bucan, Balkan-Regionaldirektorin von Care. "Wir sprechen hier von Menschen, die bereits alles verloren haben. Sie haben keine Mittel, um sich vor Temperaturen von minus zehn Grad, starken Winden und Schneefall zu schützen."
Nach Angaben der Hilfsorganisation Help Refugees UK starben in der EU in den vergangenen drei Wochen drei Migranten aufgrund von Unterkühlung: Ein Afghane in Nordgriechenland sowie zwei Iraker im Südosten von Bulgarien. Offizielle Angaben über Todesopfer infolge von Unterkühlung gibt es nicht. Laut SOS-Kinderdörfer mieden Einheimische etwa in der Region um die Stadt Subotica derzeit jedoch Waldgebiete und landwirtschaftliche Flächen aus Angst, auf Leichen zu stoßen.