DOMRADIO.DE: Wenn Sie sagen, das gemeinsame Haus brennt, nehmen Sie Bezug auf die aktuelle Brandkatastrophe im Amazonas, oder?
Pfarrer Helmut Schüller (Pfarrer in Probstdorf in der Erzdiözese Wien, Obmann und Sprecher der Pfarrer-Initiative): Ja, natürlich. Die Amazonas-Synode, der Zustand des Amazonas - das alles binden wir zusammen. Auf der Synode, die der Papst mit den Bischöfen des Amazonas-Gebietes im kommenden Oktober halten wird, wird dieses Thema auch ganz zentral sein. Und ich glaube, er sieht mit den Bischöfen zusammen auch, dass die Lebendigkeit der Gemeinden für ein Wirksamwerden der Kirche auf diesem Gebiet wichtig ist.
Deshalb werden wohl auch einige der lateinamerikanischen Bischöfe auf der Synode vorschlagen, doch das Priesteramt zu öffnen, damit Gemeinden gut und lebendig geleitet werden können. Wie der Vorschlag behandelt wird, was daraus hervorgeht, das wissen wir nicht. Aber das hängt für mich alles eng zusammen. Denn die Kirche lebt an der Basis in den Gemeinden. Dort bekommt das Füße und Hände, was in den großen Erklärungen gesagt wird - auch beim Klimaschutz.
DOMRADIO.DE: Welche Rolle nimmt dabei die katholische Kirche denn ein? Immer wieder haben Priester, Bischöfe und der Papst zur gemeinsamen Verantwortung für die Schöpfung aufgerufen. War das bisher aus Ihrer Sicht wirksam?
Schüller: Wie alle Aufrufe- beschränkt wirksam. Dabei hätten die Katholiken seit tausenden Jahren schon ihr Glaubensbekenntnis: "Ich glaube an Gott, den Schöpfer des Himmels und der Erde". Dann kann man nicht sagen, die Schöpfung ist mir aber egal. So hat es aber leider das Christentum über lange Jahrhunderte gehandhabt.
Man muss ganz ehrlich zugestehen, dass die jetzige Bewegung zugunsten eines Lebewesen-freundlichen Klimas auf der Erde auch nicht aus dem Herzen der Kirche kommt und schon gar nicht von oben. Sondern sie ist gesellschaftlich entstanden. Die Kirche sucht jetzt Gott sei Dank Anschluss und möchte mitmachen. Aber da hat es auch über Jahrhunderte viel Schläfrigkeit gegeben. Die Christen hätten vorangehen können. Aber jetzt ist es soweit. Der Papst geht uns voran mit seinem "Laudato si"-Schreiben. Die Amazonas-Bischöfe kämpfen seit Jahrzehnten zu diesem Thema.
DOMRADIO.DE: In Österreich wurde gerade ein Klima-Volksbegehren auf den Weg gebracht. Abgestimmt wird voraussichtlich im Frühjahr. Und es soll unter anderem um den Ausstieg aus der Kohle und die Verankerung des Klimaschutzes in der Verfassung gehen. Ruft Kirche in Österreich offiziell dazu auf, sich daran zu beteiligen?
Schüller: Ich weiß nicht, ob die Bischofskonferenz dazu aufrufen wird. Ich bin ganz sicher, dass die Katholische Aktion - das ist die größte österreichische katholische Laien-Organisation - sich auf jeden Fall dahinter stellen wird. Wir als Kirchenreformbewegung haben uns gerade erst wieder einmal dahinter gestellt. In den Gemeinden ist es auch ganz wichtig, dass dort die Katholiken und Katholikinnen angeregt werden, das zu unterstützen.
DOMRADIO.DE: Wie können die Gemeinden denn Übungsfelder für die Entwicklung neuer ökologischer Lebensweisen sein?
Schüller: Ich glaube, dass in dieser Frage auch niemand alleine sein sollte. Allein Lebensstile zu ändern, ist oft recht schwierig. Man braucht Gesinnungsgemeinschaften, man braucht Austausch-Foren. Man braucht auch Wissen dafür. Und ich glaube, Gemeinden sind gute Orte der Bildung, gute Orte der Gemeinschaft, gute Orte des gemeinsamen Übens. Zum Beispiel können Pfarrgemeinden im Einkauf, bei der Mobilität ihre Gewohnheiten verändert, indem sie auf kleinste Dinge Acht geben, die aber große Wirkung haben können. Und einzelne Gemeindemitglieder ermuntern, das im privaten, persönlichen, familiären Bereich ihrer Mitmenschen auch so zu machen. Gemeinden haben da eine riesige Chance.
DOMRADIO.DE: Warum sollte sich aus Ihrer Sicht jeder Katholik um den Klimaschutz sorgen?
Schüller: Weil es im Kern seines Glaubens liegt. Uns ist die Erde anvertraut. Es ist uns die Schöpfung anvertraut. Wir sind darauf ausgerichtet, gerecht zu leben, die Menschenwürde aller zu beachten und zu fördern. Es steht in der Grund-DNA des Christseins, sich um diese Dinge massiv zu kümmern und sie zu praktizieren. Daher kann das "ob" gar keine Frage sein. Das ist keine Option. Das ist ein Auftrag.
Das Interview führte Dagmar Peters.