Katholische Unternehmer für kluge und schrittweise Lockerung

"Wir hängen alle voneinander ab"

Der Bund Katholischer Unternehmer tritt für eine intelligente Wiederbelebung des öffentlichen Lebens ein. Wenn Regeln für Schulen möglich seien, müssten sie auch in der Wirtschaft umgesetzt werden, sagt der Vorsitzende Ulrich Hemel.

Symbolbild: Auf dem Weg zur Arbeit / © Nick Starichenko (shutterstock)
Symbolbild: Auf dem Weg zur Arbeit / © Nick Starichenko ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Wie sehen Sie denn diese Empfehlungen der Leopoldina, die Schulen möglichst schnell wieder zu öffnen?

Prof. Dr. Dr. Ulrich Hemel (Vorsitzender des Bundes Katholischer Unternehmer / BKU): Zuerst einmal sind die Empfehlungen ja von einem Gremium aus ganz unterschiedlichen Disziplinen entstanden und von Leuten, die sich wirklich intensiv Gedanken gemacht haben. Deswegen habe ich erst mal eine sehr grundsätzlich positive Einschätzung zu diesen Empfehlungen.

Die Frage mit den Schulen kann man natürlich kontrovers diskutieren. Nur hängen wir alle hängen ja voneinander ab und haben Kontakt miteinander, nicht nur im persönlichen, sondern auch im beruflichen Leben. Menschen, die Kinder zur Schule schicken, haben ja auch eine Arbeit und nehmen am Wirtschaftsleben teil. Es muss weitergehen. Und wenn es in den Schulen möglich ist, eine Abstandsregelung zu finden, dann sollte man diesen Schritt tatsächlich gehen.

DOMRADIO.DE: Es gibt auch Stimmen, die sagen, es sei viel zu früh, über eine Lockerung nachzudenken. Sie warnen vor einem Rückfall. Was passiert, wenn wir ein zweites Mal zur Situation zurückkehren müssen, die jetzt herrscht?

Hemel: Ich finde, wir sollten realistisch sein. Nach aller Wahrscheinlichkeit ist eine zweite Welle so gut wie unausweichlich. Das ist die scheinbar pessimistische Prognose, aber es zeigt sich doch bereits jetzt. Beispielsweise in Singapur – wo man gemeint hat, man hat es im Griff – kommt jetzt gerade eine zweite Welle.

Das heißt, wir sollten uns auch als Öffentlichkeit darauf einstellen, dass das noch lange nicht vorüber ist und es eine zweite und wahrscheinlich auch eine dritte Welle geben wird. Nur solange können wir das Leben nicht still halten. Das überstehen wir einfach wirtschaftlich nicht.

Auch gesundheitlich überstehen wir es nicht. Bereits heute gehen viele Menschen nicht in Krankenhäuser, die dringend behandelt werden müssen. Bereits heute leiden sehr viele Menschen an richtigen Existenzängsten und haben wirklich Sorgen, sie entwickeln auch psychische Auffälligkeiten. Das kann man geringschätzen, aber es ist schon eine sehr, sehr ernsthafte Situation, die ein sehr kluges Abwägen zwischen den Bedürfnissen nach Gesundheitssicherung und nach ordentlichem Wirtschaften verlangt.

DOMRADIO.DE: Geschlossen sind auch Kirchen, Synagogen und Moscheen für öffentliche Gottesdienste. Wie lange soll das so bleiben? Können Hygieneregeln in der Kirche gut umgesetzt werden?

Hemel: Ich finde, sie können gut umgesetzt werden. Das ist eine Aufgabe für alle Beteiligten. Man kann zwischen Kirchenbänken Platz lassen und die Abstandsregel durchaus realisieren. Auch hier, denke ich, sollten wir über eine kluge, schrittweise Lockerung diskutieren.

DOMRADIO.DE: Sie treten für eine intelligente Wiederbelebung des öffentlichen Lebens und der Wirtschaft ein. Welche Maßnahmen empfehlen Sie denn langfristig, damit das überhaupt möglich ist?

Hemel: Das allererste und wichtigste ist diese Abstandsregel. Darauf haben sich die Menschen in der Zwischenzeit eingestellt. Das zweite ist der Selbstschutz, beispielsweise durch Schutzmasken. Auch das ist in der Zwischenzeit überall anerkannt.

Das dritte ist die Beachtung von Hygieneregeln. Natürlich ist es ein Kulturwandel, wenn wir als Deutsche uns früher immer die Hände gegeben haben, uns geöffnet haben für den mediterranen Bereich und uns mit Umarmung und Kuss begrüßt haben. Das hat sich geändert und wird auch erstmal so bleiben. Das sind aber zumutbare Möglichkeiten, die es uns ermöglichen sollten, schrittweise unseren Alltag wieder zu gewinnen.

DOMRADIO.DE: Wie groß sind Ihre Sorgen mit Blick auf die Wirtschaft?

Hemel: Riesig, denn das wird fast immer unterschätzt. Viele Menschen verstehen bis heute nicht, dass das Geld, das am Anfang des Monats auf ihrem Konto landet, irgendwo erwirtschaftet werden muss. Gleich, ob es zunächst vom Staat kommt, von sonstwoher oder von einem privaten Unternehmen. Es muss erwirtschaftet werden.

Wir werden so oder so in eine gewaltige Wirtschaftskrise hineinlaufen. Denn auch die Konsumneigung wird ja nicht dadurch größer werden, dass Millionen von Menschen Kurzarbeitergeld beziehen und Millionen von Solo-Selbstständigen keine Einkünfte haben. Da ist das, was wir an Hilfspaketen haben, einerseits gigantisch, andererseits ein Tropfen auf dem heißen Stein. Anders gesagt: Der Staat kann viel, aber er kann nicht alles. 

Das interview führte Julia Reck.


Prof. Ulrich Hemel / © BKU (BKU)
Prof. Ulrich Hemel / © BKU ( BKU )

Leopoldina: Schulen wieder öffnen / © Armin Weigel (dpa)
Leopoldina: Schulen wieder öffnen / © Armin Weigel ( dpa )
Quelle:
DR