DOMRADIO.DE: Sie sagen, der Black Friday sei zum Symbol dieses Konsumwahnsinns geworden. Was genau ist das Problem an diesem Konsumwahnsinn?
Marcelo Crescenti (Leiter Öffentlichkeitsarbeit von Fairtrade Deutschland (TransFair e.V.)): Konsum per se ist natürlich nicht verwerflich. Wir müssen Dinge kaufen. Das Problem ist, dass Aktionen wie Black Friday dazu verführen, mehr zu kaufen und vielleicht auch Dinge, die wir gar nicht brauchen. Das ist dann Konsumismus statt Konsum.
In unserem Alltag achten wir auf Nachhaltigkeit, viele Leute machen sich Gedanken über Plastik, Regionalität oder Fairness. Und dann kommt so eine Aktion wie Black Friday und hebelt das aus und wir werden gewissermaßen zu Schnäppchen-Zombies. Wir mutieren dann und werden von diesen ganzen Aktionen angeregt, einfach mehr zu kaufen. Und das ist Wahnsinn.
DOMRADIO.DE: Es gibt ja sogar billige T-Shirts, die kosten weniger als ein Espresso. Was lässt sich daraus auf den Arbeitsalltag der Näherin schließen?
Crescenti: Das ist genau das, worauf man achten muss. Die Frage, die man sich stellen muss, ist: Warum ist eigentlich ein Produkt so billig? Warum ist ein T-Shirt zum Beispiel so super billig? Das geht immer auf Kosten der Menschen, die am Anfang der Lieferketten steht. Das ist nun mal so.
Man muss sich ja bewusst machen: Hinter jedem Produkt gibt es Ressourcen. Hinter dem T-Shirt stehen zum Beispiel Baumwolle, viel Wasser, Energie. Und Ressourcen werden bekanntlich immer knapper. Und es gibt die Menschen, die in Fabriken arbeiten. Bei einem T-Shirt oder bei Textilien sind das Näherinnen in fernen Ländern wie Bangladesch oder Indien. Und da gibt es ganz viele Probleme - zum Beispiel schlechte Arbeitsbedingungen, teilweise Hungerlöhne. Das muss man bedenken.
Ich will jetzt niemandem ein schlechtes Gewissen machen, aber es wäre schon gut, wenn man bewusster mit dem Thema umgeht und bewusster einkaufen geht.
DOMRADIO.DE: Ab 2023 tritt ja hier in Deutschland das Lieferkettengesetz in Kraft. Unternehmen in Deutschland sollen dann dazu verpflichtet sein, für die Einhaltung von sozialen und auch von ökologischen Mindeststandards zu sorgen. Das ist doch schonmal ein Schritt in die richtige Richtung. Reicht das?
Crescenti: Es ist schonmal ein Schritt in die richtige Richtung und wir begrüßen als Fairtrade natürlich auch, dass die neue Bundesregierung sich dazu bekennt und auch zum kommenden EU-Lieferkettengesetz. Aber es gibt aus unserer Sicht zwei Dinge, die nachgebessert werden müssen: Es müssen zum einen existenzsichernde Löhne festgeschrieben werden. Denn die Mehrkosten, die durch das Gesetz entstehen, werden sonst auf Produzenten abgewälzt. Und das darf nicht sein. Und die Unternehmen, die das Gesetz nicht respektieren, müssen tatsächlich zivilrechtlich dafür belangt werden können. Das wäre schön, wenn das noch mal nachgebessert wird.
DOMRADIO.DE: Es gibt ja auch schon eine Gegenbewegung zum Black Friday, nämlich den Kauf-nix-Tag. Da soll 24 Stunden lang nichts gekauft werden. Was kann das denn bringen? Dann kaufe ich eben später.
Crescenti: Jeder soll damit umgehen, wie er mag. Es sollte nur bewusst geschehen. Ich könnte natürlich jetzt sagen: Kauft Fairtrade, dann ist alles gut. Das ist sicherlich eine Lösung für nachhaltigen Konsum. Das reicht aber noch nicht. Es geht wirklich darum, bewusster einzukaufen und sich zu fragen: Was brauche ich wirklich? Kann ich vielleicht etwas Gebrauchtes kaufen? Kann ich etwas kaufen, das vielleicht fair produziert ist? Darum geht es. Das muss sich jeder als Käufer und als Mensch einfach bewusst machen.
DOMRADIO.DE: Es gibt ja auch diejenigen, auch hier bei uns, die jeden Euro dreimal umdrehen müssen und sich vielleicht auch auf so einen Schnäppchen Tag freuen. Was sagen Sie denen?
Crescenti: Wenn man etwas braucht, wenn man wenig Geld hat und ein Angebot sieht, dann sollte man natürlich auch kaufen. Ich will ja hier nicht für die Askese eintreten. Aber wir sagen von Fairtrade: Lieber fair als mehr. Also wenn man etwas kauft, sollte das eher aus nachhaltigen Quellen sein und man sollte vielleicht ein T-Shirt kaufen statt zwei oder drei und dafür ein wenig mehr Geld ausgeben. Dann hat man auch das gute Gewissen, dass dafür niemand ausgebeutet wurde und die Produktionsbedingungen stimmen.
Das Interview führte Heike Sicconi.