DOMRADIO.DE: Würden Sie sagen, dass es dieses Mal leicht ist, eine Entscheidung zu treffen, welcher Partei man sein Kreuzchen bei der nordrhein-westfälischen Kommunalwahl gibt?
Norbert Michels (Geschäftsführer des Diözesanrates Köln): Ich glaube, es ist nie leicht. Und in diesem Jahr ist es vielleicht besonders schwierig – auch der momentanen Situation geschuldet. Man kann sich natürlich im Straßenwahlkampf, der in diesem Jahr nicht stattfinden wird, nicht informieren. Man muss sich also vieles anlesen. Da rate ich jedem, auch mal in die Programme der Parteien rein zu schauen, denn die gibt es auch auf der kommunalen Ebene.
DOMRADIO.DE: Jetzt haben die Plakate der katholischen Kinder-, Jugend- und Erwachsenenverbände im Bistum Aachen gerade für Aufsehen gesorgt. Da steht drauf: "Wir wählen! NICHT die AfD!" Warum gehen Sie nicht auch hin und sprechen eine deutliche Wahlempfehlung aus?
Michels: Wir machen das im Moment gerade. Sie werden sich wundern. Wir haben an unsere Vollversammlungen und alle Gemeinderäte im Erzbistum ein Plakat versandt, wo draufsteht, wir wählen bunt. Damit soll ausgedrückt werden, dass wir die demokratischen Parteien wählen wollen. Ich warne ausdrücklich davor, Parteien zu wählen, die sich den Anstrich der demokratischen Partei geben, aber in Wahrheit nicht demokratisch sind. Und da zählt für mich ganz klar die AfD dazu.
DOMRADIO.DE: An welchen Dingen machen Sie das fest?
Michels: Das hat mit Dingen wie Menschenrechten zu tun. Wenn die AfD gewisse Menschen in unserem Land nicht haben will, dann sage ich ganz klar, das hat nichts mehr mit Demokratie zu tun. Wir als Christen müssen da besonders aufstehen und sagen: "Moment, so geht das nicht!" Uns sind alle Menschen nicht nur vor uns gleich, sondern vor allen Dingen vor Gott gleich. Da sind wir ein Stück weit verpflichtet, Farbe und Flagge zu bekennen.
DOMRADIO.DE: Was fordern oder wünschen Sie sich denn jetzt bei der anstehenden Kommunalwahl?
Michels: Ich würde mir wünschen, dass Kandidatinnen und Kandidaten anders agieren. Ich habe heute Morgen wieder in der Zeitung lesen müssen, dass Kandidatinnen und Kandidaten zum Teil auch mit unlauteren Mitteln arbeiten. Da stellen sich bei mir die Nackenhaare auf. Das will ich nicht.
Sie sollen miteinander reden. Sie sollen sich wie Demokratinnen und Demokraten verhalten. Und ich wünsche mir natürlich, dass zukünftig viel stärker auf unsere Umwelt und die Bewahrung der Schöpfung geachtet wird. Darauf wird mir bei den meisten Parteien zu wenig Wert gelegt.
DOMRADIO.DE: Sie vom Rat der Katholiken im Erzbistum Köln fordern auch, dass die 17 Ziele der Vereinten Nationen umgesetzt werden. Was steckt dahinter?
Michels: Bei den 17 Zielen der Vereinten Nationen winken viele ab und sagen: "Ach, das ist doch so weit weg. Die Vereinten Nationen sitzen in New York." Das stimmt aber gar nicht.
Die Vereinten Nationen haben diese 17 Ziele auf die Lokalitäten heruntergebrochen. Da geht es zum Beispiel um familienfreundliches Wohnen. Es geht zum Beispiel um naturverbundenes Wirtschaften. Es geht darum, dass alle Menschen einen gleichen Lebensstandard geschaffen bekommen. Es geht darum, dass alle jungen Menschen Bildung erhalten.
Ich will jetzt nur mal ein Beispiel sagen: Wir machen demnächst ein Projekt mit dem Namen "Fit for Future". Viele junge Menschen, gerade in den sozial schwachen und benachteiligten Familien, sind abgehängt. Da spricht man von Digitalisierung, aber da gibt es in einer Familie vielleicht nur ein Handy. Was machen diese jungen Menschen, wenn sie sich bewerben wollen? Oder was machen sie, wenn sie von der Schule ausgeschlossen sind, weil wieder ein Corona-Fall aufgetreten ist?
Wir wollen dafür sorgen, dass sich die jungen Menschen auch bildungsmäßig weiterentwickeln können.
DOMRADIO.DE: Was können wir gegen Menschenrechtsverletzungen, Populismus oder beispielsweise Rassismus machen? Wie können wir uns als Christen engagieren?
Michels: Im Moment ist es schwierig mit Demonstrationen oder dergleichen. Aber man kann ja auch mit zwei, drei, vier, fünf Menschen demonstrieren und sagen: So geht es nicht.
Ich kriege das auch jetzt wieder mit. Es sind Kneipen und Restaurants geöffnet. Da gibt es dann zwar momentan nicht mehr die sogenannten Stammtischgespräche. Aber man hört schon des öfteren abfällige Bemerkungen, zum Beispiel zu Menschen, die dunkelhäutig sind. Da kann ich aufstehen und sagen: Hier ist die Grenze. Das ist ein Mensch, der von Gott gewollt ist, der von uns genauso geachtet werden muss wie alle anderen Menschen auch.
Das Interview führte Katharina Geiger.