Wirbel um Köhlers Nein zu Änderungen beim Arbeitslosengeld

Was darf ein Bundespräsident - und was nicht?

Bundesarbeitsminister Franz Müntefering (SPD) verteidigt die Einmischung von Bundespräsident Horst Köhler in den Streit über das Arbeitslosengeld. Müntefering sagte am Donnerstag im Deutschlandfunk, Köhler dürfe sich natürlich zu den Themen äußern,
"die ihm wichtig sind". Der SPD-Politiker fügte hinzu: "Ich sehe das
aber nicht so, dass er sich auf meine Seite geschlagen hat, sondern
er hat sich in der Sache geäußert." Köhler hatte sich gegen Forderungen von NRW-Ministerpräsident Rüttgers nach einer längeren Bezugsdauer beim Arbeitslosengeld I für langjährige Beitragszahler gestellt. Dies hatte in Teilen der CDU Empörung erzeugt.

 (DR)

Die "Berliner Zeitung" zitierte einen namentlich nicht genannten "Spitzenpolitiker" der Union mit dem Satz: "Wir haben eine solche Belehrung nicht nötig." Es widerspreche "dem Stil des Bundespräsidenten, der CDU so reinzugrätschen".

Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Olaf Scholz, entgegnete: "Wo der Bundespräsident Recht hat, hat er Recht." Diejenigen, die früher bei tagespolitischen Äußerungen des Staatsoberhauptes Beifall geklatscht hätten, dürften sich jetzt "nicht beschweren".

Der Vorsitzende der Arbeitnehmergruppe der Unions-Fraktion im Bundestag, Gerald Weiß (CDU), sagte der "Berliner Zeitung": "Herr Köhler hat natürlich das Recht, seine Meinung zu äußern. Aber die Union hat keinen Anlass, ihre Meinung zu ändern."

Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) hält ungeachtet der Kritik von Bundespräsident Horst Köhler an seiner Forderung nach Änderungen am Arbeitslosengeld I fest. Köhler habe sich "zu dieser wichtigen, tagesaktuellen Frage geäußert", sagte Rüttgers am Mittwoch in Düsseldorf. "Ich bleibe mit der großen Mehrheit der Bevölkerung bei der Auffassung, dass eine Änderung erforderlich ist, damit Leistung auch bei der Arbeitslosenversicherung anerkannt wird", betonte er.

Der Bundespräsident hatte kritisiert, der Vorstoß von Rüttgers schwäche das Versicherungsprinzip und damit eine zentrale Errungenschaft "zur Schaffung von Sicherheit in modernen Gesellschaften". Köhler betonte bei der Vollversammlung des Deutschen Industrie- und Handelskammertages in Bochum: "Ich bezweifle, dass so Vertrauen geschaffen werden kann." Die Politik dürfe nicht davor zurückschrecken, "den Bürgern auch komplizierte Sachverhalte zu erklären und Führung zu zeigen".