DOMRADIO.DE: Investitionen in Afrika seien Investitionen in die Zukunft. Das hat die Bundeskanzlerin am Dienstag gesagt. Sie sehe darin eine Win-Win Situation. Wie sehen Sie das? Können Sie das ein bisschen präzisieren?
Jörg Nowak (Stellvertretender Pressesprecher von missio Aachen): Grundsätzlich kann man das nur unterstützen. Investitionen - gerade für die Zukunft - sind sinnvoll. Afrika ist eigentlich ein sehr reicher Kontinent. Wir sind voneinander abhängig. Wir haben bereits jetzt schon einige Wirtschaftsbeziehungen. Wir bekommen einen Großteil unseres Obstes oder auch Mineralien aus afrikanischen Ländern.
Ich glaube, dass es sinnvoll ist, dass die einzelnen afrikanischen Länder ein Partnerland aus dem Kreis der G20 haben und sich dann austauschen. Dieser "Compact with Afrika"-Ansatz ist meines Erachtens sinnvoll. Es ist eine Chance, die Wirtschaftsbeziehungen zu optimieren und auch neue Potenziale zu entdecken.
DOMRADIO.DE: Deutschland unterstützt schon einige der zwölf sogenannten Compact-Staaten, unter anderem Tunesien, Ghana und die Elfenbeinküste. Sie waren im Sommer in Ghana. Was ist Ihnen da aufgefallen? Was ist da auch an Unterstützung auch noch vonnöten?
Nowak: Ich war in der Hauptstadt Accra und habe die weltbekannte Elektroschrott-Halde gesehen, die wirklich für Furore sorgt. Ich fand es zum einen absolut schockierend, wie viele Menschen um diese Elektroschrott-Halde herumleben, den Elektroschrott aufbereiten, da wertvolle Stoffe rausziehen und das unter katastrophalen Umwelt-Aspekten machen müssen. Dieser Elektroschrott ist total vergiftet. Da landen täglich rund 50 Tonnen Elektroschrott, darunter auch Altgeräte aus Europa und Deutschland. Ich war schockiert, zu sehen, dass Afrika da zur Müllhalde von Europa wird. Da muss etwas gegen getan werden.
Aber ich fand es auch interessant zu sehen, dass die Menschen dort wahre Recycling-Künstler sind. Etwa gab es riesige Haufen mit Klimaanlagen. Sie haben aus den Geräten das Messing rausgeholt. Und aus diesem Messing haben die Menschen dort vor Ort Schmuck hergestellt. Das ist sehr bemerkenswert. Die Ghanaer wissen, was dort Wertvolles drin ist. Das holen sie mit improvisierten Mitteln raus und recyceln das wieder. Und ich glaube, da können wir ganz viel von lernen. Wir in Europa gehen doch teilweise sehr ignorant mit unseren alten Abfällen um. Wenn etwas nicht mehr funktioniert, ist es meistens zu teuer, das reparieren zu lassen. Dann wird es irgendwie weggeschmissen.
DOMRADIO.DE: Das ist zumindest der positive Aspekt. Aber Sie haben es auch gesagt. Menschen und Umwelt sind natürlich ganz großen Gefahren ausgesetzt. Es gibt Ansätze, da etwas zu tun. Können Sie das etwas genauer fassen? Wie kann man dem entgegenwirken?
Nowak: Es gibt Maßnahmen, um diese Menschen, die dort auf der Halde arbeiten, aufzuklären und zu trainieren. Bislang ist es zum Beispiel so, dass die Kabel aus den Computern und sonstigen Geräten verbrannt werden, um dort Kupfer und andere wertvolle Sachen herauszuziehen. Das kontaminiert natürlich total die Umwelt. Da gibt ein Trainingszentrum. Dort werden alternative Methoden trainiert, und das ist, glaube ich, auch die einzige Alternative.
Missio plant in Zusammenarbeit mit "Ein Herz für Kinder" an dieser Elektroschrott-Halde eine Tagesstätte für Kinder zu errichten. Damit sollen die jungen Menschen und gerade die Kinder erst mal aus diesem Dreck herauskommen. Sonst wachsen die Generationen weiter auf dieser Halde auf und wissen nicht, was sie anderes machen sollen. Die Kinder sollen aber in einer sauberen Umwelt aufwachsen, zur Schule gehen und später höher qualifizierte Berufe ergreifen können.
DOMRADIO.DE: Was nehmen sie denn für Europa und Deutschland aus dieser Reise mit?
Nowak: Dass wir sorgfältiger mit unserem Elektroschrott und mit unserem Müll und mit unserem Konsumverhalten umgehen müssen. In Accra sieht man wirklich, welche Konsequenzen das hat, wenn wir weiter so unkontrolliert mit unserem Müll umgehen. Und es gibt dort einen Fluss am Rande dieser Elektroschrott-Halde, der voll mit Plastikmüll ist. Man sieht keine Wasseroberfläche mehr. Dieser Müll fließt ins Meer.
Wir exportieren den Müll. So haben wir das Problem ein wenig aus unserer Sichtweite geschoben. Aber das darf auch nicht sein, das Afrika zu unserer Müllhalde wird.
Das Interview führte Carsten Döpp.