DOMRADIO.DE: Der papstkritische Bischof Joseph Strickland aus Texas wurde am Wochenende von Papst Franziskus gegen seinen Willen aus dem Amt entfernt. Er hatte unter anderem die Legitimität von Franziskus' Papstamt in Frage gestellt. Offizieller Grund für die Absetzung sind unter anderem Konflikte rund um seine Amtsführung. Welche Rolle wird seine Kritik an Papst Franziskus gespielt haben?
Christopher Lamb (Journalist, Vatikanexperte, Autor des Buches "The Outsider: Pope Francis and his battle to reform the Church"): Das hat offensichtlich auch eine Rolle gespielt. Sonst hätte es sicher die Apostolische Visitation seines Bistums nicht gegeben. Die Diözese Tyler in Texas ist relativ jung, sie wurde 1987 erst gegründet. Das ist kein Bistum von Bedeutung, das normalerweise Aufmerksamkeit aus Rom bekommen würde.
Da Strickland sich aber gerade in den sozialen Medien so laut und deutlich positioniert hat, scheinen die Funktionsträger im Vatikan auf ihn aufmerksam geworden zu sein.
Das ist auch nicht überraschend, denn die Sachen, die er von sich gibt, sind für einen Bischof schon mehr als grenzwertig. Wenn man nicht wüsste, dass da ein Bischof spricht, könnte man das auch für einen antikatholischen Twitter-Troll halten. Die Investigation und die darauf folgende Absetzung waren also unumgänglich. Der Papst hat sogar ziemlich viel Geduld bewiesen, finde ich.
DOMRADIO.DE: Papst Franziskus tut sich mit solchen Entscheidungen schwer. Das sieht man auch in anderen Konflikten. Warum musste Strickland gehen und andere nicht?
Lamb: Der Unterschied ist, dass es bei Strickland schwarz auf weiß Beweise des Missmanagements gegeben hat. Das ist also keine Interpretationssache mehr. Es ging nicht nur um seine politischen Äußerungen.
Der Papst hat ganz sicher gehen wollen, dass es wirklich ein nachweisbares Problem im Bistum gibt. Da das wirklich so deutlich der Fall war, hat er diese Entscheidung am Ende getroffen. Man könnte also sagen, die Lage der Menschen im Bistum hat eine größere Rolle gespielt, als die persönlichen Angriffe gegen ihn als Papst. Das unterscheidet Strickland von anderen Fällen.
DOMRADIO.DE: Die New York Times nennt Strickland einen "Märtyrer" der papstkritischen Rechten. Wird es diese Kreise stärken, dass sie nun auf Strickland als Opfer des Papstes zeigen können?
Lamb: Diese Gefahr besteht. Es gibt immer solch ein Risiko, wenn man einen lautstarken Kritiker entfernt. Es ist unvermeidbar, dass er Eindruck entsteht, Franziskus würde sich eines ungeliebten Kritikers entledigen.
Deshalb ist es für den Vatikan und auch die US-Kirche so wichtig, dass es vorher die apostolische Untersuchung gab, die eine lange Liste von Beweisen geliefert hat. Ohne diese Details würde es sicher leichter fallen, ihn zum Märtyrer der Traditionalisten zu stilisieren.
Man muss auch ganz klar sagen: Wenn sich Strickland unter anderen Päpsten so aufgeführt hätte, wäre er schon lange nicht mehr im Amt.
Wir müssen anerkennen, dass wir auch durch die sozialen Medien in einer neuen Zeit leben. Die Plattform, die Bischof Strickland dort hat und die Polarisierung, die er betreibt, führen dazu, dass es immer Leute gibt, die seiner Argumentation folgen werden. Trotzdem ist diese Beweislage der Apostolischen Visitation eine Hilfe, um das einzudämmen.
DOMRADIO.DE: Es gibt auch eine ganze Reihe anderer Papstkritiker aus der konservativen Ecke. Die Kardinäle Müller und Burke zum Beispiel oder Weihbischof Athanasius Schneider aus Astana. Sollten die jetzt kalte Füße kriegen?
Lamb: Was die beiden Kardinäle angeht, ist es schwierig, da sie ja keine Posten in der Kurie mehr inne haben, die man ihnen nehmen könnte. Denen wird also höchstwahrscheinlich nichts passieren.
Trotzdem verbirgt sich dahinter ein Problem für die Kirche. Wenn man als Kardinal einen Papst der Häresie bezichtigt, ist das schon schwierig. Als Kardinal schwört man dem Papst uneingeschränkte Treue. Wenn man den Papst nicht mehr für den Papst hält, sollte man doch eigentlich auch seinen roten Hut abgeben, oder?
Diese Kritiker werfen also definitiv Fragen für die Kirche auf. Aber ich glaube nicht, dass Franziskus da in irgendeiner Form handeln wird.
Was Athanasius Schneider angeht, so ist er Weihbischof in Kasachstan. Er hat nicht unbedingt eine exponierte Position in der Weltkirche. Wenn der Papst hier hätte handeln wollen, wäre das auch sicher längst passiert.
DOMRADIO.DE: Sie haben es erwähnt, eine große Rolle bei der Absetzung von Strickland hat seine Polarisierung in den sozialen Medien gespielt. Seinen Bischofssitz wurde ihm genommen, seinen X/Twitter-Account wird er behalten. Denken Sie, er wird für den Papst ein Stachel im Fleisch bleiben?
Lamb: Ich denke das wird so weiter gehen. Ich sehe keinen Grund, warum er sich nun zurückhalten sollte. Er hat ja bereits ein Interview gegeben und sich auch auf X zu Wort gemeldet. Das stellt für die Kirche heutzutage ein zunehmend größer werdendes Problem dar.
Wir haben diese ganze digitale Parallelwelt da draußen, wo es ganz eigene Influencer und Meinungsführer gibt. Das hat nichts mit deren offizieller oder hierarchischer Position zu tun. Früher hätte Strickland nur noch in seinem Bistum Einfluss gehabt, heute kann sich jeder auf der Welt seine Tweets angucken.
Das wirft für die Kirche auch große Fragen auf, wenn sich dort solch katholische Parallelgesellschaften herausbilden können. Meines Erachtens stellt das eine große Gefahr für die Einheit in der Weltkirche dar. Bischof Strickland könnte zu einer Symbolfigur für die Kreise der Kirche werden, die mit dem Papst und dem Vatikan ein Problem haben. Wir werden sehen.
Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.