Wird das EU-Asylrecht neu gemacht?

"Keine Zeit mehr verschwenden"

Es hakt und lahmt überall. Deswegen drängt die EU-Kommission auf eine Reform des Europäischen Asylsystems. Gefordert sind effektivere Abschiebungen und mehr Aufnahmen von Flüchtlingen.

Flüchtlinge auf Moria  / © Orestis Panagiotou (dpa)
Flüchtlinge auf Moria / © Orestis Panagiotou ( dpa )

Die EU-Kommission drängt die Mitgliedstaaten, einen Kompromiss bei der Reform des Asylsystems zu finden. "Es gibt absolut keine Zeit zu verschwenden", sagte EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos am Mittwoch in Brüssel, als er einen Überblick zur Migration in der EU gab. Die Situation sei weiterhin "anfällig", so Avramopoulos. Seit März seien wieder vermehrt Migranten auf den griechischen Inseln und auf dem Festland aus der Türkei angekommen.

Insgesamt seien es 15.450 Menschen gewesen, neunmal mehr als in den ersten vier Monaten des vergangenen Jahres. Zudem kämen wieder mehr Zuwanderer in den Westbalkanstaaten Albanien, Montenegro und Bosnien Herzegowina an. Im gleichen Zeitraum seien in Spanien 6.623 Migranten eingetroffen, ein Fünftel mehr als Januar bis April 2017. Nur über die zentrale Mittelmeerroute, die von Libyen nach Italien führt, sei weiterhin ein Rückgang von Reisenden zu verzeichnen.

Alles geht zu langsam

Die Kommission zeigte sich besonders besorgt über die Situation auf den griechischen Inseln. Sie kritisierte die "langsamen" Asylprozesse. Diese verhinderten die Rückführung abgelehnter Asylbewerber in die Türkei, die durch das EU-Türkei-Abkommen ausgehandelt worden war. Um die Lebensbedingungen für die Asylsuchenden auf den griechischen Inseln zu verbessern, will die EU Griechenland nun unterstützen, wie es hieß.

Mehr Bemühungen forderte die EU-Kommission von den Mitgliedstaaten bei der Durchführung von Abschiebungen. Nur etwa ein Drittel der Abschiebeanweisungen sei 2017 tatsächlich ausgeführt worden. Die Kommission wolle nun, dass die EU-Statistikbehörde Eurostat in kürzeren Zeiträumen Daten der Mitgliedstaaten dazu sammelt.

Mehr Flüchtlinge in Europa aufnehmen

Avramopoulos rief die Mitgliedstaaten zudem auf, mehr Geflüchtete aus Nordafrika über das Neuansiedlungsprogramm aufzunehmen. Insgesamt haben die EU-Staaten 50.000 Plätze angeboten, Deutschland davon 10.000. Nach dem Willen des EU-Kommissars sollen bis Oktober 25.000 Flüchtlinge aus Nordafrika von den Mitgliedstaaten aufgenommen werden.

Bisher wurden mit Unterstützung der Europäischen Union 1.152 Geflüchtete aus Libyen in den Niger evakuiert. 108 seien bereits nach Frankreich, Schweden und die Schweiz umgesiedelt worden, die anderen warteten darauf. Weitere 6.185 Menschen unterstützte die EU-Kommission seit Januar dabei, aus Libyen in ihr Heimatland zurückzukehren.

Deutschland: Anwälte sehen geändertes gesellschaftliches Klima

Der Deutsche Anwaltverein (DAV) sieht nach den Äußerungen von CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt über eine "aggressive Anti-Abschiebe-Industrie" ein geändertes gesellschaftliches Klima. DAV-Präsident Ulrich Schellenberg zeigte sich am Mittwoch vor Journalisten in Stuttgart alarmiert. Die Wahrnehmung zulässiger Rechtsmittel könne nie missbräuchlich sein; Schellenberg wörtlich: "Mit Asylrecht ist noch kein Anwalt reich geworden."

Der Stuttgarter Anwalt Engin Sanli, der einen nach Italien abgeschobenen Togolosen vertritt, sprach von täglich rund 3.000 E-Mails, die seine Kanzlei erreichten. In vielen gebe es Beschimpfungen und Bedrohungen, er sei in regelmäßigem Kontakt mit der Polizei. Sanli zitierte aus einem solchen Schreiben den Satz "Wir werden dich töten, Volksverräter". Der Absender hieß "Die Enkel von Adolf Hitler". Bei vielen Schreiben werde er wortwörtlich mit Dobrindts Äußerungen konfrontiert, so Sanli.


Quelle:
KNA