DOMRADIO.DE: Geben Sie uns kurz Ethikunterricht. Warum hat die Kirche ein Problem mit dem Klonen?
Dr. Rainer Hagencord (Institut für theologische Zoologie in Münster): Das Klonen ist ja ein Eingriff in die Keimbahn von Lebewesen und markiert eine völlige "Verzweckung". Lebewesen werden als kleine Automaten gesehen, deren Zellsubstanz mittels gentechnischer Methoden manipuliert wird, als handele es sich hier um Legosteine. An dieser Stelle würde ich gerne Papst Franziskus dazu hören, der spricht ja davon, dass der Zweck der anderen Geschöpfe nie wir selber sind. Also eine Verzweckung des Lebens ist völlig ausgeschlossen. Und in diesem Fall spitzt es sich ja zu, weil uns diese Affen tatsächlich sehr nah sind und damit eine Reduzierung des Menschen sehr naheliegt.
DOMRADIO.DE: Die technischen Hintergründe erschrecken: 200 Embryonen mussten erzeugt werden, 42 Muttertiere bekamen diese Embryonen eingepflanzt, um im Endeffekt zwei momentan lebensfähige Affen auf die Welt zu bringen…
Hagencord: Ja, und auch die Bilder sprechen Bände: Auf der einen Seite rühren einen diese Tiere an, die mit riesigen Augen und etwas tapsig in diesem kleinen Glaskasten sitzen. Und andererseits ist da dieses Setting: zwei Tiere in einer Art Aquarium, die dringend auf ihre Mutter angewiesen sind, die aber dieser Kälte ausgesetzt sind... Und wenn ich mich in den Medien umhöre, dann sind sich alle Fachwissenschaftler einig, dass tatsächlich das einzige Ziel ist, dass China sich mit dieser Methode neu in den Vordergrund spielt und dafür wieder einmal Tiere benutzt und sie in unfassbarer Weise verzweckt.
DOMRADIO.DE: Wenn man es aber auf der anderen Seite schafft, Erbkrankheiten zu bekämpfen, Menschen zu heilen, die sonst nicht mehr am Leben wären... Ethisch perfekte Entscheidungen gibt es ja selten. Ist dieser Blickwinkel nicht auch zulässig?
Hagencord: Also mir hilft sehr eine Argumentation unter dem Stichwort der Gerechtigkeit. Unter der Gerechtigkeit würde ich Folgendes verstehen: Nicht jedem das Gleiche sondern jeder und jedem das Ihre. Das heißt, Menschen haben andere Bedingungen als Primaten oder wiederum andere Bedürfnisse als Regenwürmer und Schmetterlinge. Und dann geht es darum, dass das ja nur wir Menschen können; nur wir können abwägen, das können diese Affen ja nicht. Wird ein bestimmter Einsatz dem Lebewesen gerecht, wird es uns gerecht? Hier geht es um ein Abwägen und da sind wir in einem sehr, sehr sensiblen Bereich. Und fast bin ich dankbar für dieses Experiment, weil hier deutlich wird, in welche Bereiche die Forschung inzwischen eindringt, dass sie jetzt nicht mit dem Menschen fernen Lebewesen experimentiert, sondern mit uns ganz nahen Lebewesen und dass sie dringend darüber nachdenken müssen: Wie halten wir es mit dem Leben und unserer Auffassung von Leben und unserer Stellung im Gesamt des Lebendigen.
DOMRADIO.DE: Mit diesem Experiment sind wir sehr nah am Klonen des Menschen. Wird das kommen?
Hagencord: Es ist nur noch die Frage, wann es geschieht. Schon 2004 haben südkoreanische Forscher weltweit erstmals menschliche Stammzellen aus einem Klon-Embryo gewonnen. Also da bin ich sicher, dass in einigen Laboratorien manches passiert. - Wir müssen jetzt die Suppe auslöffeln, die wir uns selber eingebrockt haben, wir haben ja in unserer Geschichte die Tiere, die Natur völlig verzweckt und den Menschen als einzig beseeltes Lebewesen herausgenommen, wir müssen wieder eine andere Sicht auf das Leben haben. Das ist kein Materialkasten um uns herum, mit dem wir so herumbauen können. Dann bauen wir uns selber auch irgendwann mal zurecht.
Das Gespräch führte Renardo Schlegelmilch.