"Fünf - vier- drei - zwei - eins", zählen die Menschen auf dem Wittenberger Marktplatz den Countdown herunter. Alle Glocken der Stadt beginnen zu läuten, ein Posaunenchor setzt ein. Mit einem Festgottesdienst auf dem Marktplatz jener Stadt, in der Martin Luther im Jahr 1517 seine 95 Thesen gegen den Ablasshandel veröffentlichte, wurde am Samstagnachmittag die "Weltausstellung Reformation" eröffnet. Bis zum 10. September soll es in Wallanlagen und der Innenstadt Wittenbergs rund 2.000 Veranstaltungen in 16 Themenbereichen geben.
Von Gott geschaffen
Und schon am Bahnhof der Lutherstadt werden die Besucher von einer weithin sichtbaren, rund 30 Meter hohen Turmkonstruktion in Form der Lutherbibel begrüßt. Im Pavillon der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau segnet ein Roboter die Besucher; am Schwanenteich erinnern Flüchtlingsboote an die Dramen, die sich Tag für Tag im Mittelmeerraum abspielen. Die Vielfalt der evangelischen Kirche - ihr kulturelles Engagement, ihre Spiritualität und ihr Einsatz in der Ökumene, all das soll bei der Weltausstellung sichtbar werden. "Wir sind Teil der einen, von Gott geschaffenen Welt, und das wollen wir hier zum Ausdruck bringen", sagt der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Heinrich Bedford-Strohm.
Ganz ähnlich sieht es der erste Mann im Staat, der selbst kirchlich engagierte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier: Die Reformation sei "ein europäisches, ein wirklich weltweites Ereignis" gewesen, sagt er in einem Grußwort zur Eröffnung der Schau. Die Kraft der Reformation sei "nicht erschöpft, hochaktuell und geht uns alle an."
Offene Tore
Gegliedert ist die Ausstellung in insgesamt sieben Torräume. "Sieben Zugänge soll es zur Innenstadt geben", erklärt die EKD-Reformationsbotschafterin Margot Käßmann. "Es sind die Tore, durch die die Menschen gehen wollen, um nach Wittenberg zu kommen." Offene Tore seien die Vision einer friedvollen Zukunft.
Bundespräsident Steinmeier fügt hinzu, heute scheine es wieder attraktiv zu sein, Tore zu schließen anstatt sie neu zu öffnen. Dem könne man im Rahmen der Weltausstellung einiges an mutigen Aufbrüchen entgegenstellen, die mit der Reformation verbunden gewesen seien. Offen bleiben muss freilich noch, wie viele Menschen im Jahr des Reformationssommers tatsächlich den Weg nach Wittenberg finden.
"Es gibt Sonne"
500.000 Besucher werden erwartet, so der Geschäftsführer des Vereins "Reformationsjubiläum 2017", Ulrich Schneider. Allein 100.000 sollen schon am kommenden Samstag in die Lutherstadt reisen, wenn dort der Abschlussgottesdienst des Deutschen Evangelischen Kirchentags stattfindet. Bislang haben die Veranstalter 1.500 Saisonkarten und 3.000 Gutscheine für Tageskarten zur Ausstellung verkauft.
Am Eröffnungstag ist die Wittenberger Innenstadt gut belebt - und auch gelegentlich aufziehende dunkle Wolken können Oberbürgermeister Torsten Zugehör nicht mehr verunsichern. "In Wittenberg haben wir das Wort Regen abgeschafft", sagt er. "Es gibt Sonne - und es gibt Romantisch. Aber es gibt hier keinen Regen mehr."