Der Kölner Erzbischof, Rainer Maria Kardinal Woelki, will angesichts der schwierigen Situation für Arbeitsmigranten in Katar die dortige Fußball-WM 2022 vermutlich boykottieren. "Ich überlege mir, bei einer solchen WM in die innere Emigration zu gehen und die Spiele nicht zu verfolgen, sondern meinen stillen Protest zum Ausdruck zu bringen", sagte Woelki der Süddeutschen Zeitung (Wochenendausgabe) in München. "Und vielleicht schließt sich da der eine oder andere Fußball-Fan auch an."
Menschen würden ausgebeutet, Tagelöhner unter völlig falschen Versprechungen ins Land geholt. Dort angekommen würden die Arbeiter in den Wohnungen wie Tiere zusammengepfercht, die sich lediglich durch Kleidungsstücke als Trennwand von ihren Nachbarn abgrenzen könnten. "Diesen Menschen werden die Pässe abgenommen, sie werden in ihrer Menschenwürde erniedrigt", sagte Woelki. Immer wieder komme es zu Todesfällen.
Er könne nicht verstehen, wieso die Spiele in dieses Land vergeben werden konnten, sagte Woelki dem Blatt. Der Erzbischof erklärte weiter: "Die Fifa, die immer eine Werteorientierung vorgibt, müsste zeigen, dass sie das in keiner Weise mitträgt, und dass sie nicht bereit ist, Spiele der Freundschaft dort auszutragen." Sie müsste Katar die WM entziehen.
Parallelen zwischen Kirche und Fußball
Bei den Spielen seines Heimatvereins, dem 1. FC Köln, sei er dagegen mit voller Hingabe dabei. Da könne es auch vorkommen, dass er bei einem Gegentor die "Faust ballt und vor sich hin schimpft", erklärte er. Seit er denken könne, sei er Köln-Fan und sei mit dem Verein durch "alle Höhen und Tiefen gegangen". Schon als Kind sei er mit seinem Vater in die sogenannte Hauptkampfbahn gegangen, dem damaligen Stadion.
Zwischen Kirche und Fußball sehe er viele Parallelen. "Ich glaube auch, dass gerade im Fußball viele Rituale der Kirche abgeguckt worden sind." Dazu zählten für ihn die Vereinshymne, die Fahnen oder der Einzug der Spieler. "Aber wenn Fußball die einzige Orientierung ist, die ein Mensch hat, ist es zu wenig." Und weiter: "Dort, wo der Fußball verabsolutiert und zu einem Letztwert stilisiert wird, da ist es nicht mehr weit zum Fanatismus und zur Ideologie." Die letzten Fragen des Lebens gehörten zum Glauben. "Aber der Fußball kann mit dem, was er leisten kann, zu einem Verweis werden auf das, was der Glaube bietet: mit der Sehnsucht nach Annahme, nach Glück, nach Freude, nach Geborgenheit, nach Aufgenommenheit in einer Gemeinschaft." Auch die Verbindung von Glauben und Fußball, wie etwa bei dem Wortgottesdienst vor dem Saisonstart im Kölner Dom, begrüßt er. " Warum soll man nicht wie Don Camillo auch in diesen Dingen füreinander beten könnnen? Dass es eine gute Saison wird, dass keiner verletzt wird und dass es auf den Rängen friedlich zugeht."
Fehlentscheidungen gehören dazu
Auch Fairness und Verlieren gehörten zum Spiel dazu, ebenso wie die Akzeptanz von Fehlentscheidungen des Schiedsrichters. In Bezug auf einen "Fußballgott" sei er absoluter Atheist, sagte er weiter. "Da würde ich einfach sagen: Ich hadere mit dem Spiel, ich hadere mit der vertanenen Chance. Aber ich weiß: Ein Schuss geht an die Latte, und ein Schiedsrichter muss auch mal eine Fehlentscheidung treffen können."