Wolfgang Overath über "seinen" Jakobsweg

Quälen für den Herrgott

Wolfgang Overath. Nationalstürmer und Weltmeister von 1974, seit fünf Jahren Präsident des 1. FC Köln. Erfolge kann er sich viele zuschreiben, doch einen Traum hatte er noch: auf dem Jakobsweg zu pilgern. Im domradio spricht er über die Erlebnisse der Reise und seinen guten Draht zu "dem da oben".

 (DR)

Den Prozessionsweg wanderte der FC-Boss unter anderem mit geistlicher Unterstützung: Dem Hauptgeschäftsführer von der Hilfsorganisation MISEREOR, Prof. Sayer.

domradio: Ein Traum ist für sie in Erfüllung gegangen: den Jakobsweg zu pilgern. Wann ist dieser Traum zu ihnen gekommen?
Overath: Ich habe das Buch von Hape Kerkeling gelesen. Freunde haben mir auch davon erzählt, für mich war es Neuland. Mit diesem Weg habe ich mich vorher nicht viel beschäftigt. Als ich mir Gedanken darüber machte, habe ich mir gesagt: einmal im Leben musst du das machen, egal wann! In einer Vereinssitzung haben wir darüber gesprochen und es gab die Vorstellung, dass der Vorstand möglicherweise einmal zusammen gehen würde. Das hat aber nicht geklappt. Ich bin dann mit Prof. Sayer, dem Boss von MISEREOR, ein Geistlicher und ein ganz feiner Mensch, zusammengekommen. Für MISEREOR habe ich schon immer etwas gemacht und ich habe MISEREOR die Möglichkeit eröffnet, auch für den FC-Köln etwas zu tun. Mit ihm habe ich geredet und er sagte sofort: "Das organisiere ich und da gehe ich mit". Ich fand das ganz Toll! Anfang Mai hatte er gebucht. Ich wusste überhaupt nichts über Termine mit dem FC oder wie der Stand der Dinge in der Tabelle war, aber ich sagte: Ich gehe auf jeden Fall mit.

domradio: Sie sind 40 Kilometer gelaufen, acht Stunden pro Tag. Das klingt nach einer harten Tour.
Overath: Wir sind etwa 200 Kilometer vor Santiago eingestiegen. Und in meinem Leben habe ich noch nie mehr als eine 2 Kilometer Strecke als Fußgänger oder Wanderer zurückgelegt. Ich war aber guter Dinge, denn ich war fit. Montagmorgen ging es auf einer Höhe von ungefähr 1.300 Metern los. Ein guter Freund aus dem Verein, Manfred Heller, hatte mich eingekleidet, ich sah super aus mit den besten Sachen. Und dann ging es mit dem Wandern los. Abends hatte ich fünf D-Mark große Blasen an den Versen, da kam das Fleisch raus. Und das tat weh und ich fragte mich: was hab ich mir hier angetan. Meine Fünf-Mann-Gruppe hatte mir dann geholfen und mir Pflaster besorgt. Am nächsten Morgen ging es wieder los. Ich hatte zwar Schmerzen, aber nach dem ersten tag wollte ich weiter. ich habe gesehen, wie wunderbar das ist, wie man abschaltet und wie  und wie man sich  viel mehr mit sich und mit sich selber beschäftigen kann, als an einem anderen Ort. Es ist ein Unterschied, ob ich nach Kevelaer, in die Eifel oder nach Alt Öttingen gehe: der Jakobsweg ist ein Mythos. Wenn man dort geht, ist man fasziniert von den Menschen, die her kommen, von der Ruhe von der Schönheit. Die Vegetation ist wahnsinnig schön. Dass es mir gelingen würde abzuschalten, wo ich sonst so viel um die Ohren habe, das Geschäft und dem FC-Köln. Dass es mir gelingen würde, am Morgen meine Familie anzurufen und dann den ganzen Tag überhaupt nicht zu telefonieren: das war das aller größte. Ich dachte das schaffe ich sowieso nicht. Aber ich war nach dieser Woche ganz, ganz Happy, es war ein riesiger Erfolg.

domradio: Sie sagten: "Für den Herr Gott müssen wir uns ein bisschen quälen." Da sind schon einmal die Blasen an den Füßen und sie wollten kein Hotel, einfache  Übernachtungen sollten es sein. Was meinten sie noch mit dieser Aussage?
Overath: Auf dem Jakobsweg habe ich immer wider mit den Menschen gesprochen: "Warum machen sie das", hat mich am meisten interessiert. Viele wollten zu sich selbst finden, hatten Probleme in der Beziehung und anderes.  Bei mir war es so: Ich bin katholische erzogen und habe einen engen Draht zu dem da oben. Und ich habe so viel Glück im Leben gehabt - ich habe immer auf der Sonnenseite gestanden. Ich habe alles erreicht. Im Sport, Familie und Gesundheit. Und dafür musste ich etwas zurückgeben, etwas wofür ich mich quälen muss, etwas tun, was mir schwer fällt: das ist mir wahnsinnig schwer gefallen. Aber wenn er dir das alles geschenkt hat, musst du versuchen, ein wenig zurückgeben.

domradio: Und sie sind dann auch reich beschenkt worden: mit der Ruhe für sich selber leben zu dürfen. War das ein schweigsamer Marsch?
Overath: Es war aber nicht so, dass wir zusammenbleiben mussten. Wenn es einem nicht danach war, dann ging man etwas schneller. Ich bin auch mal eine Stunde ganz alleine hinterher gegangen und habe mich mit mir selbst beschäftigt. Das hat jeder mal gemacht. Und dann hat Prof. Sayer sich an den Rand des Jakobsweges gestellt und hat eine Messe gelesen. Einfach so! Er hatte einen Kelch dabei und hat eine richtige Messe gelesen. Das fand ich sensationell, wunderbar!

domradio: Was haben sie neben der Zeit für sich selbst, noch für sich mitgenommen?
Overath: Sehr schwierig, ich denke noch viel daran. Das Umsetzten in den Alltag fällt mir noch schwer. Ich habe es mir vorgenommen: wenn es geht, gehe ich bald noch einmal. Weil es mir so viel gebracht hat. Meinen Freunden sage ich auch: Ihr müsst dahin, ihr müsst das erleben! Der Versuch ist es auf jeden Fall wert: dass man versucht etwas aus der Geschichte, mit in den Alltag zu bringen. Diese Ruhe, die Zufriedenheit. Wir haben in einfachen kleinen Pensionen gelebt. Zum Frühstück gab es eine Tasse Kaffe und ein Brot. Mehr nicht. Abends simples einfaches Essen. Nicht immer Fünf-Sterne, und ein Gala- Dinner. Es war super das zu erleben, dass man so auch leben kann. So etwas bleibt hängen. Es wäre aber schön, wenn man das in den Alltag transportieren könnte, dafür bin ich vielleicht noch zu jung.

domradio: Würden sie es denn dem 1. FC Köln als Trainingseinheit empfehlen?
Overath: Weiß ich nicht, ob das für alle etwas ist. Da gibt es so viele verschiedene Nationalitäten und Charaktere. Man muss auch das Gefühl dafür haben. Ich empfehle es permanent jedem, mit dem ich spreche. Du musst dahin, du musst das erleben, und: du wirst ein ganz anderes Leben erkennen.

domradio: Wie wurde das beim 1.FC Köln aufgenommen, dass Wolfgang Overath sich in der entscheidenden Phase auf den Jakobsweg macht?
Overath: Das wusste zunächst keiner. Die Journalisten haben gemerkt, dass ich nicht auf meinem Platz sitze. Ich habe erzählt, dass ich eine private Geschichte habe. Nach ein, zwei Tagen ist es dann durchgesickert. Ich hatte es mir einmal vorgenommen, nichts hätte mich daran hindern können.

domradio: Wurde es ihnen zum Vorwurf gemacht?
Overath: Wir haben ja gewonnen, vielleicht haben viele gedacht: "Wir haben gewonnen, weil der auf dem Jakobsweg ist".

domradio: Sie sagten, sie sind katholisch geprägt?
Overath: Ja, meine Eltern haben mich immer als kleiner Junge mit in die Kirche genommen. Und auch gesagt, ich solle zur Sonntagsmesse gehen. Die Beziehung zu meinem Glauben habe ich nie verloren. Den Glauben habe ich auch immer versucht nach Außen zu tragen. Ich bin sicher kein guter Christ, da gibt es bessere. Mit allen meinen Fehlern und meinen Schwächen, aber zu "dem da oben" möchte ich meine Beziehung halten.

domradio: Sie starten jetzt in die Sommerpause. Könnten sie sich vorstellen jetzt auch anders Urlaub zu machen, seitdem sie auf dem Pilgerweg gewesen sind?
Overath: Das ist eine gute Frage. Das glaube ich nicht. Ich versuche mir auch klar zu machen, dass der, der mich auf die Sonnenseite gestellt hat, auch damit zufrieden ist, wenn ich einen schönen Urlaub mache. Ich glaube nicht, dass er jetzt von mir will, dass ich jetzt nur noch auf der einen Seite stehe.