Wolfgang Thierse über den Berlin-Abschied von Kardinal Woelki

"Ein menschennaher, nachbarlicher Pastor"

Am Sonntag verabschiedet sich Rainer Maria Kardinal Woelki von seinem Berliner Erzbistum. Im domradio.de-Interview bedauert der ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse, Sprecher des Arbeitskreises "Christen in der SPD", den Verlust für die Hauptstadt.

Wolfgang Thierse und Kardinal Woelki (KNA)
Wolfgang Thierse und Kardinal Woelki / ( KNA )

domradio.de: Kardinal Woelki verlässt Berlin. Wie haben Sie diese Nachricht aufgenommen?

Wolfgang Thierse: Es ist schade, dass Kardinal Woelki Berlin schon nach drei Jahren wieder verlässt. Aber man ist im Vatikan wohl der Meinung, dass Köln wichtiger ist, als die deutsche Hauptstatt Berlin - was ich nicht für ganz angemessen halte. Kardinal Woelki hat sich in Berlin viel Respekt erworben. Einfach dadurch, dass er sich auf die Stadt und ihre Menschen eingelassen hat. Auf die Widersprüche, die Multi-Religiosität, die Multikulturalität der Stadt, auch ihre Härten. Und dass er sich nicht als Kirchenfürst benommen hat, sondern als ein menschennaher nachbarlicher Pastor, der zuhört, der mit Menschen spricht und nicht von oben herab irgendetwas dekretiert. Und ich wünsche ihm sehr, dass er seine Berliner Erfahrungen in Köln nicht vergisst.

domradio.de: Wie hat sich Woelki auf dem politischen Pakett in Berlin geschlagen?

Wolfgang Thierse: Er ist ja nicht der Vorsitzende der Bischofskonferenz gewesen, sondern der Ortsbischof von Berlin, eben der Hauptstadt Deutschlands. Und er hat mit dem Regierenden Bürgermeister Wowereit guten Kontakt gepflegt. Auch mit den anderen Berliner Politikern. Und er war gerade in den Fragen der Flüchtlingspolitik, der Sozialpolitik, der Intergrationspolitik, des Dialogs zwischen den Religionen/Regionen sehr aktiv. Und das sind ja alles nicht nur kirchlich religiöse, sondern gleichermaßen politische Themen und Probleme. Und da muss ein Bischof, wie wenig er Politiker ist, sich doch zugleich politisch verhalten. Und das ist glaube ich Kardinal Woelki gut gelungen.

domradio.de: Sie haben in Berlin viele Bischöfe erlebt. Was wünschen Sie sich jetzt für einen?

Wolfgang Thierse: Ich wünsche mir einen Bischof, der sich wie Kardinal Woelki auf die Berliner und ihre Stadt einlässt, der sozialer Gesinnung ist, der ein guter Pastor ist, aber auch politisch denkt und der selbstbewusst ist, auch gegenüber dem Vatikan und den manchmal durchaus ahnungslosen Bürokraten im Vatikan. Die Ortsbischöfe und die Ortskirchen wissen besser Bescheid, was zu tun ist, als die in den Gemäuern des Vatikans.

domradio.de: Was können denn die Köln von den Berlinern lernen?

Wolfgang Thierse: Ja, in Berlin sind die sozialen Probleme, die Probleme des Zusammenlebens unterschiedlicher Kulturen und unterschiedlicher Religionen deutlich sichtbar. Und das, was in Berlin schon in aller Härte der Fall ist, das wird auch in Köln passieren. Und da ist die katholische Kirche und ihr Bischof einer unter vielen, einer unter Gleichen. Er steht nicht über den anderen, er steht auch nicht unter den anderen, sondern als einer, der sich als Gleichberechtigter an den Disputen und Debatten beteiligt, und zwar selbstbewusst und mit der Überzeugung, dass er etwas zu sagen hat, dass wir Christen etwas zu sagen haben. Aber eben nicht von oben herab, sondern brüderlich und geschwisterlich.

domradio.de: Zum Abschluss noch die Frage: Gab es irgendwas, wo sie Kardinal Woelki in den drei Jahren beeindruckt hat, was Ihnen besonders aufgefallen ist, wo er neue Wege gegangen ist?

Wolfgang Thierse: Ich will mich ausführlich daran erinnern, das Herr Kardinal Woelki als er nach Berlin kam, von mancherlei Vorurteilen begleitet war. Was für ein konservativer Mann er sei und welcher Geheimorganisation er angehöre usw. Und ich will ausdrücklich sagen, mit welchem Respekt ich gesehen habe, wie er sich durch diese Vorurteile überhaupt nicht hat beeindrucken lassen, sie gewissermaßen durch sein Regen und Handeln, einfach beiseite geschoben hat. Das ist wirklich eine erstaunliche menschliche Leistung. Das hat mir gut gefallen.

Das Interview führte Alexander Foxius.


Quelle:
DR