DOMRADIO.DE: Innerhalb eines Jahres haben sich bereits vier Kölner katholische Grundschulen per Elternvotum umgewandelt. Erst letzten September waren die katholischen Grundschulen Forststraße in Rath und die KGS Langemaß in Mülheim zu Gemeinschaftsgrundschulen geworden. Was sagen Sie zu der Entwicklung?
Andrea Gersch (Abteilung Schule und Hochschule des Erzbischöflichen Generalvikariats in Köln): Natürlich bedauere ich das persönlich, weil die Schulart viele Chancen für die Kinder bietet, die sie besuchen. Gleichzeitig ist völlig klar im Schulgesetz verankert, dass die Schulart-Bestimmung den Eltern obliegt. Wir leben in einem freien Land. Mir ist sehr wichtig, dass die Eltern genau informiert werden, worüber sie abstimmen, dass sie wissen, was sie aufgeben und was sie dafür bekommen.
Deswegen wäre zu wünschen, dass die Schulen, an denen sich einige Eltern mit dem Gedanken an eine Umwandlung befassen, der gesamten Elternschaft vorab eine Informationsveranstaltung anbieten, bei der die Fakten und Argumente ehrlich auf den Tisch kommen. Zu solchen Sitzungen werden wir aus dem Bereich "Schule/Hochschule" von Eltern solcher Schulen sehr häufig angefragt und beraten möglichst differenziert und sachlich.
DOMRADIO.DE: Anders als eine katholische Privatschule wird eine katholische Grundschule nicht von der Kirche mitfinanziert, sondern zu 100 Prozent vom Staat.
Gersch: Das ist so, und zwar aus gutem Grund. Es handelt sich um eine öffentliche Schule in kommunaler Trägerschaft. Die Kirche ist systemisch in keiner Weise involviert. Das ist ein häufiges Missverständnis. Insofern ist es gut, das noch mal klarzustellen.
DOMRADIO.DE: Aber neben der Bevorzugung von katholischen Kindern, wird auch bei der Einstellung von Lehrkräften bei katholischen Grundschulen auf die Konfession geachtet. Das führt auch zu Problemen, oder?
Gersch: Im Schulgesetz steht sehr deutlich, dass zur Sicherung des Unterrichts diese grundsätzlich sinnvolle Regel außer Acht gelassen werden darf. Insofern ist da ein Spielraum im Schulgesetz schon vorgesehen.
DOMRADIO.DE: Das stimmt also nur zu Teilen?
Gersch: Genau, das ist der Grundsatz. Da stimmt es. Aber es sind ausdrücklich Ausnahmen zugelassen.
DOMRADIO.DE: Sie sagen, man sollte Eltern die Vor- und Nachteile schildern. Welche Vorteile hat es, eine katholische Grundschule und keine Gemeinschaftsgrundschule zu sein?
Gersch: Diese Schule hat den Auftrag, Kinder im Bekenntnis zu erziehen und zu unterrichten. An dem Wort erziehen merkt man, dass es da um mehr geht als um die zwei Religionsstunden pro Woche. Das ist anders als an einer Gemeinschaftsgrundschule, was die Regelschule in NRW ist, wohingegen katholische und evangelische Bekenntnisschulen Angebotsschulen sind. Die katholischen und evangelischen Grundschulen bieten die Chance, dass die religiöse Bildung wirklich der rote Faden im Schulalltag ist, im Schulleben, im Unterricht.
Zum Beispiel bei christlichen Festen. Das ist vielleicht etwas, was sich bei vielen als Bild ergibt, wenn man an diese Schulart denkt. Die dürfen gefeiert werden, das ist verbrieftes Recht. Das kann einer katholischen Grundschule oder auch einer evangelischen Grundschule niemand nehmen. An einer Gemeinschaftsgrundschule ist das anders.
DOMRADIO.DE: Die können aber doch auch. Wenn die sagen, dass sie Sankt Martin feiern wollen, dann können sie Sankt Martin feiern. Sie müssen nicht unbedingt ein Laternenfest feiern, oder?
Gersch: Müssen sie nicht. Solange die Eltern dem nicht widersprechen, können sie das auch. Aber es gibt nur an einer Bekenntnisschule nicht die Möglichkeit es zu untersagen. Deswegen das Stichwort verbrieftes Recht. Insofern können Feste wie Sankt Martin, Advent und Weihnachten auch in dem ihnen eigenen christlichen Sinne gefeiert werden. Das ist wichtig.
DOMRADIO.DE: Das heißt, wenn die Schule sagt, dass sie die christlichen Feste feiern wollen, können die Eltern es nicht untersagen. In einer Gemeinschaftsgrundschule könnten sie es tun. Aber sie könnten natürlich auch in einer Gemeinschaftsgrundschule festlegen, dass sie weiterhin wollen, dass das ein Sankt Martinsfest und kein Laternenfest ist.
Gersch: Wenn sie das möchten, können sie das tun. In der Tat. An einer katholischen Grundschule, wenn es der rote Faden ist, dieses Leben aus dem christlichen, aus dem katholischen Glauben heraus zu gestalten, dann bedeutet das für die Kinder, dass sie hier ein Identitätsangebot bekommen.
Das ist etwas, das sie annehmen können. Sie können es natürlich auch ablehnen. Aber es ist Raum, auch außerhalb des Religionsunterrichts wesentliche Fragen, existenzielle Fragen des Lebens zu thematisieren und bei den Lehrkräften auf offene Ohren zu stoßen.
DOMRADIO.DE: Zuletzt haben sich vier Kölner Grundschulen in Gemeinschaftsgrundschulen umgewandelt. Haben Sie überhaupt die Möglichkeiten, dem in irgendeiner Form entgegenzuwirken? Oder müssen Sie das einfach akzeptieren?
Gersch: Diese Schulen sind öffentliche Schulen. Die Kirche ist da in keiner Weise involviert. Die Trägerschaft ist eine kommunale. Insofern haben wir da keinerlei Einfluss, anders als der Name oft suggeriert.
DOMRADIO.DE: Wenn man sagt, wir werden zur Gemeinschaftsgrundschule und akzeptieren, dass der Einfluss der Eltern auf das, was wir mit anbieten, konfessionsloser wird, dann müssen wir da alle mit leben?
Gersch: Genau. Es ist in NRW Elternrecht, die Schulart zu bestimmen.
Das Interview führte Bernd Hamer.