domradio.de: Mehr gegen die Armut auf der Welt zu tun: Das haben viele Hilfsorganisation zu Beginn des G7-Gipfels gefordert. Was ist denn dabei herausgekommen?
Marvin Meier (Christliches Hilfswerk World Vision): Tolle Worte, die richtige Sprache, auch die richtige Einstellung in Bezug auf die neuen Nachhaltigkeitsziele. Aber leider keine Zusagen und kaum konkrete Pläne. Deswegen ist auch unser Gefühl, dass die G7 als Tiger losgesprungen und als Kätzchen gelandet sind. Das enttäuscht schon.
domradio.de: Es gibt die Forderung, dass sich die Staaten zur Gesundheitsversorgung für alle bekennen. Auch in den G7-Staaten selbst klappt das ja noch nicht so richtig, wenn man sich mal die USA anschaut. Kann eine Gesundheitsversorgung für alle denn funktionieren?
Meier: Oh ja, das ist möglich. Wir reden ja vom Jahr 2030, in dem das erreicht werden soll. Mit vielen Jahren Anlauf und gemeinsamen Anstrengungen ist es natürlich möglich, die Gesundheitssysteme auch in den armen Ländern auf Vordermann zu bringen. Aber gerade auch in einer Art und Weise, dass die Menschen dann nicht bar zahlen müssen, wenn sie gerade gesund sind. Ich habe in Afrika erlebt, dass Menschen teilweise in Krankenhäusern festgehalten wurden, weil sie nicht bezahlen konnten. Wir setzen uns dafür ein, dass die Frauen ihre Kinder in den Gesundheitsstationen entbinden. Es ist natürlich nicht gut, wenn danach dafür Geld verlangt wird. Die Ziele, die für 2030 ausgerufen werden, sind allgemeine und die gelten natürlich auch für die Industrieländer. Deswegen ist das natürlich auch ein Ruf an die USA, für die allgemeine Gesundheitsversorgung zu sorgen. Uns als Hilfsorganisation ist natürlich wichtiger, dass das in Sierra Leone, im Tschad oder auch in Laos passiert.
domradio.de: Wie kann das denn passieren?
Meier: Es geht da natürlich um die Mühen der Ebene. Früher war es sehr zersplittert. Da kam jemand her und hat gesagt, dass Impfen die eine Lösung ist. Die anderen haben nach der HIV-Bekämpfung geschrien. Die nächsten wollten sich auf die Bekämpfung der Tuberkulose beschränken. Was wir aber brauchen, sind gleichzeitig Gesundheitsstationen und Personal vor Ort, die sich undiskriminiert um jeden Fall kümmern können. Neben unserem System in Deutschland gibt es weitere Systeme, die das möglich machen. In England wird das National Health System über allgemeine Steuern bezahlt. Das funktioniert seit 40 Jahren wunderbar. Wir sagen nicht, dass es nichts kosten würde. Wir sagen nur, dass sich die Investitionen dafür innerhalb weniger Jahre auszahlen würden. Wir wissen, dass sich jeder Dollar, den wir heute in die Gesundheit eines Kindes investieren, bis zu neun Dollar Gewinn aufgrund der nachher vermiedenen Krankheitsbekämpfung bedeuten. Das sind Investitionen, die sich lohnen und wo gerade die G7 den ärmsten Ländern wirklich unter die Arme greifen müssen.
domradio.de: Ein weiterer Bereich ist die Ernährung. Da hat es von den G7-Staaten zum Abschluss des Gipfels zwar Erklärungen gegeben, aber kaum Zusagen. Was fordern Sie?
Meier: Das ist wirklich enttäuschend. Das was wir gehört haben, haben wir fast genau so schon 2015 im bayrischen Elmau gehört. Da schon haben sich die G7 in den Abschlusserklärung zusammen mit ihren Partnern verpflichtet, bis zum Jahr 2030 500 Millionen Menschen aus Hunger und Mangelernährung zu befreien. Nach einem Jahr konnte niemand schon große Umsetzungen erwarten. Aber was wir natürlich erwartet haben, waren zumindest konkrete Pläne: Mit wem werden wir es tun? Wer sind die Länder, die wir unterstützen werden? Wieviel Gelder werden wir bereitstellen? Das Einzige, das wir bekommen haben, ist eine Wiederholung des Elmau-Versprechens ohne zu sagen, wie es zu erreichen sein könnte. Da bleiben wir mit einem dicken Fragezeichen stehen. Es reicht einfach nicht, vollmundige Versprechen zu machen, wenn keine konkreten Umsetzungspläne folgen.
domradio.de: Würden Sie unter diesen gesamten G7-Gipfel in Japan einen negativen Schlussstrich ziehen?
Meier: Ich schaue aus der Gesundheitsperspektive darauf. Und da bleibt mir leider nichts anderes übrig. Was schon wichtig ist, und das finde ich positiv: Wir hatten fast dieselbe Sprache zur allgemeinen Gesundheitsversorgung schon 2015. Aber die G7 haben sich jetzt zum Begriff "allgemeine" Gesundheitsversorgung durchgerungen. Das ist schon ein Schritt nach vorne. Aber wir sind enttäuscht über die magere konkrete Umsatzplanung.
Das Interview führte Uta Vorbrodt.